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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Kaufmanns- oder Gelehrtenstande kommen möchte. Endlich ist es aber nicht selten die Sinnlichkeit, die sich in Lehrerinnen, namentlich von reiferem Alter (ich meine die auslaufenden zwanziger Jahre) offenbart. Es ist dieß eine sehr schwierige Partie; dennoch will ich mit kurzen Worten eine Charakteristik versuchen.

Miß Livia mag eine solche Dame heißen, der leichten Parallele zu Miß Sylvia wegen. Nennen darf ich sie doch nicht; denn sie würde mir einen Prozeß an den Hals hängen. Niemals hab' ich ein Mädchen gesehen, das kerlhaftere Gesinnungen hegte, als Miß Livia. Jch geb' ihr einen aus der Geschichte zur Genüge bekannten Namen, weil ich nicht zweifle, daß sie Gift mischen würde, wenn sie Gelegenheit dazu, und nicht zu große Furcht vor der Strafe hätte. Gerechter Himmel! die Beschuldigung ist stark, aber sie ist verdient. Miß Livia empört meine Kritik ihres Charakters, empört mein Jnneres um so mehr, als sie Erzieherin ist. Gott sey Dank! nein, sie ist nur Lehrerin. Sie gibt nur Unterricht in weiblichen Schulen. Sie kommt nur wöchentlich in 8 bis 10 Stunden mit ihren Zöglingen zusammen; wenn es auch ein recht großes Unglück ist, daß sie an drei Anstalten zu gleicher Zeit Lektionen gibt. Jhr Vater ist Musikus, er ist ein halber Schauspieler, wenigstens spielt er im Orchester des Theaters. Jhre Mutter spielt auch ihr eignes Jnstrument, nämlich den Ehrgeiz und die Koketterie, letztere, wenn nicht mehr mit sich selbst, mit ihren Töchtern. Sie hat deren mehr und alle sind Lehrerinnen

Kaufmanns- oder Gelehrtenstande kommen möchte. Endlich ist es aber nicht selten die Sinnlichkeit, die sich in Lehrerinnen, namentlich von reiferem Alter (ich meine die auslaufenden zwanziger Jahre) offenbart. Es ist dieß eine sehr schwierige Partie; dennoch will ich mit kurzen Worten eine Charakteristik versuchen.

Miß Livia mag eine solche Dame heißen, der leichten Parallele zu Miß Sylvia wegen. Nennen darf ich sie doch nicht; denn sie würde mir einen Prozeß an den Hals hängen. Niemals hab’ ich ein Mädchen gesehen, das kerlhaftere Gesinnungen hegte, als Miß Livia. Jch geb’ ihr einen aus der Geschichte zur Genüge bekannten Namen, weil ich nicht zweifle, daß sie Gift mischen würde, wenn sie Gelegenheit dazu, und nicht zu große Furcht vor der Strafe hätte. Gerechter Himmel! die Beschuldigung ist stark, aber sie ist verdient. Miß Livia empört meine Kritik ihres Charakters, empört mein Jnneres um so mehr, als sie Erzieherin ist. Gott sey Dank! nein, sie ist nur Lehrerin. Sie gibt nur Unterricht in weiblichen Schulen. Sie kommt nur wöchentlich in 8 bis 10 Stunden mit ihren Zöglingen zusammen; wenn es auch ein recht großes Unglück ist, daß sie an drei Anstalten zu gleicher Zeit Lektionen gibt. Jhr Vater ist Musikus, er ist ein halber Schauspieler, wenigstens spielt er im Orchester des Theaters. Jhre Mutter spielt auch ihr eignes Jnstrument, nämlich den Ehrgeiz und die Koketterie, letztere, wenn nicht mehr mit sich selbst, mit ihren Töchtern. Sie hat deren mehr und alle sind Lehrerinnen

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[372/0400] Kaufmanns- oder Gelehrtenstande kommen möchte. Endlich ist es aber nicht selten die Sinnlichkeit, die sich in Lehrerinnen, namentlich von reiferem Alter (ich meine die auslaufenden zwanziger Jahre) offenbart. Es ist dieß eine sehr schwierige Partie; dennoch will ich mit kurzen Worten eine Charakteristik versuchen. Miß Livia mag eine solche Dame heißen, der leichten Parallele zu Miß Sylvia wegen. Nennen darf ich sie doch nicht; denn sie würde mir einen Prozeß an den Hals hängen. Niemals hab’ ich ein Mädchen gesehen, das kerlhaftere Gesinnungen hegte, als Miß Livia. Jch geb’ ihr einen aus der Geschichte zur Genüge bekannten Namen, weil ich nicht zweifle, daß sie Gift mischen würde, wenn sie Gelegenheit dazu, und nicht zu große Furcht vor der Strafe hätte. Gerechter Himmel! die Beschuldigung ist stark, aber sie ist verdient. Miß Livia empört meine Kritik ihres Charakters, empört mein Jnneres um so mehr, als sie Erzieherin ist. Gott sey Dank! nein, sie ist nur Lehrerin. Sie gibt nur Unterricht in weiblichen Schulen. Sie kommt nur wöchentlich in 8 bis 10 Stunden mit ihren Zöglingen zusammen; wenn es auch ein recht großes Unglück ist, daß sie an drei Anstalten zu gleicher Zeit Lektionen gibt. Jhr Vater ist Musikus, er ist ein halber Schauspieler, wenigstens spielt er im Orchester des Theaters. Jhre Mutter spielt auch ihr eignes Jnstrument, nämlich den Ehrgeiz und die Koketterie, letztere, wenn nicht mehr mit sich selbst, mit ihren Töchtern. Sie hat deren mehr und alle sind Lehrerinnen

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/400>, abgerufen am 22.11.2024.