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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Sonntags über Land gehen. Sträubt euch nicht, ihr romantischen Herzen! England hat der Eisenbahnen bereits so viele, daß Handel und Jndustrie dadurch in den blühendsten Aufschwung versetzt sind, und dennoch werdet ihr Gentlemen und Ladies sehen in Jtalien und der Schweiz, welche des Morgens um 2 Uhr aufstehen und mit erfrorener Nase unter dem Schutz einer Laterne die Berge besteigen, um die Sonne aufgehen zu sehen. Blickt nur umher auf dem Continente! Die Engländer sind vom Dampfe so überwältigt, daß er ihre Städte und Wohnungen mit dichten Wolken bedeckt, und doch werdet ihr selten einen Palast in Jtalien, einen Thurm in Deutschland, eine Kuh in der Schweiz finden, wo sich nicht in einiger Entfernung eine englische Dame mit ihrem Crayon hingepflanzt hat, um den poetischen Moment in ihrem Album zu verewigen. Wer weiß es zuletzt, ob der Zucker, der in unserm Thee schmilzt, von indischem Rohre oder von der Runkelrübe kam? So lange die moderne Aufklärung uns noch nicht Nachtigallen gebraten auf den Tisch setzt, wollen wir ihre Fortschritte nicht verdächtigen, wenn ich auch aufrichtig gestehe, daß es mir in manchen Gegenden schon unmöglich wird, durch das Feld zu streichen und mich des Gesangs der Lerche zu erfreuen, des unausstehlichen Gestankes wegen, welchen die Natur seit der leidenschaftlichen Verbreitung des landwirthschaftlichen Dungprinzipes ausathmet.

Nein, nicht Alles kann Maschine werden! Aus

Sonntags über Land gehen. Sträubt euch nicht, ihr romantischen Herzen! England hat der Eisenbahnen bereits so viele, daß Handel und Jndustrie dadurch in den blühendsten Aufschwung versetzt sind, und dennoch werdet ihr Gentlemen und Ladies sehen in Jtalien und der Schweiz, welche des Morgens um 2 Uhr aufstehen und mit erfrorener Nase unter dem Schutz einer Laterne die Berge besteigen, um die Sonne aufgehen zu sehen. Blickt nur umher auf dem Continente! Die Engländer sind vom Dampfe so überwältigt, daß er ihre Städte und Wohnungen mit dichten Wolken bedeckt, und doch werdet ihr selten einen Palast in Jtalien, einen Thurm in Deutschland, eine Kuh in der Schweiz finden, wo sich nicht in einiger Entfernung eine englische Dame mit ihrem Crayon hingepflanzt hat, um den poetischen Moment in ihrem Album zu verewigen. Wer weiß es zuletzt, ob der Zucker, der in unserm Thee schmilzt, von indischem Rohre oder von der Runkelrübe kam? So lange die moderne Aufklärung uns noch nicht Nachtigallen gebraten auf den Tisch setzt, wollen wir ihre Fortschritte nicht verdächtigen, wenn ich auch aufrichtig gestehe, daß es mir in manchen Gegenden schon unmöglich wird, durch das Feld zu streichen und mich des Gesangs der Lerche zu erfreuen, des unausstehlichen Gestankes wegen, welchen die Natur seit der leidenschaftlichen Verbreitung des landwirthschaftlichen Dungprinzipes ausathmet.

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Sonntags über Land gehen. Sträubt euch nicht, ihr romantischen Herzen! England hat der Eisenbahnen bereits so viele, daß Handel und Jndustrie dadurch in den blühendsten Aufschwung versetzt sind, und dennoch werdet ihr Gentlemen und Ladies sehen in Jtalien und der Schweiz, welche des Morgens um 2 Uhr aufstehen und mit erfrorener Nase unter dem Schutz einer Laterne die Berge besteigen, um die Sonne aufgehen zu sehen. Blickt nur umher auf dem Continente! Die Engländer sind vom Dampfe so überwältigt, daß er ihre Städte und Wohnungen mit dichten Wolken bedeckt, und doch werdet ihr selten einen Palast in Jtalien, einen Thurm in Deutschland, eine Kuh in der Schweiz finden, wo sich nicht in einiger Entfernung eine englische Dame mit ihrem Crayon hingepflanzt hat, um den poetischen Moment in ihrem Album zu verewigen. Wer weiß es zuletzt, ob der Zucker, der in unserm Thee schmilzt, von indischem Rohre oder von der Runkelrübe kam? So lange die moderne Aufklärung uns noch nicht Nachtigallen gebraten auf den Tisch setzt, wollen wir ihre Fortschritte nicht verdächtigen, wenn ich auch aufrichtig gestehe, daß es mir in manchen Gegenden schon unmöglich wird, durch das Feld zu streichen und mich des Gesangs der Lerche zu erfreuen, des unausstehlichen Gestankes wegen, welchen die Natur seit der leidenschaftlichen Verbreitung des landwirthschaftlichen Dungprinzipes ausathmet.</p>
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[266/0294] Sonntags über Land gehen. Sträubt euch nicht, ihr romantischen Herzen! England hat der Eisenbahnen bereits so viele, daß Handel und Jndustrie dadurch in den blühendsten Aufschwung versetzt sind, und dennoch werdet ihr Gentlemen und Ladies sehen in Jtalien und der Schweiz, welche des Morgens um 2 Uhr aufstehen und mit erfrorener Nase unter dem Schutz einer Laterne die Berge besteigen, um die Sonne aufgehen zu sehen. Blickt nur umher auf dem Continente! Die Engländer sind vom Dampfe so überwältigt, daß er ihre Städte und Wohnungen mit dichten Wolken bedeckt, und doch werdet ihr selten einen Palast in Jtalien, einen Thurm in Deutschland, eine Kuh in der Schweiz finden, wo sich nicht in einiger Entfernung eine englische Dame mit ihrem Crayon hingepflanzt hat, um den poetischen Moment in ihrem Album zu verewigen. Wer weiß es zuletzt, ob der Zucker, der in unserm Thee schmilzt, von indischem Rohre oder von der Runkelrübe kam? So lange die moderne Aufklärung uns noch nicht Nachtigallen gebraten auf den Tisch setzt, wollen wir ihre Fortschritte nicht verdächtigen, wenn ich auch aufrichtig gestehe, daß es mir in manchen Gegenden schon unmöglich wird, durch das Feld zu streichen und mich des Gesangs der Lerche zu erfreuen, des unausstehlichen Gestankes wegen, welchen die Natur seit der leidenschaftlichen Verbreitung des landwirthschaftlichen Dungprinzipes ausathmet. Nein, nicht Alles kann Maschine werden! Aus

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/294>, abgerufen am 29.05.2024.