Drei Wochen hindurch war der Wächter: Bewußtsein vom Thore der Vernunft verschwun¬ den. Die Gedanken Wally's waren frei gege¬ ben, das Dach stand offen, jedes Auge konnte in das glühende Hirn hineinsehen und die Ver¬ wirrung der Ideen mit seinen Blicken verfol¬ gen. Da lagen sie alle, die wie ein Kapital angelegten Eindrücke der Vergangenheit, ohne dir lachenden, fröhlichen Zinsen des Umgangs und des Bewußtseins zu tragen; nackte Leiber, die des bunten Gewandes der Rede ermangel¬ ten, Ideenembryone, so gräulich anzusehen, wie die Infusorien, die man durch Vergrößerungs¬ gläser in einem Wasserglase unterscheidet. Die Erinnerungen, Ideen und Ideenschatten jagten sich untereinander und giengen wahnwitzig lä¬
Gutzkow's Wally. 11
7.
Drei Wochen hindurch war der Wächter: Bewußtſein vom Thore der Vernunft verſchwun¬ den. Die Gedanken Wally's waren frei gege¬ ben, das Dach ſtand offen, jedes Auge konnte in das glühende Hirn hineinſehen und die Ver¬ wirrung der Ideen mit ſeinen Blicken verfol¬ gen. Da lagen ſie alle, die wie ein Kapital angelegten Eindrücke der Vergangenheit, ohne dir lachenden, fröhlichen Zinſen des Umgangs und des Bewußtſeins zu tragen; nackte Leiber, die des bunten Gewandes der Rede ermangel¬ ten, Ideenembryone, ſo gräulich anzuſehen, wie die Infuſorien, die man durch Vergrößerungs¬ gläſer in einem Waſſerglaſe unterſcheidet. Die Erinnerungen, Ideen und Ideenſchatten jagten ſich untereinander und giengen wahnwitzig lä¬
Gutzkow's Wally. 11
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0170"n="161"/></div><divn="2"><head>7.<lb/></head><p>Drei Wochen hindurch war der Wächter:<lb/>
Bewußtſein vom Thore der Vernunft verſchwun¬<lb/>
den. Die Gedanken Wally's waren frei gege¬<lb/>
ben, das Dach ſtand offen, jedes Auge konnte<lb/>
in das glühende Hirn hineinſehen und die Ver¬<lb/>
wirrung der Ideen mit ſeinen Blicken verfol¬<lb/>
gen. Da lagen ſie alle, die wie ein Kapital<lb/>
angelegten Eindrücke der Vergangenheit, ohne<lb/>
dir lachenden, fröhlichen Zinſen des Umgangs<lb/>
und des Bewußtſeins zu tragen; nackte Leiber,<lb/>
die des bunten Gewandes der Rede ermangel¬<lb/>
ten, Ideenembryone, ſo gräulich anzuſehen, wie<lb/>
die Infuſorien, die man durch Vergrößerungs¬<lb/>
gläſer in einem Waſſerglaſe unterſcheidet. Die<lb/>
Erinnerungen, Ideen und Ideenſchatten jagten<lb/>ſich untereinander und giengen wahnwitzig lä¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Gutzkow's Wally. 11<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[161/0170]
7.
Drei Wochen hindurch war der Wächter:
Bewußtſein vom Thore der Vernunft verſchwun¬
den. Die Gedanken Wally's waren frei gege¬
ben, das Dach ſtand offen, jedes Auge konnte
in das glühende Hirn hineinſehen und die Ver¬
wirrung der Ideen mit ſeinen Blicken verfol¬
gen. Da lagen ſie alle, die wie ein Kapital
angelegten Eindrücke der Vergangenheit, ohne
dir lachenden, fröhlichen Zinſen des Umgangs
und des Bewußtſeins zu tragen; nackte Leiber,
die des bunten Gewandes der Rede ermangel¬
ten, Ideenembryone, ſo gräulich anzuſehen, wie
die Infuſorien, die man durch Vergrößerungs¬
gläſer in einem Waſſerglaſe unterſcheidet. Die
Erinnerungen, Ideen und Ideenſchatten jagten
ſich untereinander und giengen wahnwitzig lä¬
Gutzkow's Wally. 11
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/170>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.