Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.die erste aufgelöst haben. Es wird mir immer willkommner seyn, wenn mir meine Geliebte sagt, daß sie mich gewählt habe, als wenn sie sagte, daß ich ihr vom Himmel beschieden bin! Bin ich das letztre, so stehen wir unter dem Gesetze einer Nothwendigkeit, die, wenn wir sie zur Freiheit erheben wollen, immer mit einem Zanke endet. Bin ich das erstre, so verband uns ein freier Akt, der, zur Nothwendigkeit erhoben, eine Quelle der reinsten Beseligungen ist. Wir verschweigen nicht, daß die Ausartungen dieser Kategorie die Prüden, die Sentimentalen, die Magnetischen, die Gefallsüchtigen und zuletzt die alten Jungfern sind. Die Ehen unsres Jahrhunderts sind weit mehr compromittirt, als die des vergangenen. Ehemals waren die Verhältnisse, welche die Grundlage der Ehe bilden, weit geordneter, als jetzt. Das ganze familiäre Leben klang harmonischer zusammen. Bei uns sind durch die Zeiten tiefe Risse in die Familien gekommen, die Familien bilden keinen einigen Gesammtkörper mehr, sondern stehen sich mit ihren Jnteressen und oft sehr schwierigen Aufgaben kalt gegenüber. Das politische Leben hat eine Menge Laufgräben durch die bürgerliche Existenz gezogen, weniger, um sie zu vertheidigen und zu befestigen, als sie in eine Art von Belagerungszustand zu versetzen. Die Geschichte macht jetzt an die Männer beinahe dieselben Ansprüche, wie die Familie, und es ist dadurch ein nicht unwesentlicher Hebel des neuern Romans jener Zwiespalt geworden, mit welchem sich die Jnteressen der die erste aufgelöst haben. Es wird mir immer willkommner seyn, wenn mir meine Geliebte sagt, daß sie mich gewählt habe, als wenn sie sagte, daß ich ihr vom Himmel beschieden bin! Bin ich das letztre, so stehen wir unter dem Gesetze einer Nothwendigkeit, die, wenn wir sie zur Freiheit erheben wollen, immer mit einem Zanke endet. Bin ich das erstre, so verband uns ein freier Akt, der, zur Nothwendigkeit erhoben, eine Quelle der reinsten Beseligungen ist. Wir verschweigen nicht, daß die Ausartungen dieser Kategorie die Prüden, die Sentimentalen, die Magnetischen, die Gefallsüchtigen und zuletzt die alten Jungfern sind. Die Ehen unsres Jahrhunderts sind weit mehr compromittirt, als die des vergangenen. Ehemals waren die Verhältnisse, welche die Grundlage der Ehe bilden, weit geordneter, als jetzt. Das ganze familiäre Leben klang harmonischer zusammen. Bei uns sind durch die Zeiten tiefe Risse in die Familien gekommen, die Familien bilden keinen einigen Gesammtkörper mehr, sondern stehen sich mit ihren Jnteressen und oft sehr schwierigen Aufgaben kalt gegenüber. Das politische Leben hat eine Menge Laufgräben durch die bürgerliche Existenz gezogen, weniger, um sie zu vertheidigen und zu befestigen, als sie in eine Art von Belagerungszustand zu versetzen. Die Geschichte macht jetzt an die Männer beinahe dieselben Ansprüche, wie die Familie, und es ist dadurch ein nicht unwesentlicher Hebel des neuern Romans jener Zwiespalt geworden, mit welchem sich die Jnteressen der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0077" n="49"/> die erste aufgelöst haben. Es wird mir immer willkommner seyn, wenn mir meine Geliebte sagt, daß sie mich gewählt habe, als wenn sie sagte, daß ich ihr vom Himmel beschieden bin! Bin ich das letztre, so stehen wir unter dem Gesetze einer Nothwendigkeit, die, wenn wir sie zur Freiheit erheben wollen, immer mit einem Zanke endet. Bin ich das erstre, so verband uns ein freier Akt, der, zur Nothwendigkeit erhoben, eine Quelle der reinsten Beseligungen ist. Wir verschweigen nicht, daß die Ausartungen dieser Kategorie die Prüden, die Sentimentalen, die Magnetischen, die Gefallsüchtigen und zuletzt die alten Jungfern sind.</p> <p>Die Ehen unsres Jahrhunderts sind weit mehr compromittirt, als die des vergangenen. Ehemals waren die Verhältnisse, welche die Grundlage der Ehe bilden, weit geordneter, als jetzt. Das ganze familiäre Leben klang harmonischer zusammen. Bei uns sind durch die Zeiten tiefe Risse in die Familien gekommen, die Familien bilden keinen einigen Gesammtkörper mehr, sondern stehen sich mit ihren Jnteressen und oft sehr schwierigen Aufgaben kalt gegenüber. Das politische Leben hat eine Menge Laufgräben durch die bürgerliche Existenz gezogen, weniger, um sie zu vertheidigen und zu befestigen, als sie in eine Art von Belagerungszustand zu versetzen. Die Geschichte macht jetzt an die Männer beinahe dieselben Ansprüche, wie die Familie, und es ist dadurch ein nicht unwesentlicher Hebel des neuern Romans jener Zwiespalt geworden, mit welchem sich die Jnteressen der </p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0077]
die erste aufgelöst haben. Es wird mir immer willkommner seyn, wenn mir meine Geliebte sagt, daß sie mich gewählt habe, als wenn sie sagte, daß ich ihr vom Himmel beschieden bin! Bin ich das letztre, so stehen wir unter dem Gesetze einer Nothwendigkeit, die, wenn wir sie zur Freiheit erheben wollen, immer mit einem Zanke endet. Bin ich das erstre, so verband uns ein freier Akt, der, zur Nothwendigkeit erhoben, eine Quelle der reinsten Beseligungen ist. Wir verschweigen nicht, daß die Ausartungen dieser Kategorie die Prüden, die Sentimentalen, die Magnetischen, die Gefallsüchtigen und zuletzt die alten Jungfern sind.
Die Ehen unsres Jahrhunderts sind weit mehr compromittirt, als die des vergangenen. Ehemals waren die Verhältnisse, welche die Grundlage der Ehe bilden, weit geordneter, als jetzt. Das ganze familiäre Leben klang harmonischer zusammen. Bei uns sind durch die Zeiten tiefe Risse in die Familien gekommen, die Familien bilden keinen einigen Gesammtkörper mehr, sondern stehen sich mit ihren Jnteressen und oft sehr schwierigen Aufgaben kalt gegenüber. Das politische Leben hat eine Menge Laufgräben durch die bürgerliche Existenz gezogen, weniger, um sie zu vertheidigen und zu befestigen, als sie in eine Art von Belagerungszustand zu versetzen. Die Geschichte macht jetzt an die Männer beinahe dieselben Ansprüche, wie die Familie, und es ist dadurch ein nicht unwesentlicher Hebel des neuern Romans jener Zwiespalt geworden, mit welchem sich die Jnteressen der
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