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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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von solchen Geistlichen behandeln, wie von Magnetiseuren.

Andere sind mürrisch, finster und schwarzgallig. Dies äußert sich in argen Verketzerungen, im geistlichen Terrorismus und einer affektirten Orthodoxie, die sich besonders daran erkennen läßt, daß sie niemals aus dem eigenthümlichen Jargon der Bibel herauskann. Christus wird von diesen immer dargestellt, wie er niederfährt zur Hölle und die Schlange besiegt. Selten, daß ein heiliger Lichtglanz um ihn webt und er mit himmlischer Verklärung seinen Jüngern zuruft: "Friede sey mit euch!" Diese Geistlichen glauben, vielleicht in guter Meinung, daß man unsrer eigenwilligen Zeit, gegenüber der Würde des Christenthums, nichts vergeben müsse; sie wollen ihre Festung vertheidigen, sie haben vielleicht nicht einmal die Absicht, uns in sie aufzunehmen, sondern sie wollen sie uns blos nicht freiwillig übergeben. Die Jdee, die sie von Christo, vom Glauben und der Kirche haben, ist starr, ihre Worte sind schroff, Ueberzeugenwollen ist ihre Absicht nicht, sondern man müßte schon ganz vollkommen mit sich im Reinen seyn und keine Zweifel mehr haben, wenn man ganz mit ihnen übereinstimmend denken und fühlen wollte.

Man verwechsle diese trockene Orthodoxie nicht mit dem Pietismus. So orthodox der leztere ist, so hat er doch Fleisch an seinen Knochen und einen feuchten Blick in seinem Auge. Er will nicht blos strafen,

von solchen Geistlichen behandeln, wie von Magnetiseuren.

Andere sind mürrisch, finster und schwarzgallig. Dies äußert sich in argen Verketzerungen, im geistlichen Terrorismus und einer affektirten Orthodoxie, die sich besonders daran erkennen läßt, daß sie niemals aus dem eigenthümlichen Jargon der Bibel herauskann. Christus wird von diesen immer dargestellt, wie er niederfährt zur Hölle und die Schlange besiegt. Selten, daß ein heiliger Lichtglanz um ihn webt und er mit himmlischer Verklärung seinen Jüngern zuruft: "Friede sey mit euch!" Diese Geistlichen glauben, vielleicht in guter Meinung, daß man unsrer eigenwilligen Zeit, gegenüber der Würde des Christenthums, nichts vergeben müsse; sie wollen ihre Festung vertheidigen, sie haben vielleicht nicht einmal die Absicht, uns in sie aufzunehmen, sondern sie wollen sie uns blos nicht freiwillig übergeben. Die Jdee, die sie von Christo, vom Glauben und der Kirche haben, ist starr, ihre Worte sind schroff, Ueberzeugenwollen ist ihre Absicht nicht, sondern man müßte schon ganz vollkommen mit sich im Reinen seyn und keine Zweifel mehr haben, wenn man ganz mit ihnen übereinstimmend denken und fühlen wollte.

Man verwechsle diese trockene Orthodoxie nicht mit dem Pietismus. So orthodox der leztere ist, so hat er doch Fleisch an seinen Knochen und einen feuchten Blick in seinem Auge. Er will nicht blos strafen,

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[133/0135] von solchen Geistlichen behandeln, wie von Magnetiseuren. Andere sind mürrisch, finster und schwarzgallig. Dies äußert sich in argen Verketzerungen, im geistlichen Terrorismus und einer affektirten Orthodoxie, die sich besonders daran erkennen läßt, daß sie niemals aus dem eigenthümlichen Jargon der Bibel herauskann. Christus wird von diesen immer dargestellt, wie er niederfährt zur Hölle und die Schlange besiegt. Selten, daß ein heiliger Lichtglanz um ihn webt und er mit himmlischer Verklärung seinen Jüngern zuruft: "Friede sey mit euch!" Diese Geistlichen glauben, vielleicht in guter Meinung, daß man unsrer eigenwilligen Zeit, gegenüber der Würde des Christenthums, nichts vergeben müsse; sie wollen ihre Festung vertheidigen, sie haben vielleicht nicht einmal die Absicht, uns in sie aufzunehmen, sondern sie wollen sie uns blos nicht freiwillig übergeben. Die Jdee, die sie von Christo, vom Glauben und der Kirche haben, ist starr, ihre Worte sind schroff, Ueberzeugenwollen ist ihre Absicht nicht, sondern man müßte schon ganz vollkommen mit sich im Reinen seyn und keine Zweifel mehr haben, wenn man ganz mit ihnen übereinstimmend denken und fühlen wollte. Man verwechsle diese trockene Orthodoxie nicht mit dem Pietismus. So orthodox der leztere ist, so hat er doch Fleisch an seinen Knochen und einen feuchten Blick in seinem Auge. Er will nicht blos strafen,

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/135>, abgerufen am 16.05.2024.