Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.lachte mich aus, gleichsam als wollt' er sagen: Hier in der Runde gibt es nur einen Gasthof, der Ruf hat, und der rothe Löwe hätte nicht nöthig, sich um Andere ein Bedenken zu machen. So sieh' einmal Einer an, ich hätte sogar an seinen Mittagstisch nicht kommen mögen; denn er selbst saß oben an und tranchirte, was eine unsaubre Mode ist, wie Alles, das wir den Franzosen verdanken. Wie sonst die französischen Emigranten zu uns kamen und statt Suppe Rindfleisch essen lernten, brachten sie doch Manieren von Welt und Sitte mit. Sie waren Stutzer oder Affen; aber es lag doch eine Art darin. Nun die Franzosen nicht mehr reisen und nur noch die Engländer, so bringen die uns gerade aus Frankreich das schlechteste mit, was in dem Lande außer Rebellion und, nachdem Napoleon auch fort ist, noch drinnen geblieben ist. Der Wirth saß mit an der Tafel und war überhaupt in der Stadt eher der Herr als der Diener Aller. Jch wollte mit ihm über eine bequemere Einrichtung in meinem Zimmer sprechen. Er sah mich vornehm an und verwies mich an das Gesinde. Für die Empfangnahme des Geldes war ein eignes Frauenzimmer aufgeputzt, das hinter einem Tische in einer Ecke des untern Saales wie bei Wachsfigurenkabinetten saß. Ueber jeden Gast wurde statt des Kerbholzes doppelte italienische Buchhaltung geführt; ich erhielt für jede Tasse Thee, die ich forderte, ein eignes Folio in diesem Bankwesen. Statt mirs bequem zu machen, mußt' ich mich geniren. Früher war man, so lange man zahlte; Herr im lachte mich aus, gleichsam als wollt’ er sagen: Hier in der Runde gibt es nur einen Gasthof, der Ruf hat, und der rothe Löwe hätte nicht nöthig, sich um Andere ein Bedenken zu machen. So sieh’ einmal Einer an, ich hätte sogar an seinen Mittagstisch nicht kommen mögen; denn er selbst saß oben an und tranchirte, was eine unsaubre Mode ist, wie Alles, das wir den Franzosen verdanken. Wie sonst die französischen Emigranten zu uns kamen und statt Suppe Rindfleisch essen lernten, brachten sie doch Manieren von Welt und Sitte mit. Sie waren Stutzer oder Affen; aber es lag doch eine Art darin. Nun die Franzosen nicht mehr reisen und nur noch die Engländer, so bringen die uns gerade aus Frankreich das schlechteste mit, was in dem Lande außer Rebellion und, nachdem Napoleon auch fort ist, noch drinnen geblieben ist. Der Wirth saß mit an der Tafel und war überhaupt in der Stadt eher der Herr als der Diener Aller. Jch wollte mit ihm über eine bequemere Einrichtung in meinem Zimmer sprechen. Er sah mich vornehm an und verwies mich an das Gesinde. Für die Empfangnahme des Geldes war ein eignes Frauenzimmer aufgeputzt, das hinter einem Tische in einer Ecke des untern Saales wie bei Wachsfigurenkabinetten saß. Ueber jeden Gast wurde statt des Kerbholzes doppelte italienische Buchhaltung geführt; ich erhielt für jede Tasse Thee, die ich forderte, ein eignes Folio in diesem Bankwesen. Statt mirs bequem zu machen, mußt’ ich mich geniren. Früher war man, so lange man zahlte; Herr im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0444" n="416"/> lachte mich aus, gleichsam als wollt’ er sagen: Hier in der Runde gibt es nur einen Gasthof, der Ruf hat, und der rothe Löwe hätte nicht nöthig, sich um Andere ein Bedenken zu machen. So sieh’ einmal Einer an, ich hätte sogar an seinen Mittagstisch nicht kommen mögen; denn er selbst saß oben an und tranchirte, was eine unsaubre Mode ist, wie Alles, das wir den Franzosen verdanken. Wie sonst die französischen Emigranten zu uns kamen und statt Suppe Rindfleisch essen lernten, brachten sie doch Manieren von Welt und Sitte mit. Sie waren Stutzer oder Affen; aber es lag doch eine Art darin. Nun die Franzosen nicht mehr reisen und nur noch die Engländer, so bringen die uns gerade aus Frankreich das schlechteste mit, was in dem Lande außer Rebellion und, nachdem Napoleon auch fort ist, noch drinnen geblieben ist. Der Wirth saß mit an der Tafel und war überhaupt in der Stadt eher der Herr als der Diener Aller. Jch wollte mit ihm über eine bequemere Einrichtung in meinem Zimmer sprechen. Er sah mich vornehm an und verwies mich an das Gesinde. Für die Empfangnahme des Geldes war ein eignes Frauenzimmer aufgeputzt, das hinter einem Tische in einer Ecke des untern Saales wie bei Wachsfigurenkabinetten saß. Ueber jeden Gast wurde statt des Kerbholzes doppelte italienische Buchhaltung geführt; ich erhielt für jede Tasse Thee, die ich forderte, ein eignes Folio in diesem Bankwesen. Statt mirs bequem zu machen, mußt’ ich mich geniren. Früher war man, so lange man zahlte; Herr im </p> </div> </body> </text> </TEI> [416/0444]
lachte mich aus, gleichsam als wollt’ er sagen: Hier in der Runde gibt es nur einen Gasthof, der Ruf hat, und der rothe Löwe hätte nicht nöthig, sich um Andere ein Bedenken zu machen. So sieh’ einmal Einer an, ich hätte sogar an seinen Mittagstisch nicht kommen mögen; denn er selbst saß oben an und tranchirte, was eine unsaubre Mode ist, wie Alles, das wir den Franzosen verdanken. Wie sonst die französischen Emigranten zu uns kamen und statt Suppe Rindfleisch essen lernten, brachten sie doch Manieren von Welt und Sitte mit. Sie waren Stutzer oder Affen; aber es lag doch eine Art darin. Nun die Franzosen nicht mehr reisen und nur noch die Engländer, so bringen die uns gerade aus Frankreich das schlechteste mit, was in dem Lande außer Rebellion und, nachdem Napoleon auch fort ist, noch drinnen geblieben ist. Der Wirth saß mit an der Tafel und war überhaupt in der Stadt eher der Herr als der Diener Aller. Jch wollte mit ihm über eine bequemere Einrichtung in meinem Zimmer sprechen. Er sah mich vornehm an und verwies mich an das Gesinde. Für die Empfangnahme des Geldes war ein eignes Frauenzimmer aufgeputzt, das hinter einem Tische in einer Ecke des untern Saales wie bei Wachsfigurenkabinetten saß. Ueber jeden Gast wurde statt des Kerbholzes doppelte italienische Buchhaltung geführt; ich erhielt für jede Tasse Thee, die ich forderte, ein eignes Folio in diesem Bankwesen. Statt mirs bequem zu machen, mußt’ ich mich geniren. Früher war man, so lange man zahlte; Herr im
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