ich glauben? daß Christus ist unser Mittler, daß er im Abendmahl persönlich assistirt als Fleisch und Blut im Brod und Weine, daß er uns rechtfertigt durch die Gnade, daß die Erb¬ sünde, an die ich als Psycholog und Menschen¬ kenner faktisch glaube, theologisch zu erklären sei, zum großen Theile aber eine Dogmatik, welche auf jedes einzelne Glied im Körper des Rabbi Jesus gegründet ist. Der Katholicis¬ mus war sinnlicher Götzendienst mit polytheisti¬ scher Färbung. Der Protestantismus wurde mystischer Götzendienst mit einer Beschränkung auf einen Gott, der aber drei Hypostasen hatte. Wittenberg und der Sand waren Schuld, daß diese Lehre immer flacher, äußerlicher und zän¬ kischer sich ausbildete. Aus dem Evangelium, der Bibelmanie und den symbolischen Büchern setzte sich zuletzt das knöcherne Skelett der Or¬ thodoxie zusammen, eine Gestalt, die statt des Herzens einen ledernen Beutel, statt des Gehirns
Gutzkow's Wally. 19
ich glauben? daß Chriſtus iſt unſer Mittler, daß er im Abendmahl perſönlich aſſiſtirt als Fleiſch und Blut im Brod und Weine, daß er uns rechtfertigt durch die Gnade, daß die Erb¬ ſünde, an die ich als Pſycholog und Menſchen¬ kenner faktiſch glaube, theologiſch zu erklären ſei, zum großen Theile aber eine Dogmatik, welche auf jedes einzelne Glied im Körper des Rabbi Jeſus gegründet iſt. Der Katholicis¬ mus war ſinnlicher Götzendienſt mit polytheiſti¬ ſcher Färbung. Der Proteſtantismus wurde myſtiſcher Götzendienſt mit einer Beſchränkung auf einen Gott, der aber drei Hypoſtaſen hatte. Wittenberg und der Sand waren Schuld, daß dieſe Lehre immer flacher, äußerlicher und zän¬ kiſcher ſich ausbildete. Aus dem Evangelium, der Bibelmanie und den ſymboliſchen Büchern ſetzte ſich zuletzt das knöcherne Skelett der Or¬ thodoxie zuſammen, eine Geſtalt, die ſtatt des Herzens einen ledernen Beutel, ſtatt des Gehirns
Gutzkow's Wally. 19
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0298"n="291[289]"/>
ich glauben? daß Chriſtus iſt unſer Mittler,<lb/>
daß er im Abendmahl perſönlich aſſiſtirt als<lb/>
Fleiſch und Blut im Brod und Weine, daß er<lb/>
uns rechtfertigt durch die Gnade, daß die Erb¬<lb/>ſünde, an die ich als Pſycholog und Menſchen¬<lb/>
kenner faktiſch glaube, theologiſch zu erklären<lb/>ſei, zum großen Theile aber eine Dogmatik,<lb/>
welche auf jedes einzelne Glied im Körper des<lb/>
Rabbi Jeſus gegründet iſt. Der Katholicis¬<lb/>
mus war ſinnlicher Götzendienſt mit polytheiſti¬<lb/>ſcher Färbung. Der Proteſtantismus wurde<lb/>
myſtiſcher Götzendienſt mit einer Beſchränkung<lb/>
auf einen Gott, der aber drei Hypoſtaſen hatte.<lb/>
Wittenberg und der Sand waren Schuld, daß<lb/>
dieſe Lehre immer flacher, äußerlicher und zän¬<lb/>
kiſcher ſich ausbildete. Aus dem Evangelium,<lb/>
der Bibelmanie und den ſymboliſchen Büchern<lb/>ſetzte ſich zuletzt das knöcherne Skelett der Or¬<lb/>
thodoxie zuſammen, eine Geſtalt, die ſtatt des<lb/>
Herzens einen ledernen Beutel, ſtatt des Gehirns<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Gutzkow's Wally. 19<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[291[289]/0298]
ich glauben? daß Chriſtus iſt unſer Mittler,
daß er im Abendmahl perſönlich aſſiſtirt als
Fleiſch und Blut im Brod und Weine, daß er
uns rechtfertigt durch die Gnade, daß die Erb¬
ſünde, an die ich als Pſycholog und Menſchen¬
kenner faktiſch glaube, theologiſch zu erklären
ſei, zum großen Theile aber eine Dogmatik,
welche auf jedes einzelne Glied im Körper des
Rabbi Jeſus gegründet iſt. Der Katholicis¬
mus war ſinnlicher Götzendienſt mit polytheiſti¬
ſcher Färbung. Der Proteſtantismus wurde
myſtiſcher Götzendienſt mit einer Beſchränkung
auf einen Gott, der aber drei Hypoſtaſen hatte.
Wittenberg und der Sand waren Schuld, daß
dieſe Lehre immer flacher, äußerlicher und zän¬
kiſcher ſich ausbildete. Aus dem Evangelium,
der Bibelmanie und den ſymboliſchen Büchern
ſetzte ſich zuletzt das knöcherne Skelett der Or¬
thodoxie zuſammen, eine Geſtalt, die ſtatt des
Herzens einen ledernen Beutel, ſtatt des Gehirns
Gutzkow's Wally. 19
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 291[289]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/298>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.