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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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Ich muß sterben, denn hassenswerth schien'
ich mir, wenn ich mich durch die Welt schliche
und mir selbst verbergen wollte, was ich leide.
Wir erkennen Gott nicht. Nun und nimmer
mehr. Das tragische und der Menschheit wür¬
dige Schicksal unsers Planeten wäre, daß er
sich selbst anzündete, und alle, die Leben ath¬
men, sich auf den Scheiterhaufen der brennen¬
den Erde würfen. Alle müßten sie sich opfern
-- aus Haß gegen den Himmel; opfern, wie
man Rechnungen verdirbt, die ohne den Wirth
gemacht werden. Alle! Alle! Dann wäre das
Problem gelöst und Gott müßte eilen, sich neue
Menschen, neue Sklaven zu schaffen. Barba¬
rischer Mord der Völker unter einander glaubt
ihr, werde das Ende der Dinge sein? Die
wiedererwachende Rohheit der Natur? Hyänen,
die sich unter einander zerfleischen, sind euch
der Zweck der Geschichte? Gräßlicher Gedanke!
Prophezeihung, würdig eines Henkers! Sie

Ich muß ſterben, denn haſſenswerth ſchien'
ich mir, wenn ich mich durch die Welt ſchliche
und mir ſelbſt verbergen wollte, was ich leide.
Wir erkennen Gott nicht. Nun und nimmer
mehr. Das tragiſche und der Menſchheit wür¬
dige Schickſal unſers Planeten wäre, daß er
ſich ſelbſt anzündete, und alle, die Leben ath¬
men, ſich auf den Scheiterhaufen der brennen¬
den Erde würfen. Alle müßten ſie ſich opfern
— aus Haß gegen den Himmel; opfern, wie
man Rechnungen verdirbt, die ohne den Wirth
gemacht werden. Alle! Alle! Dann wäre das
Problem gelöſt und Gott müßte eilen, ſich neue
Menſchen, neue Sklaven zu ſchaffen. Barba¬
riſcher Mord der Völker unter einander glaubt
ihr, werde das Ende der Dinge ſein? Die
wiedererwachende Rohheit der Natur? Hyänen,
die ſich unter einander zerfleiſchen, ſind euch
der Zweck der Geſchichte? Gräßlicher Gedanke!
Prophezeihung, würdig eines Henkers! Sie

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[309/0318] Ich muß ſterben, denn haſſenswerth ſchien' ich mir, wenn ich mich durch die Welt ſchliche und mir ſelbſt verbergen wollte, was ich leide. Wir erkennen Gott nicht. Nun und nimmer mehr. Das tragiſche und der Menſchheit wür¬ dige Schickſal unſers Planeten wäre, daß er ſich ſelbſt anzündete, und alle, die Leben ath¬ men, ſich auf den Scheiterhaufen der brennen¬ den Erde würfen. Alle müßten ſie ſich opfern — aus Haß gegen den Himmel; opfern, wie man Rechnungen verdirbt, die ohne den Wirth gemacht werden. Alle! Alle! Dann wäre das Problem gelöſt und Gott müßte eilen, ſich neue Menſchen, neue Sklaven zu ſchaffen. Barba¬ riſcher Mord der Völker unter einander glaubt ihr, werde das Ende der Dinge ſein? Die wiedererwachende Rohheit der Natur? Hyänen, die ſich unter einander zerfleiſchen, ſind euch der Zweck der Geſchichte? Gräßlicher Gedanke! Prophezeihung, würdig eines Henkers! Sie

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/318>, abgerufen am 21.11.2024.