Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.bewähren, man kann sich nicht mehr auf sein Wesen verlassen, sondern muß suchen, es auch durch den Schein zu unterstützen. Meinen Töchten verdenk' ich's nicht, wenn sie sich so viel wie möglich in den Vordergrund stellen, da es an ihrer Statt tausend andere geben wird, welche nicht faul seyn werden, die Stühle einzunehmen, welche ihnen die Bescheidenheit gebietet, leer stehen zu lassen. Und nun fängt erst die wahre Schwierigkeit an, die Männer zu fesseln. Wenn wir jetzt aller unsrer Reize warten und damit gleichsam alle Minen springen lassen, so wissen die Männer recht gut, daß das, was wir hier geben, so ziemlich alles ist, so wir an Originalität leisten können. Eine so zurückgezogene Nonne nach der Art, wie wir erzogen sind, liebe Schwester, hat allerdings das Gute an sich, daß der Mann Wunder denken kann, was hinter dem sittsamen und bescheidenen Wesen alles für fesselnde und leidenschaftliche Fähigkeiten verborgen liegen. Wer sich aber, wie wir jetzt, in der großen Welt tummeln muß, wer auf zweideutige Fragen mit mehr Witz antworten soll, als dem bloßen Witz einer Schamröthe, der kann allerdings nur durch die größte Abschweifung vom Gewöhnlichen im Stande seyn, die Männer auf etwas Originelles, das sie so unerläßlich wünschen, aufmerksam zu machen. Dazu kommt, daß seit allgemeiner Einimpfung der Kuhpocken sich in der großen Welt nur noch selten Frauenzimmerlarven zeigen, die entschieden häßlich sind. Da bleibt denen, welche sich auszeichnen wollen, nichts übrig, als so viel bewähren, man kann sich nicht mehr auf sein Wesen verlassen, sondern muß suchen, es auch durch den Schein zu unterstützen. Meinen Töchten verdenk’ ich’s nicht, wenn sie sich so viel wie möglich in den Vordergrund stellen, da es an ihrer Statt tausend andere geben wird, welche nicht faul seyn werden, die Stühle einzunehmen, welche ihnen die Bescheidenheit gebietet, leer stehen zu lassen. Und nun fängt erst die wahre Schwierigkeit an, die Männer zu fesseln. Wenn wir jetzt aller unsrer Reize warten und damit gleichsam alle Minen springen lassen, so wissen die Männer recht gut, daß das, was wir hier geben, so ziemlich alles ist, so wir an Originalität leisten können. Eine so zurückgezogene Nonne nach der Art, wie wir erzogen sind, liebe Schwester, hat allerdings das Gute an sich, daß der Mann Wunder denken kann, was hinter dem sittsamen und bescheidenen Wesen alles für fesselnde und leidenschaftliche Fähigkeiten verborgen liegen. Wer sich aber, wie wir jetzt, in der großen Welt tummeln muß, wer auf zweideutige Fragen mit mehr Witz antworten soll, als dem bloßen Witz einer Schamröthe, der kann allerdings nur durch die größte Abschweifung vom Gewöhnlichen im Stande seyn, die Männer auf etwas Originelles, das sie so unerläßlich wünschen, aufmerksam zu machen. Dazu kommt, daß seit allgemeiner Einimpfung der Kuhpocken sich in der großen Welt nur noch selten Frauenzimmerlarven zeigen, die entschieden häßlich sind. Da bleibt denen, welche sich auszeichnen wollen, nichts übrig, als so viel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0486" n="458"/> bewähren, man kann sich nicht mehr auf sein Wesen verlassen, sondern muß suchen, es auch durch den Schein zu unterstützen. Meinen Töchten verdenk’ ich’s nicht, wenn sie sich so viel wie möglich in den Vordergrund stellen, da es an ihrer Statt tausend andere geben wird, welche nicht faul seyn werden, die Stühle einzunehmen, welche ihnen die Bescheidenheit gebietet, leer stehen zu lassen. Und nun fängt erst die wahre Schwierigkeit an, die Männer zu fesseln. Wenn wir jetzt aller unsrer Reize warten und damit gleichsam alle Minen springen lassen, so wissen die Männer recht gut, daß das, was wir hier geben, so ziemlich alles ist, so wir an Originalität leisten können. Eine so zurückgezogene Nonne nach der Art, wie wir erzogen sind, liebe Schwester, hat allerdings das Gute an sich, daß der Mann Wunder denken kann, was hinter dem sittsamen und bescheidenen Wesen alles für fesselnde und leidenschaftliche Fähigkeiten verborgen liegen. Wer sich aber, wie wir jetzt, in der großen Welt tummeln muß, wer auf zweideutige Fragen mit mehr Witz antworten soll, als dem bloßen Witz einer Schamröthe, der kann allerdings nur durch die größte Abschweifung vom Gewöhnlichen im Stande seyn, die Männer auf etwas Originelles, das sie so unerläßlich wünschen, aufmerksam zu machen. Dazu kommt, daß seit allgemeiner Einimpfung der Kuhpocken sich in der großen Welt nur noch selten Frauenzimmerlarven zeigen, die entschieden häßlich sind. Da bleibt denen, welche sich auszeichnen wollen, nichts übrig, als so viel </p> </div> </body> </text> </TEI> [458/0486]
bewähren, man kann sich nicht mehr auf sein Wesen verlassen, sondern muß suchen, es auch durch den Schein zu unterstützen. Meinen Töchten verdenk’ ich’s nicht, wenn sie sich so viel wie möglich in den Vordergrund stellen, da es an ihrer Statt tausend andere geben wird, welche nicht faul seyn werden, die Stühle einzunehmen, welche ihnen die Bescheidenheit gebietet, leer stehen zu lassen. Und nun fängt erst die wahre Schwierigkeit an, die Männer zu fesseln. Wenn wir jetzt aller unsrer Reize warten und damit gleichsam alle Minen springen lassen, so wissen die Männer recht gut, daß das, was wir hier geben, so ziemlich alles ist, so wir an Originalität leisten können. Eine so zurückgezogene Nonne nach der Art, wie wir erzogen sind, liebe Schwester, hat allerdings das Gute an sich, daß der Mann Wunder denken kann, was hinter dem sittsamen und bescheidenen Wesen alles für fesselnde und leidenschaftliche Fähigkeiten verborgen liegen. Wer sich aber, wie wir jetzt, in der großen Welt tummeln muß, wer auf zweideutige Fragen mit mehr Witz antworten soll, als dem bloßen Witz einer Schamröthe, der kann allerdings nur durch die größte Abschweifung vom Gewöhnlichen im Stande seyn, die Männer auf etwas Originelles, das sie so unerläßlich wünschen, aufmerksam zu machen. Dazu kommt, daß seit allgemeiner Einimpfung der Kuhpocken sich in der großen Welt nur noch selten Frauenzimmerlarven zeigen, die entschieden häßlich sind. Da bleibt denen, welche sich auszeichnen wollen, nichts übrig, als so viel
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |