Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

die Phantasie noch nicht auf, der Vernunft als der Richtschnur ihrer Aeußerung unterthan zu seyn, wie frei sie sich auch sonst bewegen kann und wie spezifisch verschieden sie auch sonst von der Vernunft ist. Hätte das Gefühl solche Umrisse, wie die Anschauung sie haben muß, so würde die Vergleichung der Religion mit der Phantasie und Kunst noch schlagender seyn. Daß Phantasie und Vernunft etwas ganz verschiedenes und doch dasselbe sind, sehen wir ohne weiteres ein; allein wir würden es auch von der Religion und Vernunft einsehen, wenn nicht das Wesen der Erstern im Gefühle läge und wenn das Gefühl sich so begrenzen ließe, wie phantastische Visionen im Jnteresse der Kunst. So sollte denn auch der Ausdruck: Vernunftreligion nie etwas Anderes bedeuten, als daß man sich zu einer Religion bekennt, die der Vernunft nicht widerspricht; nimmer aber soll man glauben, daß Vernunft Quelle der Religion seyn könne, welches eine eben so unverständige Zusammenstellung wäre, als wenn man von einem Gemälde Wunder etwas zu sagen glaubte, wenn man sagte, daß es von der Vernunft eingegeben wäre!

Ja die Vernunft ist nicht selten weit mehr ein Hinderniß als eine Förderung der Religion, in dem Sinne nämlich, wie auch der Künstler wohl zagt und verzweifelt beim späteren Anblick einer ihm durch den Moment ohne viel Ueberlegens eingegeb'nen Schöpfung. Die Vernunft selbst, im thätigen Zustande gedacht,

die Phantasie noch nicht auf, der Vernunft als der Richtschnur ihrer Aeußerung unterthan zu seyn, wie frei sie sich auch sonst bewegen kann und wie spezifisch verschieden sie auch sonst von der Vernunft ist. Hätte das Gefühl solche Umrisse, wie die Anschauung sie haben muß, so würde die Vergleichung der Religion mit der Phantasie und Kunst noch schlagender seyn. Daß Phantasie und Vernunft etwas ganz verschiedenes und doch dasselbe sind, sehen wir ohne weiteres ein; allein wir würden es auch von der Religion und Vernunft einsehen, wenn nicht das Wesen der Erstern im Gefühle läge und wenn das Gefühl sich so begrenzen ließe, wie phantastische Visionen im Jnteresse der Kunst. So sollte denn auch der Ausdruck: Vernunftreligion nie etwas Anderes bedeuten, als daß man sich zu einer Religion bekennt, die der Vernunft nicht widerspricht; nimmer aber soll man glauben, daß Vernunft Quelle der Religion seyn könne, welches eine eben so unverständige Zusammenstellung wäre, als wenn man von einem Gemälde Wunder etwas zu sagen glaubte, wenn man sagte, daß es von der Vernunft eingegeben wäre!

Ja die Vernunft ist nicht selten weit mehr ein Hinderniß als eine Förderung der Religion, in dem Sinne nämlich, wie auch der Künstler wohl zagt und verzweifelt beim späteren Anblick einer ihm durch den Moment ohne viel Ueberlegens eingegeb’nen Schöpfung. Die Vernunft selbst, im thätigen Zustande gedacht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0165" n="163"/>
die Phantasie noch nicht auf, der Vernunft als der Richtschnur ihrer Aeußerung unterthan zu seyn, wie frei sie sich auch sonst bewegen kann und wie spezifisch verschieden sie auch sonst von der Vernunft ist. Hätte das <hi rendition="#g">Gefühl</hi> solche Umrisse, wie die <hi rendition="#g">Anschauung</hi> sie haben muß, so würde die Vergleichung der Religion mit der Phantasie und Kunst noch schlagender seyn. Daß Phantasie und Vernunft etwas ganz verschiedenes und doch dasselbe sind, sehen wir ohne weiteres ein; allein wir würden es auch von der Religion und Vernunft einsehen, wenn nicht das Wesen der Erstern im Gefühle läge und wenn das Gefühl sich so begrenzen ließe, wie phantastische Visionen im Jnteresse der Kunst. So sollte denn auch der Ausdruck: <hi rendition="#g">Vernunftreligion</hi> nie etwas Anderes bedeuten, als daß man sich zu einer Religion bekennt, die der Vernunft nicht widerspricht; nimmer aber soll man glauben, daß Vernunft <hi rendition="#g">Quelle</hi> der Religion seyn könne, welches eine eben so unverständige Zusammenstellung wäre, als wenn man von einem Gemälde Wunder etwas zu sagen glaubte, wenn man sagte, daß es von der Vernunft <hi rendition="#g">eingegeben</hi> wäre!</p>
        <p>Ja die Vernunft ist nicht selten weit mehr ein Hinderniß als eine Förderung der Religion, in dem Sinne nämlich, wie auch der Künstler wohl zagt und verzweifelt beim späteren Anblick einer ihm durch den Moment ohne viel Ueberlegens eingegeb&#x2019;nen Schöpfung. Die Vernunft selbst, im thätigen Zustande gedacht,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0165] die Phantasie noch nicht auf, der Vernunft als der Richtschnur ihrer Aeußerung unterthan zu seyn, wie frei sie sich auch sonst bewegen kann und wie spezifisch verschieden sie auch sonst von der Vernunft ist. Hätte das Gefühl solche Umrisse, wie die Anschauung sie haben muß, so würde die Vergleichung der Religion mit der Phantasie und Kunst noch schlagender seyn. Daß Phantasie und Vernunft etwas ganz verschiedenes und doch dasselbe sind, sehen wir ohne weiteres ein; allein wir würden es auch von der Religion und Vernunft einsehen, wenn nicht das Wesen der Erstern im Gefühle läge und wenn das Gefühl sich so begrenzen ließe, wie phantastische Visionen im Jnteresse der Kunst. So sollte denn auch der Ausdruck: Vernunftreligion nie etwas Anderes bedeuten, als daß man sich zu einer Religion bekennt, die der Vernunft nicht widerspricht; nimmer aber soll man glauben, daß Vernunft Quelle der Religion seyn könne, welches eine eben so unverständige Zusammenstellung wäre, als wenn man von einem Gemälde Wunder etwas zu sagen glaubte, wenn man sagte, daß es von der Vernunft eingegeben wäre! Ja die Vernunft ist nicht selten weit mehr ein Hinderniß als eine Förderung der Religion, in dem Sinne nämlich, wie auch der Künstler wohl zagt und verzweifelt beim späteren Anblick einer ihm durch den Moment ohne viel Ueberlegens eingegeb’nen Schöpfung. Die Vernunft selbst, im thätigen Zustande gedacht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/165
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/165>, abgerufen am 15.05.2024.