Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.aber ganz übereinstimmend mit dem Charakter unsrer Zeit, mit der ruhigen Gleichgültigkeit, welche sich in einen selbstverfertigten Dampf einhüllt und von hier aus orakelt, zuweilen ausspeit, und seine wohlgeborne, übrigens unzielsetzliche Meinung abgibt. Frägt man aber die andre jugendliche Partei: Was thun Sie denn den ganzen Tag beim Zuckerbäcker? so wird der Befragte unfehlbar antworten: Jch lese nur die Journale. Das ist es. Jetzt beginnt jene Bildung, welche mitsprechen kann, die Bildung des Theaters, der Conzerte und der literarischen Hahnenkämpfe. Zuerst wird dieß Alles noch mit einer Art frommer Neugier betrachtet, dann ist man schon im Zusammenhange, man weiß, heute muß diese Kritik, morgen jene Antwort auf einen schaamlosen aber sehr belustigenden Angriff kommen; jetzt wird man bald in die Kolonnen jener tiefsinnigen Geschmackskenner treten, welche im Parterre das Glück oder Unglück eines ganzen Theaters wörtlich in ihren Händen haben. Der Cursus ist jetzt fertig. Emil, auf dem Continente geboren, kann jetzt in die große Welt eintreten. Und wie tritt er ein! Der Jdealismus seiner früheren Garderobe ist verwischt. Er ist jetzt das Machwerk seines Schneiders. Nur für seine Handschuhe und die Westenzeuge, die er wählt, sorgt er selbst. Er ist noch nicht in das zweite Stadium zurück, wo sich der junge Mann in einen einzelnen Herrn verwandelt, er sorgt noch nicht für comfortable Wohnung, Wachslichter und feine weiße Wäsche (dutzendweis). Er hat keine aber ganz übereinstimmend mit dem Charakter unsrer Zeit, mit der ruhigen Gleichgültigkeit, welche sich in einen selbstverfertigten Dampf einhüllt und von hier aus orakelt, zuweilen ausspeit, und seine wohlgeborne, übrigens unzielsetzliche Meinung abgibt. Frägt man aber die andre jugendliche Partei: Was thun Sie denn den ganzen Tag beim Zuckerbäcker? so wird der Befragte unfehlbar antworten: Jch lese nur die Journale. Das ist es. Jetzt beginnt jene Bildung, welche mitsprechen kann, die Bildung des Theaters, der Conzerte und der literarischen Hahnenkämpfe. Zuerst wird dieß Alles noch mit einer Art frommer Neugier betrachtet, dann ist man schon im Zusammenhange, man weiß, heute muß diese Kritik, morgen jene Antwort auf einen schaamlosen aber sehr belustigenden Angriff kommen; jetzt wird man bald in die Kolonnen jener tiefsinnigen Geschmackskenner treten, welche im Parterre das Glück oder Unglück eines ganzen Theaters wörtlich in ihren Händen haben. Der Cursus ist jetzt fertig. Emil, auf dem Continente geboren, kann jetzt in die große Welt eintreten. Und wie tritt er ein! Der Jdealismus seiner früheren Garderobe ist verwischt. Er ist jetzt das Machwerk seines Schneiders. Nur für seine Handschuhe und die Westenzeuge, die er wählt, sorgt er selbst. Er ist noch nicht in das zweite Stadium zurück, wo sich der junge Mann in einen einzelnen Herrn verwandelt, er sorgt noch nicht für comfortable Wohnung, Wachslichter und feine weiße Wäsche (dutzendweis). Er hat keine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="29"/> aber ganz übereinstimmend mit dem Charakter unsrer Zeit, mit der ruhigen Gleichgültigkeit, welche sich in einen selbstverfertigten Dampf einhüllt und von hier aus orakelt, zuweilen ausspeit, und seine wohlgeborne, übrigens unzielsetzliche Meinung abgibt. Frägt man aber die andre jugendliche Partei: Was thun Sie denn den ganzen Tag beim Zuckerbäcker? so wird der Befragte unfehlbar antworten: Jch lese nur die Journale. Das ist es. Jetzt beginnt jene Bildung, welche mitsprechen kann, die Bildung des Theaters, der Conzerte und der literarischen Hahnenkämpfe. Zuerst wird dieß Alles noch mit einer Art frommer Neugier betrachtet, dann ist man schon im Zusammenhange, man weiß, heute muß diese Kritik, morgen jene Antwort auf einen schaamlosen aber sehr belustigenden Angriff kommen; jetzt wird man bald in die Kolonnen jener tiefsinnigen Geschmackskenner treten, welche im Parterre das Glück oder Unglück eines ganzen Theaters wörtlich in ihren Händen haben. Der Cursus ist jetzt fertig. Emil, auf dem Continente geboren, kann jetzt in die große Welt eintreten.</p> <p>Und wie tritt er ein! Der Jdealismus seiner früheren Garderobe ist verwischt. Er ist jetzt das Machwerk seines Schneiders. Nur für seine Handschuhe und die Westenzeuge, die er wählt, sorgt er selbst. Er ist noch nicht in das zweite Stadium zurück, wo sich der junge Mann in einen <hi rendition="#g">einzelnen Herrn</hi> verwandelt, er sorgt noch nicht für comfortable Wohnung, Wachslichter und feine weiße Wäsche (dutzendweis). Er hat keine </p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0057]
aber ganz übereinstimmend mit dem Charakter unsrer Zeit, mit der ruhigen Gleichgültigkeit, welche sich in einen selbstverfertigten Dampf einhüllt und von hier aus orakelt, zuweilen ausspeit, und seine wohlgeborne, übrigens unzielsetzliche Meinung abgibt. Frägt man aber die andre jugendliche Partei: Was thun Sie denn den ganzen Tag beim Zuckerbäcker? so wird der Befragte unfehlbar antworten: Jch lese nur die Journale. Das ist es. Jetzt beginnt jene Bildung, welche mitsprechen kann, die Bildung des Theaters, der Conzerte und der literarischen Hahnenkämpfe. Zuerst wird dieß Alles noch mit einer Art frommer Neugier betrachtet, dann ist man schon im Zusammenhange, man weiß, heute muß diese Kritik, morgen jene Antwort auf einen schaamlosen aber sehr belustigenden Angriff kommen; jetzt wird man bald in die Kolonnen jener tiefsinnigen Geschmackskenner treten, welche im Parterre das Glück oder Unglück eines ganzen Theaters wörtlich in ihren Händen haben. Der Cursus ist jetzt fertig. Emil, auf dem Continente geboren, kann jetzt in die große Welt eintreten.
Und wie tritt er ein! Der Jdealismus seiner früheren Garderobe ist verwischt. Er ist jetzt das Machwerk seines Schneiders. Nur für seine Handschuhe und die Westenzeuge, die er wählt, sorgt er selbst. Er ist noch nicht in das zweite Stadium zurück, wo sich der junge Mann in einen einzelnen Herrn verwandelt, er sorgt noch nicht für comfortable Wohnung, Wachslichter und feine weiße Wäsche (dutzendweis). Er hat keine
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/57>, abgerufen am 16.02.2025. |