Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Jdealismus mit der Gesundheit, die Phantasie mit einem unverstopften Magen, die Schwärmerei mit einem warmen Umschlagetuch, das vor Erkältung schützt. Wir combiniren die erste und zweite Hälfte des 18ten Jahrhunderts, den Comfort mit dem Spiritualismus; wir sind nicht ganz so bequem, daß wir nicht über die Nachtigall, die am Weg im Gebüsche singt, fünf Minuten still ständen, um sie zu belauschen; aber auch nicht ganz so idealisch, daß wir nicht schnell nach Hause gingen, wenn wir merken, daß wir von der feuchten Abendluft den Schnupfen bekommen werden. Unsre wunderbare Jndustrie, unsere Eisenbahnen und Dampfmaschinen sind aus diesem Triebe entstanden, das Mährchenhafte mit dem Handgreiflichen zu verbinden. Sollt' ich einem Künstler die Vorstellung unseres Jahrhunderts in einem Bild anrathen, so würd' ich ihm sagen: Malen Sie, mein junger Mann, die Schneekuppel der schweizerischen Jungfrau, rosig angeglüht von der aus der Tiefe aufgehenden Sonne, und oben auf der Spitze, recht in der Mitte des Glorienscheines (wie man von Napoleon dergleichen Apotheosen hat), einen dünnen, zerbrechlichen Gentleman im bis an den Hals zugeknöpften Frack, zitternd vor Frost in Nankinbeinkleidern! Unser Jahrhundert ist dieser Contrast zwischen Poesie und Prosa. Meinem Normalmenschen, der bereits laufen kann, wird viel Freiheit gelassen, und wenn sie gestört wird, so geschieht dieß nicht durch System, sondern durch Jdealismus mit der Gesundheit, die Phantasie mit einem unverstopften Magen, die Schwärmerei mit einem warmen Umschlagetuch, das vor Erkältung schützt. Wir combiniren die erste und zweite Hälfte des 18ten Jahrhunderts, den Comfort mit dem Spiritualismus; wir sind nicht ganz so bequem, daß wir nicht über die Nachtigall, die am Weg im Gebüsche singt, fünf Minuten still ständen, um sie zu belauschen; aber auch nicht ganz so idealisch, daß wir nicht schnell nach Hause gingen, wenn wir merken, daß wir von der feuchten Abendluft den Schnupfen bekommen werden. Unsre wunderbare Jndustrie, unsere Eisenbahnen und Dampfmaschinen sind aus diesem Triebe entstanden, das Mährchenhafte mit dem Handgreiflichen zu verbinden. Sollt’ ich einem Künstler die Vorstellung unseres Jahrhunderts in einem Bild anrathen, so würd’ ich ihm sagen: Malen Sie, mein junger Mann, die Schneekuppel der schweizerischen Jungfrau, rosig angeglüht von der aus der Tiefe aufgehenden Sonne, und oben auf der Spitze, recht in der Mitte des Glorienscheines (wie man von Napoleon dergleichen Apotheosen hat), einen dünnen, zerbrechlichen Gentleman im bis an den Hals zugeknöpften Frack, zitternd vor Frost in Nankinbeinkleidern! Unser Jahrhundert ist dieser Contrast zwischen Poesie und Prosa. Meinem Normalmenschen, der bereits laufen kann, wird viel Freiheit gelassen, und wenn sie gestört wird, so geschieht dieß nicht durch System, sondern durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040" n="12"/> Jdealismus mit der Gesundheit, die Phantasie mit einem unverstopften Magen, die Schwärmerei mit einem warmen Umschlagetuch, das vor Erkältung schützt. Wir combiniren die erste und zweite Hälfte des 18ten Jahrhunderts, den Comfort mit dem Spiritualismus; wir sind nicht ganz so bequem, daß wir nicht über die Nachtigall, die am Weg im Gebüsche singt, fünf Minuten still ständen, um sie zu belauschen; aber auch nicht ganz so idealisch, daß wir nicht schnell nach Hause gingen, wenn wir merken, daß wir von der feuchten Abendluft den Schnupfen bekommen werden. Unsre wunderbare Jndustrie, unsere Eisenbahnen und Dampfmaschinen sind aus diesem Triebe entstanden, das Mährchenhafte mit dem Handgreiflichen zu verbinden. Sollt’ ich einem Künstler die Vorstellung unseres Jahrhunderts in einem Bild anrathen, so würd’ ich ihm sagen: Malen Sie, mein junger Mann, die Schneekuppel der schweizerischen Jungfrau, rosig angeglüht von der aus der Tiefe aufgehenden Sonne, und oben auf der Spitze, recht in der Mitte des Glorienscheines (wie man von Napoleon dergleichen Apotheosen hat), einen dünnen, zerbrechlichen Gentleman im bis an den Hals zugeknöpften Frack, zitternd vor Frost in Nankinbeinkleidern! Unser Jahrhundert ist dieser Contrast zwischen Poesie und Prosa.</p> <p>Meinem Normalmenschen, der bereits laufen kann, wird viel Freiheit gelassen, und wenn sie gestört wird, so geschieht dieß nicht durch System, sondern durch </p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0040]
Jdealismus mit der Gesundheit, die Phantasie mit einem unverstopften Magen, die Schwärmerei mit einem warmen Umschlagetuch, das vor Erkältung schützt. Wir combiniren die erste und zweite Hälfte des 18ten Jahrhunderts, den Comfort mit dem Spiritualismus; wir sind nicht ganz so bequem, daß wir nicht über die Nachtigall, die am Weg im Gebüsche singt, fünf Minuten still ständen, um sie zu belauschen; aber auch nicht ganz so idealisch, daß wir nicht schnell nach Hause gingen, wenn wir merken, daß wir von der feuchten Abendluft den Schnupfen bekommen werden. Unsre wunderbare Jndustrie, unsere Eisenbahnen und Dampfmaschinen sind aus diesem Triebe entstanden, das Mährchenhafte mit dem Handgreiflichen zu verbinden. Sollt’ ich einem Künstler die Vorstellung unseres Jahrhunderts in einem Bild anrathen, so würd’ ich ihm sagen: Malen Sie, mein junger Mann, die Schneekuppel der schweizerischen Jungfrau, rosig angeglüht von der aus der Tiefe aufgehenden Sonne, und oben auf der Spitze, recht in der Mitte des Glorienscheines (wie man von Napoleon dergleichen Apotheosen hat), einen dünnen, zerbrechlichen Gentleman im bis an den Hals zugeknöpften Frack, zitternd vor Frost in Nankinbeinkleidern! Unser Jahrhundert ist dieser Contrast zwischen Poesie und Prosa.
Meinem Normalmenschen, der bereits laufen kann, wird viel Freiheit gelassen, und wenn sie gestört wird, so geschieht dieß nicht durch System, sondern durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |