kann bei einem Lande nicht die Rede sein, das von Alaun und Schwefel unterminirt ist und in der Ernte immer einen Monat zu spät kömmt. Zwerghaft sind die Bäume auf den Hügeln: aber reizende Perspektiven öffnen sich zahlreich in die weiten Thäler. Nichts ist hier schöner, als die mannichfachen Schattirungen des grünen Kleides der Natur. Man steht an der morsch zerbröckelnden Mauer einer hohen Straße, und sieht kleines Gesträuch zunächst zu seinen Füßen; dann tiefer einen Wald, der sich mit den schwär¬ zesten Tinten in die tiefste Spalte des Thales verliert, und in einem dumpfen Murmeln, in dem Rieseln eines Waldbaches zu enden scheint; dort aber erhebt sich wieder der Blick, die grüne Alpenmatte entlang, welche am andern Ende des Thales aufwärts steigt. Auf dem frischen, üppigen Teppich weidet das Auge bis sich die Sehkraft in jenen dunkeln Kranz von Fichten verliert, welcher den äußersten Horizont
kann bei einem Lande nicht die Rede ſein, das von Alaun und Schwefel unterminirt iſt und in der Ernte immer einen Monat zu ſpät kömmt. Zwerghaft ſind die Bäume auf den Hügeln: aber reizende Perſpektiven öffnen ſich zahlreich in die weiten Thäler. Nichts iſt hier ſchöner, als die mannichfachen Schattirungen des grünen Kleides der Natur. Man ſteht an der morſch zerbröckelnden Mauer einer hohen Straße, und ſieht kleines Geſträuch zunächſt zu ſeinen Füßen; dann tiefer einen Wald, der ſich mit den ſchwär¬ zeſten Tinten in die tiefſte Spalte des Thales verliert, und in einem dumpfen Murmeln, in dem Rieſeln eines Waldbaches zu enden ſcheint; dort aber erhebt ſich wieder der Blick, die grüne Alpenmatte entlang, welche am andern Ende des Thales aufwärts ſteigt. Auf dem friſchen, üppigen Teppich weidet das Auge bis ſich die Sehkraft in jenen dunkeln Kranz von Fichten verliert, welcher den äußerſten Horizont
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kann bei einem Lande nicht die Rede ſein, das
von Alaun und Schwefel unterminirt iſt und
in der Ernte immer einen Monat zu ſpät kömmt.
Zwerghaft ſind die Bäume auf den Hügeln:
aber reizende Perſpektiven öffnen ſich zahlreich
in die weiten Thäler. Nichts iſt hier ſchöner,
als die mannichfachen Schattirungen des grünen
Kleides der Natur. Man ſteht an der morſch
zerbröckelnden Mauer einer hohen Straße, und
ſieht kleines Geſträuch zunächſt zu ſeinen Füßen;
dann tiefer einen Wald, der ſich mit den ſchwär¬
zeſten Tinten in die tiefſte Spalte des Thales
verliert, und in einem dumpfen Murmeln, in
dem Rieſeln eines Waldbaches zu enden ſcheint;
dort aber erhebt ſich wieder der Blick, die
grüne Alpenmatte entlang, welche am andern
Ende des Thales aufwärts ſteigt. Auf dem
friſchen, üppigen Teppich weidet das Auge bis
ſich die Sehkraft in jenen dunkeln Kranz von
Fichten verliert, welcher den äußerſten Horizont
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/57>, abgerufen am 21.11.2024.
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