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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Frauen, denn mit wem hätte sie nicht ein Verhältniß gehabt? mit wem wäre sie nicht des Abends schon im Mondschein spazieren gehend erblickt worden? Und immer mit denjenigen, welche vierzehn Tage nach dem belauschten Rendezvous die heftigsten Gegner der Dame sind und behaupten, sie in allen ihren Eigenschaften erkannt zu haben. Die Liebhaber werden bald inne, daß sie weit mehr von ihrer geistigen Unruhe als von der Liebe zu ihnen verzehrt wird. Sie sollen ihr dazu dienen, sie in Schutz zu nehmen, in ihnen Bundsgenossen zu haben; sie liebt jetzt nur noch deßhalb, um ihre Partei zu verstärken. So ist selbst die sinnliche Neigung schon von der Fieberhitze ihres intriguanten Herzens aufgezehrt. Unter allen diesen Verhältnissen hört Miß Livia jedoch nicht auf, ihre so ernste Rolle als Lehrerin durchzuführen. Sie findet immer wieder faules Holz genug, mit welchem sie sich in der unheimlichen Nacht ihres Rufes glorienartig umzaubern kann. Sie weiß Pfarrer und Schulpatrone in ihr Jnteresse zu verflechten und hat manche Schulvorsteherin schon gezwungen, sie in ihrer Stellung an der Anstalt zu lassen, während jene aus ihrer Machtvollkommenheit ihr schon ein dutzendmal kündigte. Jetzt hab' ich lange nichts mehr von ihr vernommen, weil ich selbst altre und mit jenem jungen Nachwuchs der Gesellschaften nicht mehr so eng verbunden bin, daß ich mich in die kleinen Angelegenheiten ihrer Schulzeit mischen dürfte. Jch bin aber überzeugt, daß Miß Livia noch immer ihr Wesen treibt, bis sie vielleicht irgend

Frauen, denn mit wem hätte sie nicht ein Verhältniß gehabt? mit wem wäre sie nicht des Abends schon im Mondschein spazieren gehend erblickt worden? Und immer mit denjenigen, welche vierzehn Tage nach dem belauschten Rendezvous die heftigsten Gegner der Dame sind und behaupten, sie in allen ihren Eigenschaften erkannt zu haben. Die Liebhaber werden bald inne, daß sie weit mehr von ihrer geistigen Unruhe als von der Liebe zu ihnen verzehrt wird. Sie sollen ihr dazu dienen, sie in Schutz zu nehmen, in ihnen Bundsgenossen zu haben; sie liebt jetzt nur noch deßhalb, um ihre Partei zu verstärken. So ist selbst die sinnliche Neigung schon von der Fieberhitze ihres intriguanten Herzens aufgezehrt. Unter allen diesen Verhältnissen hört Miß Livia jedoch nicht auf, ihre so ernste Rolle als Lehrerin durchzuführen. Sie findet immer wieder faules Holz genug, mit welchem sie sich in der unheimlichen Nacht ihres Rufes glorienartig umzaubern kann. Sie weiß Pfarrer und Schulpatrone in ihr Jnteresse zu verflechten und hat manche Schulvorsteherin schon gezwungen, sie in ihrer Stellung an der Anstalt zu lassen, während jene aus ihrer Machtvollkommenheit ihr schon ein dutzendmal kündigte. Jetzt hab’ ich lange nichts mehr von ihr vernommen, weil ich selbst altre und mit jenem jungen Nachwuchs der Gesellschaften nicht mehr so eng verbunden bin, daß ich mich in die kleinen Angelegenheiten ihrer Schulzeit mischen dürfte. Jch bin aber überzeugt, daß Miß Livia noch immer ihr Wesen treibt, bis sie vielleicht irgend

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[376/0404] Frauen, denn mit wem hätte sie nicht ein Verhältniß gehabt? mit wem wäre sie nicht des Abends schon im Mondschein spazieren gehend erblickt worden? Und immer mit denjenigen, welche vierzehn Tage nach dem belauschten Rendezvous die heftigsten Gegner der Dame sind und behaupten, sie in allen ihren Eigenschaften erkannt zu haben. Die Liebhaber werden bald inne, daß sie weit mehr von ihrer geistigen Unruhe als von der Liebe zu ihnen verzehrt wird. Sie sollen ihr dazu dienen, sie in Schutz zu nehmen, in ihnen Bundsgenossen zu haben; sie liebt jetzt nur noch deßhalb, um ihre Partei zu verstärken. So ist selbst die sinnliche Neigung schon von der Fieberhitze ihres intriguanten Herzens aufgezehrt. Unter allen diesen Verhältnissen hört Miß Livia jedoch nicht auf, ihre so ernste Rolle als Lehrerin durchzuführen. Sie findet immer wieder faules Holz genug, mit welchem sie sich in der unheimlichen Nacht ihres Rufes glorienartig umzaubern kann. Sie weiß Pfarrer und Schulpatrone in ihr Jnteresse zu verflechten und hat manche Schulvorsteherin schon gezwungen, sie in ihrer Stellung an der Anstalt zu lassen, während jene aus ihrer Machtvollkommenheit ihr schon ein dutzendmal kündigte. Jetzt hab’ ich lange nichts mehr von ihr vernommen, weil ich selbst altre und mit jenem jungen Nachwuchs der Gesellschaften nicht mehr so eng verbunden bin, daß ich mich in die kleinen Angelegenheiten ihrer Schulzeit mischen dürfte. Jch bin aber überzeugt, daß Miß Livia noch immer ihr Wesen treibt, bis sie vielleicht irgend

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/404>, abgerufen am 22.11.2024.