Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.zusammengeknickt, und läßt vorn die Zügel so tief schießen, daß man eine Don-Quixotiade zu sehen glaubt. Man nehme! Dieß ist alles Kunst, diese Vernachlässigung will ungemein genau studirt seyn, man muß, dieß ist die große Aufgabe! sich selbst ennüiyren, ohne für Andre ennüiyant zu seyn. Alle Leidenschaften müssen gezügelt seyn, man muß schon Alles erfahren haben, man muß sogar auf Genüsse resigniren, wenn auch hier Master Fop, der durch seine Abgeschmacktheit nur lächerlich wird, sich schon in einen französischen Blase verwandelt, d. h. in einen Charakter, der für die Moral der Gesellschaft etwas Gefährliches hat. Mein armer Emil! Die Mode wird dir alle Kraft aus den Sehnen saugen. Du kennst Sophokles, Horaz, Shakespeare, Göthe und welche jämmerlichen Scharteken liest du? Du liest Paul de Kock, um zu wissen, welche Wirkungen er auf die Phantasie der kleinen Grisette, der du nachstellst und einstweilen nur Bücher leihst, hervorbringen wird und wo du sie wirst anfassen können! Du bist Abonnent mehrer Morgenblätter, welche von deinen Freunden redigirt werden, und deren Witz dich vergessen lassen soll, daß sie auf deines, des Mäcenas, laufende Rechnung an hundert Orten laufende Schulden haben! Emil greift einige Fragen des Tages auf, er beschäftigt sich mit einigen gelehrten oder ungelehrten Streitigkeiten, welche gerade an der Tagesordnung sind, er macht sogar Gedichte oder schreibt zuweilen an die Zeitungen Briefe, die dann unterzeichnet zusammengeknickt, und läßt vorn die Zügel so tief schießen, daß man eine Don-Quixotiade zu sehen glaubt. Man nehme! Dieß ist alles Kunst, diese Vernachlässigung will ungemein genau studirt seyn, man muß, dieß ist die große Aufgabe! sich selbst ennüiyren, ohne für Andre ennüiyant zu seyn. Alle Leidenschaften müssen gezügelt seyn, man muß schon Alles erfahren haben, man muß sogar auf Genüsse resigniren, wenn auch hier Master Fop, der durch seine Abgeschmacktheit nur lächerlich wird, sich schon in einen französischen Blasé verwandelt, d. h. in einen Charakter, der für die Moral der Gesellschaft etwas Gefährliches hat. Mein armer Emil! Die Mode wird dir alle Kraft aus den Sehnen saugen. Du kennst Sophokles, Horaz, Shakespeare, Göthe und welche jämmerlichen Scharteken liest du? Du liest Paul de Kock, um zu wissen, welche Wirkungen er auf die Phantasie der kleinen Grisette, der du nachstellst und einstweilen nur Bücher leihst, hervorbringen wird und wo du sie wirst anfassen können! Du bist Abonnent mehrer Morgenblätter, welche von deinen Freunden redigirt werden, und deren Witz dich vergessen lassen soll, daß sie auf deines, des Mäcenas, laufende Rechnung an hundert Orten laufende Schulden haben! Emil greift einige Fragen des Tages auf, er beschäftigt sich mit einigen gelehrten oder ungelehrten Streitigkeiten, welche gerade an der Tagesordnung sind, er macht sogar Gedichte oder schreibt zuweilen an die Zeitungen Briefe, die dann unterzeichnet <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059" n="31"/> zusammengeknickt, und läßt vorn die Zügel so tief schießen, daß man eine Don-Quixotiade zu sehen glaubt. Man nehme! Dieß ist alles Kunst, diese Vernachlässigung will ungemein genau studirt seyn, man muß, dieß ist die große Aufgabe! sich selbst ennüiyren, ohne für Andre ennüiyant zu seyn. Alle Leidenschaften müssen gezügelt seyn, man muß schon Alles erfahren haben, man muß sogar auf Genüsse resigniren, wenn auch hier Master Fop, der durch seine Abgeschmacktheit nur lächerlich wird, sich schon in einen französischen <foreign xml:lang="fra">Blasé</foreign> verwandelt, d. h. in einen Charakter, der für die Moral der Gesellschaft etwas Gefährliches hat.</p> <p>Mein armer Emil! Die Mode wird dir alle Kraft aus den Sehnen saugen. Du kennst Sophokles, Horaz, Shakespeare, Göthe und welche jämmerlichen Scharteken liest du? Du liest Paul de Kock, um zu wissen, welche Wirkungen er auf die Phantasie der kleinen Grisette, der du nachstellst und einstweilen nur Bücher leihst, hervorbringen wird und wo du sie wirst anfassen können! Du bist Abonnent mehrer Morgenblätter, welche von deinen Freunden redigirt werden, und deren Witz dich vergessen lassen soll, daß sie auf deines, des Mäcenas, laufende Rechnung an hundert Orten laufende Schulden haben! Emil greift einige Fragen des Tages auf, er beschäftigt sich mit einigen gelehrten oder ungelehrten Streitigkeiten, welche gerade an der Tagesordnung sind, er macht sogar Gedichte oder schreibt zuweilen an die Zeitungen Briefe, die dann unterzeichnet </p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0059]
zusammengeknickt, und läßt vorn die Zügel so tief schießen, daß man eine Don-Quixotiade zu sehen glaubt. Man nehme! Dieß ist alles Kunst, diese Vernachlässigung will ungemein genau studirt seyn, man muß, dieß ist die große Aufgabe! sich selbst ennüiyren, ohne für Andre ennüiyant zu seyn. Alle Leidenschaften müssen gezügelt seyn, man muß schon Alles erfahren haben, man muß sogar auf Genüsse resigniren, wenn auch hier Master Fop, der durch seine Abgeschmacktheit nur lächerlich wird, sich schon in einen französischen Blasé verwandelt, d. h. in einen Charakter, der für die Moral der Gesellschaft etwas Gefährliches hat.
Mein armer Emil! Die Mode wird dir alle Kraft aus den Sehnen saugen. Du kennst Sophokles, Horaz, Shakespeare, Göthe und welche jämmerlichen Scharteken liest du? Du liest Paul de Kock, um zu wissen, welche Wirkungen er auf die Phantasie der kleinen Grisette, der du nachstellst und einstweilen nur Bücher leihst, hervorbringen wird und wo du sie wirst anfassen können! Du bist Abonnent mehrer Morgenblätter, welche von deinen Freunden redigirt werden, und deren Witz dich vergessen lassen soll, daß sie auf deines, des Mäcenas, laufende Rechnung an hundert Orten laufende Schulden haben! Emil greift einige Fragen des Tages auf, er beschäftigt sich mit einigen gelehrten oder ungelehrten Streitigkeiten, welche gerade an der Tagesordnung sind, er macht sogar Gedichte oder schreibt zuweilen an die Zeitungen Briefe, die dann unterzeichnet
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |