Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

über die Religion, klarer als Nordamerika, dem es zwar an Licht nicht gebricht, aber an Wärme. Diese Wärme des Gemüths, die Europa nie verlassen wird, dieser große Fond von Thatsachen, der an uns, selbst wenn wir, vollkommen emanzipirt, nur der Sonne noch als der Herrscherin des Jahrhunderts gegenüber stehen würden, doch immer noch festkleben würde, das ist der Mörtel, der vielleicht auch der Baukunst dann einen sinnigen und originellen Charakter geben wird. Wenigstens scheint es mir nicht allzuschwierig zu seyn, einen Tempel zu erfinden, der den Deismus und den Geschmack zu gleicher Zeit befriedigte, es sey denn, daß die Religion, die in Zukunft herrschen wird, keiner andern Tempel mehr bedürfen sollte, als, wie Christus selbst sagte, der menschlichen Herzen.

Kehren wir auf die Antike und das Romantische wieder zurück, so lagen nicht nur den alten Bestrebungen, das Daseyn zu verschönern, sondern dem Daseyn selbst ganz andere Prinzipien zum Grunde, als solche, die wir für moderne anerkennen würden. Alle drei Zeitepochen stehen in starker Beziehung zur Gesammtheit, allein jede in ihrer Art. Die Alten lebten dem Staate ohne die Familie, die Mittleren der Familie und durch sie erst dem Staate, die Neuern würden beide Prinzipien gern verschmelzen und doch immer darnach suchen, für sich ungeschoren zu bleiben und eine kleine originelle, ganz und gar nur ihnen gehörende Particularexistenz ansprechen zu dürfen. Die antike Philosophie erklärte den Ursprung

über die Religion, klarer als Nordamerika, dem es zwar an Licht nicht gebricht, aber an Wärme. Diese Wärme des Gemüths, die Europa nie verlassen wird, dieser große Fond von Thatsachen, der an uns, selbst wenn wir, vollkommen emanzipirt, nur der Sonne noch als der Herrscherin des Jahrhunderts gegenüber stehen würden, doch immer noch festkleben würde, das ist der Mörtel, der vielleicht auch der Baukunst dann einen sinnigen und originellen Charakter geben wird. Wenigstens scheint es mir nicht allzuschwierig zu seyn, einen Tempel zu erfinden, der den Deismus und den Geschmack zu gleicher Zeit befriedigte, es sey denn, daß die Religion, die in Zukunft herrschen wird, keiner andern Tempel mehr bedürfen sollte, als, wie Christus selbst sagte, der menschlichen Herzen.

Kehren wir auf die Antike und das Romantische wieder zurück, so lagen nicht nur den alten Bestrebungen, das Daseyn zu verschönern, sondern dem Daseyn selbst ganz andere Prinzipien zum Grunde, als solche, die wir für moderne anerkennen würden. Alle drei Zeitepochen stehen in starker Beziehung zur Gesammtheit, allein jede in ihrer Art. Die Alten lebten dem Staate ohne die Familie, die Mittleren der Familie und durch sie erst dem Staate, die Neuern würden beide Prinzipien gern verschmelzen und doch immer darnach suchen, für sich ungeschoren zu bleiben und eine kleine originelle, ganz und gar nur ihnen gehörende Particularexistenz ansprechen zu dürfen. Die antike Philosophie erklärte den Ursprung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="159"/>
über die Religion, klarer als Nordamerika, dem es zwar an Licht nicht gebricht, aber an Wärme. Diese Wärme des Gemüths, die Europa nie verlassen wird, dieser große Fond von Thatsachen, der an uns, selbst wenn wir, vollkommen emanzipirt, nur der Sonne noch als der Herrscherin des Jahrhunderts gegenüber stehen würden, doch immer noch festkleben würde, das ist der Mörtel, der vielleicht auch der Baukunst dann einen sinnigen und originellen Charakter geben wird. Wenigstens scheint es mir nicht allzuschwierig zu seyn, einen Tempel zu erfinden, der den Deismus und den Geschmack zu gleicher Zeit befriedigte, es sey denn, daß die Religion, die in Zukunft herrschen wird, keiner andern Tempel mehr bedürfen sollte, als, wie Christus selbst sagte, der menschlichen Herzen.</p>
        <p>Kehren wir auf die Antike und das Romantische wieder zurück, so lagen nicht nur den alten Bestrebungen, das Daseyn zu verschönern, sondern dem Daseyn selbst ganz andere Prinzipien zum Grunde, als solche, die wir für moderne anerkennen würden. Alle drei Zeitepochen stehen in starker Beziehung zur Gesammtheit, allein jede in ihrer Art. Die Alten lebten dem Staate ohne die Familie, die Mittleren der Familie und durch sie erst dem Staate, die Neuern würden beide Prinzipien gern verschmelzen und doch immer darnach suchen, für sich ungeschoren zu bleiben und eine kleine originelle, ganz und gar nur ihnen gehörende Particularexistenz ansprechen zu dürfen. Die antike Philosophie erklärte den Ursprung
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0187] über die Religion, klarer als Nordamerika, dem es zwar an Licht nicht gebricht, aber an Wärme. Diese Wärme des Gemüths, die Europa nie verlassen wird, dieser große Fond von Thatsachen, der an uns, selbst wenn wir, vollkommen emanzipirt, nur der Sonne noch als der Herrscherin des Jahrhunderts gegenüber stehen würden, doch immer noch festkleben würde, das ist der Mörtel, der vielleicht auch der Baukunst dann einen sinnigen und originellen Charakter geben wird. Wenigstens scheint es mir nicht allzuschwierig zu seyn, einen Tempel zu erfinden, der den Deismus und den Geschmack zu gleicher Zeit befriedigte, es sey denn, daß die Religion, die in Zukunft herrschen wird, keiner andern Tempel mehr bedürfen sollte, als, wie Christus selbst sagte, der menschlichen Herzen. Kehren wir auf die Antike und das Romantische wieder zurück, so lagen nicht nur den alten Bestrebungen, das Daseyn zu verschönern, sondern dem Daseyn selbst ganz andere Prinzipien zum Grunde, als solche, die wir für moderne anerkennen würden. Alle drei Zeitepochen stehen in starker Beziehung zur Gesammtheit, allein jede in ihrer Art. Die Alten lebten dem Staate ohne die Familie, die Mittleren der Familie und durch sie erst dem Staate, die Neuern würden beide Prinzipien gern verschmelzen und doch immer darnach suchen, für sich ungeschoren zu bleiben und eine kleine originelle, ganz und gar nur ihnen gehörende Particularexistenz ansprechen zu dürfen. Die antike Philosophie erklärte den Ursprung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/187
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/187>, abgerufen am 24.11.2024.