Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Verzweiflungsschritten ihr Zimmer. Es schien
ihr der herbste Schlag, der sie treffen konnte.
Das Gehen machte sie ruhiger. Sie setzte sich
und jetzt erst konnte sie weinen.

"Womit verdient' ich das?" war ein er¬
stickter Ton ihrer Stimme. Woran dachte sie
jetzt! Was hatte sie alles gethan, um ihm eine
Liebe zu zeigen, an die er, an die sie nicht
glaubte, und die sich doch so unvertilgbar in
ihre Herzen eingenistet hatte! Womit ver¬
dient' ich das? Unglückliche Wally! Was hat¬
test du nicht dem Egoismus eines Mannes ge¬
opfert? Du gabst ihm deine Seele, deine
Gedanken, deine Schaam, Alles, was du
außer dem armseligen Stand der Verheira¬
thung hattest; und dies Alles dem Egois¬
mus, dem Lächeln, vielleicht dem Verrath? O,
das wäre entsetzlich, schrie sie auf; dem Ver¬
rath? Das nicht, Wally! Aber sein Herz ist
kalt, er lebt nur von Gefühlen, die er raffini¬

Verzweiflungsſchritten ihr Zimmer. Es ſchien
ihr der herbſte Schlag, der ſie treffen konnte.
Das Gehen machte ſie ruhiger. Sie ſetzte ſich
und jetzt erſt konnte ſie weinen.

„Womit verdient' ich das?“ war ein er¬
ſtickter Ton ihrer Stimme. Woran dachte ſie
jetzt! Was hatte ſie alles gethan, um ihm eine
Liebe zu zeigen, an die er, an die ſie nicht
glaubte, und die ſich doch ſo unvertilgbar in
ihre Herzen eingeniſtet hatte! Womit ver¬
dient' ich das? Unglückliche Wally! Was hat¬
teſt du nicht dem Egoismus eines Mannes ge¬
opfert? Du gabſt ihm deine Seele, deine
Gedanken, deine Schaam, Alles, was du
außer dem armſeligen Stand der Verheira¬
thung hatteſt; und dies Alles dem Egois¬
mus, dem Lächeln, vielleicht dem Verrath? O,
das wäre entſetzlich, ſchrie ſie auf; dem Ver¬
rath? Das nicht, Wally! Aber ſein Herz iſt
kalt, er lebt nur von Gefühlen, die er raffini¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0168" n="159"/>
Verzweiflungs&#x017F;chritten ihr Zimmer. Es &#x017F;chien<lb/>
ihr der herb&#x017F;te Schlag, der &#x017F;ie treffen konnte.<lb/>
Das Gehen machte &#x017F;ie ruhiger. Sie &#x017F;etzte &#x017F;ich<lb/>
und jetzt er&#x017F;t konnte &#x017F;ie weinen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Womit verdient' ich das?&#x201C; war ein er¬<lb/>
&#x017F;tickter Ton ihrer Stimme. Woran dachte &#x017F;ie<lb/>
jetzt! Was hatte &#x017F;ie alles gethan, um ihm eine<lb/>
Liebe zu zeigen, an die er, an die &#x017F;ie nicht<lb/>
glaubte, und die &#x017F;ich doch &#x017F;o unvertilgbar in<lb/>
ihre Herzen eingeni&#x017F;tet hatte! Womit ver¬<lb/>
dient' ich das? Unglückliche Wally! Was hat¬<lb/>
te&#x017F;t du nicht dem Egoismus eines Mannes ge¬<lb/>
opfert? Du gab&#x017F;t ihm deine Seele, deine<lb/>
Gedanken, deine Schaam, Alles, was du<lb/>
außer dem arm&#x017F;eligen Stand der Verheira¬<lb/>
thung hatte&#x017F;t; und dies Alles dem Egois¬<lb/>
mus, dem Lächeln, vielleicht dem Verrath? O,<lb/>
das wäre ent&#x017F;etzlich, &#x017F;chrie &#x017F;ie auf; dem Ver¬<lb/>
rath? Das nicht, Wally! Aber &#x017F;ein Herz i&#x017F;t<lb/>
kalt, er lebt nur von Gefühlen, die er raffini¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0168] Verzweiflungsſchritten ihr Zimmer. Es ſchien ihr der herbſte Schlag, der ſie treffen konnte. Das Gehen machte ſie ruhiger. Sie ſetzte ſich und jetzt erſt konnte ſie weinen. „Womit verdient' ich das?“ war ein er¬ ſtickter Ton ihrer Stimme. Woran dachte ſie jetzt! Was hatte ſie alles gethan, um ihm eine Liebe zu zeigen, an die er, an die ſie nicht glaubte, und die ſich doch ſo unvertilgbar in ihre Herzen eingeniſtet hatte! Womit ver¬ dient' ich das? Unglückliche Wally! Was hat¬ teſt du nicht dem Egoismus eines Mannes ge¬ opfert? Du gabſt ihm deine Seele, deine Gedanken, deine Schaam, Alles, was du außer dem armſeligen Stand der Verheira¬ thung hatteſt; und dies Alles dem Egois¬ mus, dem Lächeln, vielleicht dem Verrath? O, das wäre entſetzlich, ſchrie ſie auf; dem Ver¬ rath? Das nicht, Wally! Aber ſein Herz iſt kalt, er lebt nur von Gefühlen, die er raffini¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/168
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/168>, abgerufen am 21.11.2024.