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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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wohnende, kräftige Sittenprinzip trieb sie immer an, stark aufzutragen und nach auffallenden Symbolen jener moralischen Ueberzeugungen, die sich in ihnen bildeten, zu trachten. Da nun die Religion der vorzüglichste Mittelpunkt des antiken Nachdenkens war, so bildeten sich nach und nach bei den Alten Gebräuche aus, die wir ihrer Auffallenheit und Uebertreibung wegen Aberglauben nennen dürfen. Mögen hier, um uns den Abstand unsrer Zeiten von den Alten recht klar zu machen, einige merkwürdige Züge aus den Sitten des Alterthums aufgenommen werden. Wir werden immer gleich bei der Hand seyn müssen, an jeder dieser Gewohnheiten eine abergläubische Färbung zu entdecken.

Es gab nur ein Volk im Alterthum, welches uns recht deutlich machen kann, wie die Sitten zugleich mit der Reflexion, der Glaube mit dem Verstande verbunden seyn kann. Das waren die Römer. Bei den Römern mußte die Braut Feuer und Wasser berühren. Man hatte dabei gewiß die Vorstellung, daß durch die Begattung die Menschen in eine elementarische Thätigkeit versezt werden. Man brannte bei den Hochzeiten, wahrscheinlich aus einem ähnlichen Grunde, nur fünf Kerzen. Vielleicht dachte man daran, daß fünf die erste Zahl ist, welche sich nicht in zwei gleiche Theile zerlegen läßt, so daß auf diese Weise eine schon in der Natur angedeutete ewige Botmäßigkeit des Weibes unter dem Manne, der Zahl zwei

wohnende, kräftige Sittenprinzip trieb sie immer an, stark aufzutragen und nach auffallenden Symbolen jener moralischen Ueberzeugungen, die sich in ihnen bildeten, zu trachten. Da nun die Religion der vorzüglichste Mittelpunkt des antiken Nachdenkens war, so bildeten sich nach und nach bei den Alten Gebräuche aus, die wir ihrer Auffallenheit und Uebertreibung wegen Aberglauben nennen dürfen. Mögen hier, um uns den Abstand unsrer Zeiten von den Alten recht klar zu machen, einige merkwürdige Züge aus den Sitten des Alterthums aufgenommen werden. Wir werden immer gleich bei der Hand seyn müssen, an jeder dieser Gewohnheiten eine abergläubische Färbung zu entdecken.

Es gab nur ein Volk im Alterthum, welches uns recht deutlich machen kann, wie die Sitten zugleich mit der Reflexion, der Glaube mit dem Verstande verbunden seyn kann. Das waren die Römer. Bei den Römern mußte die Braut Feuer und Wasser berühren. Man hatte dabei gewiß die Vorstellung, daß durch die Begattung die Menschen in eine elementarische Thätigkeit versezt werden. Man brannte bei den Hochzeiten, wahrscheinlich aus einem ähnlichen Grunde, nur fünf Kerzen. Vielleicht dachte man daran, daß fünf die erste Zahl ist, welche sich nicht in zwei gleiche Theile zerlegen läßt, so daß auf diese Weise eine schon in der Natur angedeutete ewige Botmäßigkeit des Weibes unter dem Manne, der Zahl zwei

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[9/0011] wohnende, kräftige Sittenprinzip trieb sie immer an, stark aufzutragen und nach auffallenden Symbolen jener moralischen Ueberzeugungen, die sich in ihnen bildeten, zu trachten. Da nun die Religion der vorzüglichste Mittelpunkt des antiken Nachdenkens war, so bildeten sich nach und nach bei den Alten Gebräuche aus, die wir ihrer Auffallenheit und Uebertreibung wegen Aberglauben nennen dürfen. Mögen hier, um uns den Abstand unsrer Zeiten von den Alten recht klar zu machen, einige merkwürdige Züge aus den Sitten des Alterthums aufgenommen werden. Wir werden immer gleich bei der Hand seyn müssen, an jeder dieser Gewohnheiten eine abergläubische Färbung zu entdecken. Es gab nur ein Volk im Alterthum, welches uns recht deutlich machen kann, wie die Sitten zugleich mit der Reflexion, der Glaube mit dem Verstande verbunden seyn kann. Das waren die Römer. Bei den Römern mußte die Braut Feuer und Wasser berühren. Man hatte dabei gewiß die Vorstellung, daß durch die Begattung die Menschen in eine elementarische Thätigkeit versezt werden. Man brannte bei den Hochzeiten, wahrscheinlich aus einem ähnlichen Grunde, nur fünf Kerzen. Vielleicht dachte man daran, daß fünf die erste Zahl ist, welche sich nicht in zwei gleiche Theile zerlegen läßt, so daß auf diese Weise eine schon in der Natur angedeutete ewige Botmäßigkeit des Weibes unter dem Manne, der Zahl zwei

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/11>, abgerufen am 21.11.2024.