Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.sich nur Grauenwunder vorstellen konnten, waren die Phönizier. Diese schifften über die Säulen des Hercules, d. h. über die Grenzen des natürlichen Menschenverstandes (auch eines Schlangen- und Ungeziefertödters) hinaus, entdeckten ein Land nach dem andern, die Zinninseln, die Bernsteinufer, und mögen vielleicht England für den Stein der Weisen gehalten haben, welches jedoch sich ihnen bald als ein großer Jrrthum würde bewährt haben müssen, da man Englands Felsenküste wohl zu allen Zeiten eher für den Stein der Thoren halten sollte. Wie man in der spätern Entwickelung der alten Geschichte den Erdkreis hyperbolisch das zu nennen anfing, was an Ländern Rom gehörte, verlor sich die kindliche naive Anschauung der damaligen Geographie. Nicht in Ausdehnung mehr, sondern in Mittelpunkten suchte man den Stein der Weisen. Auch das Alterthum hatte seine Mystik. Es wandte sich ab von dem todten Marmor, und wenn ihn die Kunst noch so täuschend dem Leben nachgeformt hatte, es verlor den Sinn für den blauen wolkenlosen Himmel, unter welchem Homer seine Gesänge für die Ewigkeit improvisirte, und wandte sich der Nacht und den Sternen zu, flüchtete mit unbefriedigtem Gemüth in dunkle Grotten und lauschte auf Uroffenbarungen, auf die Umkehr natürlicher Ordnungen, auf die Sprache des Steines, auf das Klingen der Memnonssäule, auf prophetische Zauberwirkungen in den gebundenen unfreien Naturmassen. Die Eleusinischen Geheimnisse suchten den Stein der sich nur Grauenwunder vorstellen konnten, waren die Phönizier. Diese schifften über die Säulen des Hercules, d. h. über die Grenzen des natürlichen Menschenverstandes (auch eines Schlangen- und Ungeziefertödters) hinaus, entdeckten ein Land nach dem andern, die Zinninseln, die Bernsteinufer, und mögen vielleicht England für den Stein der Weisen gehalten haben, welches jedoch sich ihnen bald als ein großer Jrrthum würde bewährt haben müssen, da man Englands Felsenküste wohl zu allen Zeiten eher für den Stein der Thoren halten sollte. Wie man in der spätern Entwickelung der alten Geschichte den Erdkreis hyperbolisch das zu nennen anfing, was an Ländern Rom gehörte, verlor sich die kindliche naive Anschauung der damaligen Geographie. Nicht in Ausdehnung mehr, sondern in Mittelpunkten suchte man den Stein der Weisen. Auch das Alterthum hatte seine Mystik. Es wandte sich ab von dem todten Marmor, und wenn ihn die Kunst noch so täuschend dem Leben nachgeformt hatte, es verlor den Sinn für den blauen wolkenlosen Himmel, unter welchem Homer seine Gesänge für die Ewigkeit improvisirte, und wandte sich der Nacht und den Sternen zu, flüchtete mit unbefriedigtem Gemüth in dunkle Grotten und lauschte auf Uroffenbarungen, auf die Umkehr natürlicher Ordnungen, auf die Sprache des Steines, auf das Klingen der Memnonssäule, auf prophetische Zauberwirkungen in den gebundenen unfreien Naturmassen. Die Eleusinischen Geheimnisse suchten den Stein der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0259" n="231"/> sich nur Grauenwunder vorstellen konnten, waren die Phönizier. Diese schifften über die Säulen des Hercules, d. h. über die Grenzen des natürlichen Menschenverstandes (<hi rendition="#g">auch</hi> eines Schlangen- und Ungeziefertödters) hinaus, entdeckten ein Land nach dem andern, die Zinninseln, die Bernsteinufer, und mögen vielleicht England für den Stein der Weisen gehalten haben, welches jedoch sich ihnen bald als ein großer Jrrthum würde bewährt haben müssen, da man Englands Felsenküste wohl zu allen Zeiten eher für den Stein der Thoren halten sollte.</p> <p>Wie man in der spätern Entwickelung der alten Geschichte den Erdkreis hyperbolisch das zu nennen anfing, was an Ländern Rom gehörte, verlor sich die kindliche naive Anschauung der damaligen Geographie. Nicht in Ausdehnung mehr, sondern in Mittelpunkten suchte man den Stein der Weisen. Auch das Alterthum hatte seine Mystik. Es wandte sich ab von dem todten Marmor, und wenn ihn die Kunst noch so täuschend dem Leben nachgeformt hatte, es verlor den Sinn für den blauen wolkenlosen Himmel, unter welchem Homer seine Gesänge für die Ewigkeit improvisirte, und wandte sich der Nacht und den Sternen zu, flüchtete mit unbefriedigtem Gemüth in dunkle Grotten und lauschte auf Uroffenbarungen, auf die Umkehr natürlicher Ordnungen, auf die Sprache des Steines, auf das Klingen der Memnonssäule, auf prophetische Zauberwirkungen in den gebundenen unfreien Naturmassen. Die Eleusinischen Geheimnisse suchten den Stein der </p> </div> </body> </text> </TEI> [231/0259]
sich nur Grauenwunder vorstellen konnten, waren die Phönizier. Diese schifften über die Säulen des Hercules, d. h. über die Grenzen des natürlichen Menschenverstandes (auch eines Schlangen- und Ungeziefertödters) hinaus, entdeckten ein Land nach dem andern, die Zinninseln, die Bernsteinufer, und mögen vielleicht England für den Stein der Weisen gehalten haben, welches jedoch sich ihnen bald als ein großer Jrrthum würde bewährt haben müssen, da man Englands Felsenküste wohl zu allen Zeiten eher für den Stein der Thoren halten sollte.
Wie man in der spätern Entwickelung der alten Geschichte den Erdkreis hyperbolisch das zu nennen anfing, was an Ländern Rom gehörte, verlor sich die kindliche naive Anschauung der damaligen Geographie. Nicht in Ausdehnung mehr, sondern in Mittelpunkten suchte man den Stein der Weisen. Auch das Alterthum hatte seine Mystik. Es wandte sich ab von dem todten Marmor, und wenn ihn die Kunst noch so täuschend dem Leben nachgeformt hatte, es verlor den Sinn für den blauen wolkenlosen Himmel, unter welchem Homer seine Gesänge für die Ewigkeit improvisirte, und wandte sich der Nacht und den Sternen zu, flüchtete mit unbefriedigtem Gemüth in dunkle Grotten und lauschte auf Uroffenbarungen, auf die Umkehr natürlicher Ordnungen, auf die Sprache des Steines, auf das Klingen der Memnonssäule, auf prophetische Zauberwirkungen in den gebundenen unfreien Naturmassen. Die Eleusinischen Geheimnisse suchten den Stein der
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