Ich muß sterben, denn hassenswerth schien' ich mir, wenn ich mich durch die Welt schliche und mir selbst verbergen wollte, was ich leide. Wir erkennen Gott nicht. Nun und nimmer mehr. Das tragische und der Menschheit wür¬ dige Schicksal unsers Planeten wäre, daß er sich selbst anzündete, und alle, die Leben ath¬ men, sich auf den Scheiterhaufen der brennen¬ den Erde würfen. Alle müßten sie sich opfern -- aus Haß gegen den Himmel; opfern, wie man Rechnungen verdirbt, die ohne den Wirth gemacht werden. Alle! Alle! Dann wäre das Problem gelöst und Gott müßte eilen, sich neue Menschen, neue Sklaven zu schaffen. Barba¬ rischer Mord der Völker unter einander glaubt ihr, werde das Ende der Dinge sein? Die wiedererwachende Rohheit der Natur? Hyänen, die sich unter einander zerfleischen, sind euch der Zweck der Geschichte? Gräßlicher Gedanke! Prophezeihung, würdig eines Henkers! Sie
Ich muß ſterben, denn haſſenswerth ſchien' ich mir, wenn ich mich durch die Welt ſchliche und mir ſelbſt verbergen wollte, was ich leide. Wir erkennen Gott nicht. Nun und nimmer mehr. Das tragiſche und der Menſchheit wür¬ dige Schickſal unſers Planeten wäre, daß er ſich ſelbſt anzündete, und alle, die Leben ath¬ men, ſich auf den Scheiterhaufen der brennen¬ den Erde würfen. Alle müßten ſie ſich opfern — aus Haß gegen den Himmel; opfern, wie man Rechnungen verdirbt, die ohne den Wirth gemacht werden. Alle! Alle! Dann wäre das Problem gelöſt und Gott müßte eilen, ſich neue Menſchen, neue Sklaven zu ſchaffen. Barba¬ riſcher Mord der Völker unter einander glaubt ihr, werde das Ende der Dinge ſein? Die wiedererwachende Rohheit der Natur? Hyänen, die ſich unter einander zerfleiſchen, ſind euch der Zweck der Geſchichte? Gräßlicher Gedanke! Prophezeihung, würdig eines Henkers! Sie
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0318"n="309"/><p>Ich muß ſterben, denn haſſenswerth ſchien'<lb/>
ich mir, wenn ich mich durch die Welt ſchliche<lb/>
und mir ſelbſt verbergen wollte, was ich leide.<lb/>
Wir erkennen Gott nicht. Nun und nimmer<lb/>
mehr. Das tragiſche und der Menſchheit wür¬<lb/>
dige Schickſal unſers Planeten wäre, daß er<lb/>ſich ſelbſt anzündete, und alle, die Leben ath¬<lb/>
men, ſich auf den Scheiterhaufen der brennen¬<lb/>
den Erde würfen. Alle müßten ſie ſich opfern<lb/>— aus Haß gegen den Himmel; opfern, wie<lb/>
man Rechnungen verdirbt, die ohne den Wirth<lb/>
gemacht werden. Alle! Alle! Dann wäre das<lb/>
Problem gelöſt und Gott müßte eilen, ſich neue<lb/>
Menſchen, neue Sklaven zu ſchaffen. Barba¬<lb/>
riſcher Mord der Völker unter einander glaubt<lb/>
ihr, werde das Ende der Dinge ſein? Die<lb/>
wiedererwachende Rohheit der Natur? Hyänen,<lb/>
die ſich unter einander zerfleiſchen, ſind euch<lb/>
der Zweck der Geſchichte? Gräßlicher Gedanke!<lb/>
Prophezeihung, würdig eines Henkers! Sie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[309/0318]
Ich muß ſterben, denn haſſenswerth ſchien'
ich mir, wenn ich mich durch die Welt ſchliche
und mir ſelbſt verbergen wollte, was ich leide.
Wir erkennen Gott nicht. Nun und nimmer
mehr. Das tragiſche und der Menſchheit wür¬
dige Schickſal unſers Planeten wäre, daß er
ſich ſelbſt anzündete, und alle, die Leben ath¬
men, ſich auf den Scheiterhaufen der brennen¬
den Erde würfen. Alle müßten ſie ſich opfern
— aus Haß gegen den Himmel; opfern, wie
man Rechnungen verdirbt, die ohne den Wirth
gemacht werden. Alle! Alle! Dann wäre das
Problem gelöſt und Gott müßte eilen, ſich neue
Menſchen, neue Sklaven zu ſchaffen. Barba¬
riſcher Mord der Völker unter einander glaubt
ihr, werde das Ende der Dinge ſein? Die
wiedererwachende Rohheit der Natur? Hyänen,
die ſich unter einander zerfleiſchen, ſind euch
der Zweck der Geſchichte? Gräßlicher Gedanke!
Prophezeihung, würdig eines Henkers! Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/318>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.