Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

versteckten zufälligen Fertigkeit? Ich bitte
Sie, überlegen Sie das, mein Herr!"

Hier war keine Verständigung mehr mög¬
lich. Was sind Hunderttausende in der Welt
ohne das bischen Fortepiano, was sie spielen
können! Es war, als hätte einer gesagt, die
Frauen sollten keine Gigotärmel mehr tragen.
Was wären diese schmalen Brüste, diese gedan¬
kenlosen Köpfe ohne Gigots, ohne Pianoforte!
Und doch strafte man Cäsarn nicht durch Still¬
schweigen, ging nicht wie wegen eines Tollen
zur Tagesordnung über, sondern schrie auf und
rief das Gefühl, den Himmel, die Moralität
zu Hülfe, um einen Ketzer zu bekehren. Der
blonde Unzeitgemäße war so glücklich, die Frage
in das Gebiet der Politik hinüberzuspielen und
aus der Musik eine Sache des Staates zu
machen. Hierüber schwieg Cäsar.

Ihn verdroß nichts mehr, als das Warm¬
werden. Er wußte zu gut, daß die Adler nie¬

verſteckten zufälligen Fertigkeit? Ich bitte
Sie, überlegen Sie das, mein Herr!“

Hier war keine Verſtändigung mehr mög¬
lich. Was ſind Hunderttauſende in der Welt
ohne das bischen Fortepiano, was ſie ſpielen
können! Es war, als hätte einer geſagt, die
Frauen ſollten keine Gigotärmel mehr tragen.
Was wären dieſe ſchmalen Brüſte, dieſe gedan¬
kenloſen Köpfe ohne Gigots, ohne Pianoforte!
Und doch ſtrafte man Cäsarn nicht durch Still¬
ſchweigen, ging nicht wie wegen eines Tollen
zur Tagesordnung über, ſondern ſchrie auf und
rief das Gefühl, den Himmel, die Moralität
zu Hülfe, um einen Ketzer zu bekehren. Der
blonde Unzeitgemäße war ſo glücklich, die Frage
in das Gebiet der Politik hinüberzuſpielen und
aus der Muſik eine Sache des Staates zu
machen. Hierüber ſchwieg Cäſar.

Ihn verdroß nichts mehr, als das Warm¬
werden. Er wußte zu gut, daß die Adler nie¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0047" n="38"/>
ver&#x017F;teckten zufälligen Fertigkeit? Ich bitte<lb/>
Sie, überlegen Sie das, mein Herr!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Hier war keine Ver&#x017F;tändigung mehr mög¬<lb/>
lich. Was &#x017F;ind Hunderttau&#x017F;ende in der Welt<lb/>
ohne das bischen Fortepiano, was &#x017F;ie &#x017F;pielen<lb/>
können! Es war, als hätte einer ge&#x017F;agt, die<lb/>
Frauen &#x017F;ollten keine Gigotärmel mehr tragen.<lb/>
Was wären die&#x017F;e &#x017F;chmalen Brü&#x017F;te, die&#x017F;e gedan¬<lb/>
kenlo&#x017F;en Köpfe ohne Gigots, ohne Pianoforte!<lb/>
Und doch &#x017F;trafte man Cäsarn nicht durch Still¬<lb/>
&#x017F;chweigen, ging nicht wie wegen eines Tollen<lb/>
zur Tagesordnung über, &#x017F;ondern &#x017F;chrie auf und<lb/>
rief das Gefühl, den Himmel, die Moralität<lb/>
zu Hülfe, um einen Ketzer zu bekehren. Der<lb/>
blonde Unzeitgemäße war &#x017F;o glücklich, die Frage<lb/>
in das Gebiet der Politik hinüberzu&#x017F;pielen und<lb/>
aus der Mu&#x017F;ik eine Sache des Staates zu<lb/>
machen. Hierüber &#x017F;chwieg Cä&#x017F;ar.</p><lb/>
          <p>Ihn verdroß nichts mehr, als das Warm¬<lb/>
werden. Er wußte zu gut, daß die Adler nie¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0047] verſteckten zufälligen Fertigkeit? Ich bitte Sie, überlegen Sie das, mein Herr!“ Hier war keine Verſtändigung mehr mög¬ lich. Was ſind Hunderttauſende in der Welt ohne das bischen Fortepiano, was ſie ſpielen können! Es war, als hätte einer geſagt, die Frauen ſollten keine Gigotärmel mehr tragen. Was wären dieſe ſchmalen Brüſte, dieſe gedan¬ kenloſen Köpfe ohne Gigots, ohne Pianoforte! Und doch ſtrafte man Cäsarn nicht durch Still¬ ſchweigen, ging nicht wie wegen eines Tollen zur Tagesordnung über, ſondern ſchrie auf und rief das Gefühl, den Himmel, die Moralität zu Hülfe, um einen Ketzer zu bekehren. Der blonde Unzeitgemäße war ſo glücklich, die Frage in das Gebiet der Politik hinüberzuſpielen und aus der Muſik eine Sache des Staates zu machen. Hierüber ſchwieg Cäſar. Ihn verdroß nichts mehr, als das Warm¬ werden. Er wußte zu gut, daß die Adler nie¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/47
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/47>, abgerufen am 21.11.2024.