Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.wenn ich, so weit es geht, versuche, das Ziel zu bezeichnen, von welchem aus unsere Zeit einer andern Raum geben wird. Man hat schon angefangen, sich von dem Jahrhundert, welches auf das unsrige folgen wird, eine Vorstellung zu machen. Fast alle diese Vorstellungen kommen darauf hinaus, daß das zwanzigste Jahrhundert wahrscheinlich eine Zeit der Hyper-Culmination, der Hyper-Jndustrie, eine Zeit des absoluten Mechanismus seyn möchte. Zieht man das Mährchenhafte von den Bildern, welche diese Vorstellung begleiten, ab, so wird das Resultat wohl darauf hinauskommen, daß das zwanzigste Jahrhundert so ziemlich nur eine Periode des Verstandes und keine des Herzens ist. Jch glaube sogar, daß sich der beklagenswerthe Dualismus unserer modernen Bildung wahrscheinlich in jener Zeit an unserm Wissen und Glauben, an unserm Leben und Sterben empfindlich rächen wird. Sehet Euch vor! Wenn noch eine Revolution kommen kann, so wird es nicht mehr ausschließlich die der Staaten seyn, sondern all euer Denken und Trachten, all euer Meinen und Fühlen, all eure Existenz, all eure Kunst und Wissenschaft wird in sie hineingerissen werden. Und dieß Alles möchte sich nicht einmal durch eine Vorbereitung oder durch eine irgend wie veranstaltete Propaganda ereignen, sondern der Zwiespalt wird das Unbehagen erzeugen, das Unbehagen wird aus eurem eigenen Herzen kommen, und euer Herz wird, indem es am meisten stürmt, auch am meisten gefoltert seyn! Jch spreche wenn ich, so weit es geht, versuche, das Ziel zu bezeichnen, von welchem aus unsere Zeit einer andern Raum geben wird. Man hat schon angefangen, sich von dem Jahrhundert, welches auf das unsrige folgen wird, eine Vorstellung zu machen. Fast alle diese Vorstellungen kommen darauf hinaus, daß das zwanzigste Jahrhundert wahrscheinlich eine Zeit der Hyper-Culmination, der Hyper-Jndustrie, eine Zeit des absoluten Mechanismus seyn möchte. Zieht man das Mährchenhafte von den Bildern, welche diese Vorstellung begleiten, ab, so wird das Resultat wohl darauf hinauskommen, daß das zwanzigste Jahrhundert so ziemlich nur eine Periode des Verstandes und keine des Herzens ist. Jch glaube sogar, daß sich der beklagenswerthe Dualismus unserer modernen Bildung wahrscheinlich in jener Zeit an unserm Wissen und Glauben, an unserm Leben und Sterben empfindlich rächen wird. Sehet Euch vor! Wenn noch eine Revolution kommen kann, so wird es nicht mehr ausschließlich die der Staaten seyn, sondern all euer Denken und Trachten, all euer Meinen und Fühlen, all eure Existenz, all eure Kunst und Wissenschaft wird in sie hineingerissen werden. Und dieß Alles möchte sich nicht einmal durch eine Vorbereitung oder durch eine irgend wie veranstaltete Propaganda ereignen, sondern der Zwiespalt wird das Unbehagen erzeugen, das Unbehagen wird aus eurem eigenen Herzen kommen, und euer Herz wird, indem es am meisten stürmt, auch am meisten gefoltert seyn! Jch spreche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0097" n="69"/> wenn ich, so weit es geht, versuche, das Ziel zu bezeichnen, von welchem aus unsere Zeit einer andern Raum geben wird. Man hat schon angefangen, sich von dem Jahrhundert, welches auf das unsrige folgen wird, eine Vorstellung zu machen. Fast alle diese Vorstellungen kommen darauf hinaus, daß das zwanzigste Jahrhundert wahrscheinlich eine Zeit der Hyper-Culmination, der Hyper-Jndustrie, eine Zeit des absoluten Mechanismus seyn möchte. Zieht man das Mährchenhafte von den Bildern, welche diese Vorstellung begleiten, ab, so wird das Resultat wohl darauf hinauskommen, daß das zwanzigste Jahrhundert so ziemlich nur eine Periode des Verstandes und keine des Herzens ist. Jch glaube sogar, daß sich der beklagenswerthe Dualismus unserer modernen Bildung wahrscheinlich in jener Zeit an unserm Wissen und Glauben, an unserm Leben und Sterben empfindlich rächen wird. Sehet Euch vor! Wenn noch eine Revolution kommen kann, so wird es nicht mehr ausschließlich die der Staaten seyn, sondern all euer Denken und Trachten, all euer Meinen und Fühlen, all eure Existenz, all eure Kunst und Wissenschaft wird in sie hineingerissen werden. Und dieß Alles möchte sich nicht einmal durch eine Vorbereitung oder durch eine irgend wie veranstaltete Propaganda ereignen, sondern der Zwiespalt wird das Unbehagen erzeugen, das Unbehagen wird aus eurem eigenen Herzen kommen, und euer Herz wird, indem es am meisten stürmt, auch am meisten gefoltert seyn! Jch spreche </p> </div> </body> </text> </TEI> [69/0097]
wenn ich, so weit es geht, versuche, das Ziel zu bezeichnen, von welchem aus unsere Zeit einer andern Raum geben wird. Man hat schon angefangen, sich von dem Jahrhundert, welches auf das unsrige folgen wird, eine Vorstellung zu machen. Fast alle diese Vorstellungen kommen darauf hinaus, daß das zwanzigste Jahrhundert wahrscheinlich eine Zeit der Hyper-Culmination, der Hyper-Jndustrie, eine Zeit des absoluten Mechanismus seyn möchte. Zieht man das Mährchenhafte von den Bildern, welche diese Vorstellung begleiten, ab, so wird das Resultat wohl darauf hinauskommen, daß das zwanzigste Jahrhundert so ziemlich nur eine Periode des Verstandes und keine des Herzens ist. Jch glaube sogar, daß sich der beklagenswerthe Dualismus unserer modernen Bildung wahrscheinlich in jener Zeit an unserm Wissen und Glauben, an unserm Leben und Sterben empfindlich rächen wird. Sehet Euch vor! Wenn noch eine Revolution kommen kann, so wird es nicht mehr ausschließlich die der Staaten seyn, sondern all euer Denken und Trachten, all euer Meinen und Fühlen, all eure Existenz, all eure Kunst und Wissenschaft wird in sie hineingerissen werden. Und dieß Alles möchte sich nicht einmal durch eine Vorbereitung oder durch eine irgend wie veranstaltete Propaganda ereignen, sondern der Zwiespalt wird das Unbehagen erzeugen, das Unbehagen wird aus eurem eigenen Herzen kommen, und euer Herz wird, indem es am meisten stürmt, auch am meisten gefoltert seyn! Jch spreche
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/97>, abgerufen am 16.02.2025. |