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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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von den französischen Ministern auf der Tribüne selbst lächerlich gemacht wird und die Engländer noch immer so zum besten hat, daß diese nicht einmal wagen, offen die Wahrheit zu sagen und sich einer Verpflichtung zu entledigen, wo die Schmach einzig und allein nur auf ihrer Seite ist.

Weit zusammengesetzter ist die Diplomatie Rußlands. Rußland und überhaupt die nordischen Staaten wollen eben sowohl die Jntegrität ihrer isolirten Jnteressen erhalten, als auch jene Grundsätze, über welche ihre eigenen Staatsgebäude aufgeführt sind. Wenn wir oben sagten, daß die Diplomatie nach unten hin sich mit der Polizei verbindet, so ist es hauptsächlich Rußland und sein Anhang, wo die Gesandten nicht blos gegen die Regierung des Landes, wo sie beglaubigt sind, sondern auch gegen die Stimmung des Volkes eine beobachtende Stellung einnehmen müssen. Die Jnstruktion eines russischen Gesandten in Paris muß außerordentlich verwickelt seyn. Er soll nicht nur jenes Gleichgewicht der allgemeinen europäischen Politik im Auge haben, soll nicht nur den Frieden als erwünscht und den Krieg als keinesweges gefürchtet darstellen, nicht nur über den innern Parteigeist und die Fortschritte der Demokratie seine schwarzen Register führen, sondern soll auch Rußlands moralische Stellung, den Grad seiner Kultur, die sittliche Bildung der Moskowiter, die Aufklärungsbestrebungen der Regierung gegen die Entstellung der polnischen Flüchtlinge und das Gerücht überhaupt, welches Rußland

von den französischen Ministern auf der Tribüne selbst lächerlich gemacht wird und die Engländer noch immer so zum besten hat, daß diese nicht einmal wagen, offen die Wahrheit zu sagen und sich einer Verpflichtung zu entledigen, wo die Schmach einzig und allein nur auf ihrer Seite ist.

Weit zusammengesetzter ist die Diplomatie Rußlands. Rußland und überhaupt die nordischen Staaten wollen eben sowohl die Jntegrität ihrer isolirten Jnteressen erhalten, als auch jene Grundsätze, über welche ihre eigenen Staatsgebäude aufgeführt sind. Wenn wir oben sagten, daß die Diplomatie nach unten hin sich mit der Polizei verbindet, so ist es hauptsächlich Rußland und sein Anhang, wo die Gesandten nicht blos gegen die Regierung des Landes, wo sie beglaubigt sind, sondern auch gegen die Stimmung des Volkes eine beobachtende Stellung einnehmen müssen. Die Jnstruktion eines russischen Gesandten in Paris muß außerordentlich verwickelt seyn. Er soll nicht nur jenes Gleichgewicht der allgemeinen europäischen Politik im Auge haben, soll nicht nur den Frieden als erwünscht und den Krieg als keinesweges gefürchtet darstellen, nicht nur über den innern Parteigeist und die Fortschritte der Demokratie seine schwarzen Register führen, sondern soll auch Rußlands moralische Stellung, den Grad seiner Kultur, die sittliche Bildung der Moskowiter, die Aufklärungsbestrebungen der Regierung gegen die Entstellung der polnischen Flüchtlinge und das Gerücht überhaupt, welches Rußland

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[327/0355] von den französischen Ministern auf der Tribüne selbst lächerlich gemacht wird und die Engländer noch immer so zum besten hat, daß diese nicht einmal wagen, offen die Wahrheit zu sagen und sich einer Verpflichtung zu entledigen, wo die Schmach einzig und allein nur auf ihrer Seite ist. Weit zusammengesetzter ist die Diplomatie Rußlands. Rußland und überhaupt die nordischen Staaten wollen eben sowohl die Jntegrität ihrer isolirten Jnteressen erhalten, als auch jene Grundsätze, über welche ihre eigenen Staatsgebäude aufgeführt sind. Wenn wir oben sagten, daß die Diplomatie nach unten hin sich mit der Polizei verbindet, so ist es hauptsächlich Rußland und sein Anhang, wo die Gesandten nicht blos gegen die Regierung des Landes, wo sie beglaubigt sind, sondern auch gegen die Stimmung des Volkes eine beobachtende Stellung einnehmen müssen. Die Jnstruktion eines russischen Gesandten in Paris muß außerordentlich verwickelt seyn. Er soll nicht nur jenes Gleichgewicht der allgemeinen europäischen Politik im Auge haben, soll nicht nur den Frieden als erwünscht und den Krieg als keinesweges gefürchtet darstellen, nicht nur über den innern Parteigeist und die Fortschritte der Demokratie seine schwarzen Register führen, sondern soll auch Rußlands moralische Stellung, den Grad seiner Kultur, die sittliche Bildung der Moskowiter, die Aufklärungsbestrebungen der Regierung gegen die Entstellung der polnischen Flüchtlinge und das Gerücht überhaupt, welches Rußland

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/355>, abgerufen am 22.11.2024.