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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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die Stelle der dem souverainen Gemeindewesen gegebenen Rathschläge eine Personification zu unterschieben. So enthält Virgils Aeneide einen für Fürsten leicht anwendbaren Spruch: Mag der ein Erzgießer, der ein Bildhauer seyn, der ein Advokat, der ein Astronom: Du, o Römer, sey nur zu herrschen eifrig beflissen! Die Alten hielten nämlich Regierungskunst für ein besonderes Studium, und ihre Weisen stritten gegen den dem natürlichen Menschen innewohnenden Glauben, als sey Herrschen etwas Angeborenes. Auch glaubten sie, daß einem Könige nicht zieme, zu wetteifern mit Frauen, als ob er nämlich schön seyn solle, mit Advokaten, daß er gut zu reden nöthig hätte. Als Philipp von seinem Sohne Alexander hörte, daß er bei einem Festmahle trotz der besten Musiker gesungen hätte, machte er ihm Vorwürfe und sagte: Pfui der Schande, so gut zu singen!

Wir wollen die moralischen Vorschriften, welche man Fürsten gegeben hat, hier nicht wiederholen. Sie sind langweilig, weil wir sehen, daß Priester, Beichtväter und Erzieher die Thatsachen selten gekannt haben, auf welche ihre Lehren angewendet werden sollten. Kann der Unterricht z. B., der in den Abenteuern des Telemach versteckt liegt, für ein anderes Prinzenalter passen, als das zarteste! Die wahre Königsweisheit liegt tiefer als auf der Oberfläche der moralisirenden Rhetorik. Macchiavell hat die praktische Tendenz dieser Weisheit übertrieben, aber der unumstößliche Satz seines Fürsten bleibt doch der: Ein Fürst, der nur Herzensgüte besitzt, kann einen

die Stelle der dem souverainen Gemeindewesen gegebenen Rathschläge eine Personification zu unterschieben. So enthält Virgils Aeneide einen für Fürsten leicht anwendbaren Spruch: Mag der ein Erzgießer, der ein Bildhauer seyn, der ein Advokat, der ein Astronom: Du, o Römer, sey nur zu herrschen eifrig beflissen! Die Alten hielten nämlich Regierungskunst für ein besonderes Studium, und ihre Weisen stritten gegen den dem natürlichen Menschen innewohnenden Glauben, als sey Herrschen etwas Angeborenes. Auch glaubten sie, daß einem Könige nicht zieme, zu wetteifern mit Frauen, als ob er nämlich schön seyn solle, mit Advokaten, daß er gut zu reden nöthig hätte. Als Philipp von seinem Sohne Alexander hörte, daß er bei einem Festmahle trotz der besten Musiker gesungen hätte, machte er ihm Vorwürfe und sagte: Pfui der Schande, so gut zu singen!

Wir wollen die moralischen Vorschriften, welche man Fürsten gegeben hat, hier nicht wiederholen. Sie sind langweilig, weil wir sehen, daß Priester, Beichtväter und Erzieher die Thatsachen selten gekannt haben, auf welche ihre Lehren angewendet werden sollten. Kann der Unterricht z. B., der in den Abenteuern des Telemach versteckt liegt, für ein anderes Prinzenalter passen, als das zarteste! Die wahre Königsweisheit liegt tiefer als auf der Oberfläche der moralisirenden Rhetorik. Macchiavell hat die praktische Tendenz dieser Weisheit übertrieben, aber der unumstößliche Satz seines Fürsten bleibt doch der: Ein Fürst, der nur Herzensgüte besitzt, kann einen

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[311/0339] die Stelle der dem souverainen Gemeindewesen gegebenen Rathschläge eine Personification zu unterschieben. So enthält Virgils Aeneide einen für Fürsten leicht anwendbaren Spruch: Mag der ein Erzgießer, der ein Bildhauer seyn, der ein Advokat, der ein Astronom: Du, o Römer, sey nur zu herrschen eifrig beflissen! Die Alten hielten nämlich Regierungskunst für ein besonderes Studium, und ihre Weisen stritten gegen den dem natürlichen Menschen innewohnenden Glauben, als sey Herrschen etwas Angeborenes. Auch glaubten sie, daß einem Könige nicht zieme, zu wetteifern mit Frauen, als ob er nämlich schön seyn solle, mit Advokaten, daß er gut zu reden nöthig hätte. Als Philipp von seinem Sohne Alexander hörte, daß er bei einem Festmahle trotz der besten Musiker gesungen hätte, machte er ihm Vorwürfe und sagte: Pfui der Schande, so gut zu singen! Wir wollen die moralischen Vorschriften, welche man Fürsten gegeben hat, hier nicht wiederholen. Sie sind langweilig, weil wir sehen, daß Priester, Beichtväter und Erzieher die Thatsachen selten gekannt haben, auf welche ihre Lehren angewendet werden sollten. Kann der Unterricht z. B., der in den Abenteuern des Telemach versteckt liegt, für ein anderes Prinzenalter passen, als das zarteste! Die wahre Königsweisheit liegt tiefer als auf der Oberfläche der moralisirenden Rhetorik. Macchiavell hat die praktische Tendenz dieser Weisheit übertrieben, aber der unumstößliche Satz seines Fürsten bleibt doch der: Ein Fürst, der nur Herzensgüte besitzt, kann einen

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/339>, abgerufen am 24.11.2024.