Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Geschichte der römischen Könige hat der große Niebuhr in eine Fabel verwandelt. Wenn das so fortgeht, so werden wir in Miltons verlorenem und wieder gewonnenem Paradies bald nur noch die allegorische Darstellung eines Handelfallissements sehen, in Pope's Menschen eine Theorie der Algebra, weil das Größte und das Kleinste darin besungen und gleichsam das Sandkorn, das den Schöpfer preist, darin gemessen wird; in Göthe's Egmont endlich ein poetisches Handbuch der Technologie, weil soviel Handschuhmacher und sonstige Handwerker darin vorkommen. Die abenteuerlichen und wunderlichen Vorstellungen, welche in den Köpfen der Zeitgenossen wohnen, entspringen aus der geringen Antheilnahme derselben an den Ereignissen, die mehr oder weniger doch nur in den Händen der Machthaber liegen. Oder, um gerechter zu seyn, es war die Restaurationsperiode, wo die Gemüther, dem öffentlichen Leben abgewendet, sich an die Annahme der widersinnigsten Behauptungen gewöhnten. Wenn die Bürger nicht mehr die Volksversammlung besuchen, so werden sie auf den Gemüsemarkt gehen, in die Ringschule, auf die öffentlichen Spaziergänge und werden bald den Sophisten in die Hände fallen. Alle reaktionären Maßregeln rächen sich. Sie wollen die politische Beweglichkeit nur zügeln, aber die Spannkraft ist bald hin, die nicht in Thätigkeit gesetzte Maschine rostet. Wo zwischen Regierenden und Regierten kein vertrauensvoller und wechselsweise sich bedürftiger Verkehr Geschichte der römischen Könige hat der große Niebuhr in eine Fabel verwandelt. Wenn das so fortgeht, so werden wir in Miltons verlorenem und wieder gewonnenem Paradies bald nur noch die allegorische Darstellung eines Handelfallissements sehen, in Pope’s Menschen eine Theorie der Algebra, weil das Größte und das Kleinste darin besungen und gleichsam das Sandkorn, das den Schöpfer preist, darin gemessen wird; in Göthe’s Egmont endlich ein poetisches Handbuch der Technologie, weil soviel Handschuhmacher und sonstige Handwerker darin vorkommen. Die abenteuerlichen und wunderlichen Vorstellungen, welche in den Köpfen der Zeitgenossen wohnen, entspringen aus der geringen Antheilnahme derselben an den Ereignissen, die mehr oder weniger doch nur in den Händen der Machthaber liegen. Oder, um gerechter zu seyn, es war die Restaurationsperiode, wo die Gemüther, dem öffentlichen Leben abgewendet, sich an die Annahme der widersinnigsten Behauptungen gewöhnten. Wenn die Bürger nicht mehr die Volksversammlung besuchen, so werden sie auf den Gemüsemarkt gehen, in die Ringschule, auf die öffentlichen Spaziergänge und werden bald den Sophisten in die Hände fallen. Alle reaktionären Maßregeln rächen sich. Sie wollen die politische Beweglichkeit nur zügeln, aber die Spannkraft ist bald hin, die nicht in Thätigkeit gesetzte Maschine rostet. Wo zwischen Regierenden und Regierten kein vertrauensvoller und wechselsweise sich bedürftiger Verkehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0126" n="98"/> Geschichte der römischen Könige hat der große Niebuhr in eine Fabel verwandelt. Wenn das so fortgeht, so werden wir in Miltons verlorenem und wieder gewonnenem Paradies bald nur noch die allegorische Darstellung eines Handelfallissements sehen, in Pope’s Menschen eine Theorie der Algebra, weil das Größte und das Kleinste darin besungen und gleichsam das Sandkorn, das den Schöpfer preist, darin gemessen wird; in Göthe’s Egmont endlich ein poetisches Handbuch der Technologie, weil soviel Handschuhmacher und sonstige Handwerker darin vorkommen.</p> <p>Die abenteuerlichen und wunderlichen Vorstellungen, welche in den Köpfen der Zeitgenossen wohnen, entspringen aus der geringen Antheilnahme derselben an den Ereignissen, die mehr oder weniger doch nur in den Händen der Machthaber liegen. Oder, um gerechter zu seyn, es war die Restaurationsperiode, wo die Gemüther, dem öffentlichen Leben abgewendet, sich an die Annahme der widersinnigsten Behauptungen gewöhnten. Wenn die Bürger nicht mehr die Volksversammlung besuchen, so werden sie auf den Gemüsemarkt gehen, in die Ringschule, auf die öffentlichen Spaziergänge und werden bald den Sophisten in die Hände fallen. Alle reaktionären Maßregeln rächen sich. Sie wollen die politische Beweglichkeit nur zügeln, aber die Spannkraft ist bald hin, die nicht in Thätigkeit gesetzte Maschine rostet. Wo zwischen Regierenden und Regierten kein vertrauensvoller und wechselsweise sich bedürftiger Verkehr </p> </div> </body> </text> </TEI> [98/0126]
Geschichte der römischen Könige hat der große Niebuhr in eine Fabel verwandelt. Wenn das so fortgeht, so werden wir in Miltons verlorenem und wieder gewonnenem Paradies bald nur noch die allegorische Darstellung eines Handelfallissements sehen, in Pope’s Menschen eine Theorie der Algebra, weil das Größte und das Kleinste darin besungen und gleichsam das Sandkorn, das den Schöpfer preist, darin gemessen wird; in Göthe’s Egmont endlich ein poetisches Handbuch der Technologie, weil soviel Handschuhmacher und sonstige Handwerker darin vorkommen.
Die abenteuerlichen und wunderlichen Vorstellungen, welche in den Köpfen der Zeitgenossen wohnen, entspringen aus der geringen Antheilnahme derselben an den Ereignissen, die mehr oder weniger doch nur in den Händen der Machthaber liegen. Oder, um gerechter zu seyn, es war die Restaurationsperiode, wo die Gemüther, dem öffentlichen Leben abgewendet, sich an die Annahme der widersinnigsten Behauptungen gewöhnten. Wenn die Bürger nicht mehr die Volksversammlung besuchen, so werden sie auf den Gemüsemarkt gehen, in die Ringschule, auf die öffentlichen Spaziergänge und werden bald den Sophisten in die Hände fallen. Alle reaktionären Maßregeln rächen sich. Sie wollen die politische Beweglichkeit nur zügeln, aber die Spannkraft ist bald hin, die nicht in Thätigkeit gesetzte Maschine rostet. Wo zwischen Regierenden und Regierten kein vertrauensvoller und wechselsweise sich bedürftiger Verkehr
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