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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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viel gesellschaftliche Theorie in sich aufnahm und mehr eine Stimmung des Gemüths, als ein Prinzip der Handlung wurde, so konnte es nicht fehlen, daß seine Ausbreitung in dem Grade zunahm, als sich seine Jntensivität verringerte. Wer macht nicht jetzt alles auf den Liberalismus Anspruch? Man frage die Doktrinäre, ob sie sich nicht für eben so liberal halten, wie der Tiersparti; und die Partei der Republikaner, was sie wieder vom Tiersparti urtheilen? Einige Fürsten haben sogar angefangen, sich für den Liberalismus zu erklären, wie ich nur auf den Herzog von Utopicshire zu verweisen brauche, den Alle kennen. Er liest nur radicale Journale, er hat keinen Bedienten, sondern nur Freunde, die ihn bedienen. Sie besuchen ihn des Morgens im gentlemenliken Frack, unterhalten sich ein wenig mit ihrer Hoheit und werden dann sehr höflich ersucht, ob sie ihm nicht vielleicht das Frühstück aus der Küche holen möchten. Der Herzog hat dabei immer eine Entschuldigung als Motiv seiner Bitte. "Jch bin noch nicht angekleidet, Sir," heißt es. "Sie sind ja gerade auf den Beinen, Sir! Machen Sie mich zu Jhrem Schuldner, Sir, u. s. f." Wenn der Herzog ausfährt, so sind Kutscher und Bediente seine jüngern Brüder, die neben ihm sitzen, die Peitsche führen und den Schlag nur deßhalb aufmachen, weil sie gerade den Vorsprung haben. Der Herzog hat, weil es ihn beunruhigt, vorn einen Kutscher auf dem Bock sitzen zu sehen, sich deßhalb auch für den Winter zu offenen Wagen bequemen müssen,

viel gesellschaftliche Theorie in sich aufnahm und mehr eine Stimmung des Gemüths, als ein Prinzip der Handlung wurde, so konnte es nicht fehlen, daß seine Ausbreitung in dem Grade zunahm, als sich seine Jntensivität verringerte. Wer macht nicht jetzt alles auf den Liberalismus Anspruch? Man frage die Doktrinäre, ob sie sich nicht für eben so liberal halten, wie der Tiersparti; und die Partei der Republikaner, was sie wieder vom Tiersparti urtheilen? Einige Fürsten haben sogar angefangen, sich für den Liberalismus zu erklären, wie ich nur auf den Herzog von Utopicshire zu verweisen brauche, den Alle kennen. Er liest nur radicale Journale, er hat keinen Bedienten, sondern nur Freunde, die ihn bedienen. Sie besuchen ihn des Morgens im gentlemenliken Frack, unterhalten sich ein wenig mit ihrer Hoheit und werden dann sehr höflich ersucht, ob sie ihm nicht vielleicht das Frühstück aus der Küche holen möchten. Der Herzog hat dabei immer eine Entschuldigung als Motiv seiner Bitte. "Jch bin noch nicht angekleidet, Sir," heißt es. "Sie sind ja gerade auf den Beinen, Sir! Machen Sie mich zu Jhrem Schuldner, Sir, u. s. f." Wenn der Herzog ausfährt, so sind Kutscher und Bediente seine jüngern Brüder, die neben ihm sitzen, die Peitsche führen und den Schlag nur deßhalb aufmachen, weil sie gerade den Vorsprung haben. Der Herzog hat, weil es ihn beunruhigt, vorn einen Kutscher auf dem Bock sitzen zu sehen, sich deßhalb auch für den Winter zu offenen Wagen bequemen müssen,

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viel gesellschaftliche Theorie in sich aufnahm und mehr eine Stimmung des Gemüths, als ein Prinzip der Handlung wurde, so konnte es nicht fehlen, daß seine Ausbreitung in dem Grade zunahm, als sich seine Jntensivität verringerte. Wer macht nicht jetzt alles auf den Liberalismus Anspruch? Man frage die Doktrinäre, ob sie sich nicht für eben so liberal halten, wie der Tiersparti; und die Partei der Republikaner, was sie wieder vom Tiersparti urtheilen? Einige Fürsten haben sogar angefangen, sich für den Liberalismus zu erklären, wie ich nur auf den Herzog von Utopicshire zu verweisen brauche, den Alle kennen. Er liest nur radicale Journale, er hat keinen Bedienten, sondern nur Freunde, die ihn bedienen. Sie besuchen ihn des Morgens im gentlemenliken Frack, unterhalten sich ein wenig mit ihrer Hoheit und werden dann sehr höflich ersucht, ob sie ihm nicht vielleicht das Frühstück aus der Küche holen möchten. Der Herzog hat dabei immer eine Entschuldigung als Motiv seiner Bitte. "Jch bin noch nicht angekleidet, Sir," heißt es. "Sie sind ja gerade auf den Beinen, Sir! Machen Sie mich zu Jhrem Schuldner, Sir, u. s. f." Wenn der Herzog ausfährt, so sind Kutscher und Bediente seine jüngern Brüder, die neben ihm sitzen, die Peitsche führen und den Schlag nur deßhalb aufmachen, weil sie gerade den Vorsprung haben. Der Herzog hat, weil es ihn beunruhigt, vorn einen Kutscher auf dem Bock sitzen zu sehen, sich deßhalb auch für den Winter zu offenen Wagen bequemen müssen,
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[91/0119] viel gesellschaftliche Theorie in sich aufnahm und mehr eine Stimmung des Gemüths, als ein Prinzip der Handlung wurde, so konnte es nicht fehlen, daß seine Ausbreitung in dem Grade zunahm, als sich seine Jntensivität verringerte. Wer macht nicht jetzt alles auf den Liberalismus Anspruch? Man frage die Doktrinäre, ob sie sich nicht für eben so liberal halten, wie der Tiersparti; und die Partei der Republikaner, was sie wieder vom Tiersparti urtheilen? Einige Fürsten haben sogar angefangen, sich für den Liberalismus zu erklären, wie ich nur auf den Herzog von Utopicshire zu verweisen brauche, den Alle kennen. Er liest nur radicale Journale, er hat keinen Bedienten, sondern nur Freunde, die ihn bedienen. Sie besuchen ihn des Morgens im gentlemenliken Frack, unterhalten sich ein wenig mit ihrer Hoheit und werden dann sehr höflich ersucht, ob sie ihm nicht vielleicht das Frühstück aus der Küche holen möchten. Der Herzog hat dabei immer eine Entschuldigung als Motiv seiner Bitte. "Jch bin noch nicht angekleidet, Sir," heißt es. "Sie sind ja gerade auf den Beinen, Sir! Machen Sie mich zu Jhrem Schuldner, Sir, u. s. f." Wenn der Herzog ausfährt, so sind Kutscher und Bediente seine jüngern Brüder, die neben ihm sitzen, die Peitsche führen und den Schlag nur deßhalb aufmachen, weil sie gerade den Vorsprung haben. Der Herzog hat, weil es ihn beunruhigt, vorn einen Kutscher auf dem Bock sitzen zu sehen, sich deßhalb auch für den Winter zu offenen Wagen bequemen müssen,

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/119>, abgerufen am 21.11.2024.