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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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was Waldemar versicherte, daß er sich dieses
Mädchens durchaus nicht entsinne, nie mit ihr
ein Wort gewechselt, und auch im vorigen Jahre
zum erstenmale Schwalbach besucht habe. Cä¬
sar aber glaubte diesen Versicherungen; denn
Waldemar war eine treue Seele, die Nieman¬
den betrüben konnte, noch weniger aber wäre
eine Unwahrheit über seine Zunge gekommen. Er
nahm den Wahnsinn Bärbels von der lächer¬
lichen Seite und suchte Waldemar zu trösten.
Ja, diesem melancholischen Manne fehlte nur
noch eine neue Ursache seiner Schwermuth!

Wally befand sich in einer Stimmung, die
ihr den Verkehr mit beiden Männern, der immer
gewisse Gränzen und Nüancen hatte, recht zum
Genuß machte. Einst wollte sie in einem Garten
zu ihnen unbemerkt herantreten, während beide
Freunde unter einem Bosket von verwelkenden
Rosen sich unterhielten; da sie aber hörte, daß ihr
Gespräch religiöse Saiten aufgezogen hatte, so

Gutzkow's Wally. 6

was Waldemar verſicherte, daß er ſich dieſes
Mädchens durchaus nicht entſinne, nie mit ihr
ein Wort gewechſelt, und auch im vorigen Jahre
zum erſtenmale Schwalbach beſucht habe. Cä¬
ſar aber glaubte dieſen Verſicherungen; denn
Waldemar war eine treue Seele, die Nieman¬
den betrüben konnte, noch weniger aber wäre
eine Unwahrheit über ſeine Zunge gekommen. Er
nahm den Wahnſinn Bärbels von der lächer¬
lichen Seite und ſuchte Waldemar zu tröſten.
Ja, dieſem melancholiſchen Manne fehlte nur
noch eine neue Urſache ſeiner Schwermuth!

Wally befand ſich in einer Stimmung, die
ihr den Verkehr mit beiden Männern, der immer
gewiſſe Gränzen und Nüancen hatte, recht zum
Genuß machte. Einſt wollte ſie in einem Garten
zu ihnen unbemerkt herantreten, während beide
Freunde unter einem Bosket von verwelkenden
Roſen ſich unterhielten; da ſie aber hörte, daß ihr
Geſpräch religiöſe Saiten aufgezogen hatte, ſo

Gutzkow's Wally. 6
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[81/0090] was Waldemar verſicherte, daß er ſich dieſes Mädchens durchaus nicht entſinne, nie mit ihr ein Wort gewechſelt, und auch im vorigen Jahre zum erſtenmale Schwalbach beſucht habe. Cä¬ ſar aber glaubte dieſen Verſicherungen; denn Waldemar war eine treue Seele, die Nieman¬ den betrüben konnte, noch weniger aber wäre eine Unwahrheit über ſeine Zunge gekommen. Er nahm den Wahnſinn Bärbels von der lächer¬ lichen Seite und ſuchte Waldemar zu tröſten. Ja, dieſem melancholiſchen Manne fehlte nur noch eine neue Urſache ſeiner Schwermuth! Wally befand ſich in einer Stimmung, die ihr den Verkehr mit beiden Männern, der immer gewiſſe Gränzen und Nüancen hatte, recht zum Genuß machte. Einſt wollte ſie in einem Garten zu ihnen unbemerkt herantreten, während beide Freunde unter einem Bosket von verwelkenden Roſen ſich unterhielten; da ſie aber hörte, daß ihr Geſpräch religiöſe Saiten aufgezogen hatte, ſo Gutzkow's Wally. 6

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/90>, abgerufen am 21.11.2024.