Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.nicht, daß Jungfrauen an öffentlichen Festen Hochzeit machten, nur die Wittwen durften es. Denn, sagten sie, an öffentlichen Tagen soll Freude herrschen; aber nur Wittwen verheirathen sich mit Vergnügen, Jungfrauen gewöhnlich mit Verdruß und Widerwillen. Alle diese Gewohnheiten muß man sich organisch verbunden denken, sie waren den Römern selbst keine Ausnahme, sondern sie begleiteten so gut, wie unsre Komplimenten-, Anstands- und Toilettenvorschriften ihr Stehen und Gehen, ihr tägliches Thun und Lassen. Wir haben keine antiken Genrebilder, etwa wie die Franzosen in ihrem Buch der Hundert und Eins jede kleinste Nüance ihres Pariser Lebens beschrieben haben. Die alten Beschreibungen von Gastmählern führen uns vielleicht das Bild eines organischen Zusammenlebens vor, wie es im Alterthum geherrscht hat. Lesen wir diese sogenannten Trinkgelage, diese Tischreden der Alten, sowohl in ihrer philosophischen Einfachheit, wie bei Plato und Xenophon, als in der antiquarischen Gourmandise, wie bei Plutarch und Athenäus oder in den ausschweifenden und vielfräßigen Schilderungen römischer Gastmähler, z. B. der Schilderung des Gastmahles des Trimalchio, so werden wir uns bald überzeugen, wie nüchtern, ausgeglättet und farblos unsere jetzige Lebensweise gegen die der Alten absticht. Wir finden die Bildung jezt nur noch in dem vollkommnen Nivellement alles Menschlichen, nicht, daß Jungfrauen an öffentlichen Festen Hochzeit machten, nur die Wittwen durften es. Denn, sagten sie, an öffentlichen Tagen soll Freude herrschen; aber nur Wittwen verheirathen sich mit Vergnügen, Jungfrauen gewöhnlich mit Verdruß und Widerwillen. Alle diese Gewohnheiten muß man sich organisch verbunden denken, sie waren den Römern selbst keine Ausnahme, sondern sie begleiteten so gut, wie unsre Komplimenten-, Anstands- und Toilettenvorschriften ihr Stehen und Gehen, ihr tägliches Thun und Lassen. Wir haben keine antiken Genrebilder, etwa wie die Franzosen in ihrem Buch der Hundert und Eins jede kleinste Nüance ihres Pariser Lebens beschrieben haben. Die alten Beschreibungen von Gastmählern führen uns vielleicht das Bild eines organischen Zusammenlebens vor, wie es im Alterthum geherrscht hat. Lesen wir diese sogenannten Trinkgelage, diese Tischreden der Alten, sowohl in ihrer philosophischen Einfachheit, wie bei Plato und Xenophon, als in der antiquarischen Gourmandise, wie bei Plutarch und Athenäus oder in den ausschweifenden und vielfräßigen Schilderungen römischer Gastmähler, z. B. der Schilderung des Gastmahles des Trimalchio, so werden wir uns bald überzeugen, wie nüchtern, ausgeglättet und farblos unsere jetzige Lebensweise gegen die der Alten absticht. Wir finden die Bildung jezt nur noch in dem vollkommnen Nivellement alles Menschlichen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="14"/> nicht, daß Jungfrauen an öffentlichen Festen Hochzeit machten, nur die Wittwen durften es. Denn, sagten sie, an öffentlichen Tagen soll Freude herrschen; aber nur Wittwen verheirathen sich mit Vergnügen, Jungfrauen gewöhnlich mit Verdruß und Widerwillen.</p> <p>Alle diese Gewohnheiten muß man sich organisch verbunden denken, sie waren den Römern selbst keine Ausnahme, sondern sie begleiteten so gut, wie unsre Komplimenten-, Anstands- und Toilettenvorschriften ihr Stehen und Gehen, ihr tägliches Thun und Lassen. Wir haben keine antiken Genrebilder, etwa wie die Franzosen in ihrem Buch der Hundert und Eins jede kleinste Nüance ihres Pariser Lebens beschrieben haben. Die alten Beschreibungen von Gastmählern führen uns vielleicht das Bild eines organischen Zusammenlebens vor, wie es im Alterthum geherrscht hat. Lesen wir diese sogenannten Trinkgelage, diese Tischreden der Alten, sowohl in ihrer philosophischen Einfachheit, wie bei <hi rendition="#g">Plato</hi> und <hi rendition="#g">Xenophon</hi>, als in der antiquarischen Gourmandise, wie bei <hi rendition="#g">Plutarch</hi> und <hi rendition="#g">Athenäus</hi> oder in den ausschweifenden und vielfräßigen Schilderungen <hi rendition="#g">römischer</hi> Gastmähler, z. B. der Schilderung des Gastmahles des Trimalchio, so werden wir uns bald überzeugen, wie nüchtern, ausgeglättet und farblos unsere jetzige Lebensweise gegen die der Alten absticht. Wir finden die Bildung jezt nur noch in dem vollkommnen Nivellement alles Menschlichen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0016]
nicht, daß Jungfrauen an öffentlichen Festen Hochzeit machten, nur die Wittwen durften es. Denn, sagten sie, an öffentlichen Tagen soll Freude herrschen; aber nur Wittwen verheirathen sich mit Vergnügen, Jungfrauen gewöhnlich mit Verdruß und Widerwillen.
Alle diese Gewohnheiten muß man sich organisch verbunden denken, sie waren den Römern selbst keine Ausnahme, sondern sie begleiteten so gut, wie unsre Komplimenten-, Anstands- und Toilettenvorschriften ihr Stehen und Gehen, ihr tägliches Thun und Lassen. Wir haben keine antiken Genrebilder, etwa wie die Franzosen in ihrem Buch der Hundert und Eins jede kleinste Nüance ihres Pariser Lebens beschrieben haben. Die alten Beschreibungen von Gastmählern führen uns vielleicht das Bild eines organischen Zusammenlebens vor, wie es im Alterthum geherrscht hat. Lesen wir diese sogenannten Trinkgelage, diese Tischreden der Alten, sowohl in ihrer philosophischen Einfachheit, wie bei Plato und Xenophon, als in der antiquarischen Gourmandise, wie bei Plutarch und Athenäus oder in den ausschweifenden und vielfräßigen Schilderungen römischer Gastmähler, z. B. der Schilderung des Gastmahles des Trimalchio, so werden wir uns bald überzeugen, wie nüchtern, ausgeglättet und farblos unsere jetzige Lebensweise gegen die der Alten absticht. Wir finden die Bildung jezt nur noch in dem vollkommnen Nivellement alles Menschlichen,
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