Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.durch ein methodisches Verfahren in das Jnnere der Länder hineinbekehren? Es gibt auch christliche Theologen, welche das Missionswesen in seiner jetzigen Gestalt ganz verwerfen und es für kleinlich und eines die gebildete Welt beherrschenden Glaubens für unwürdig halten, sich bei fremden Völkerzuständen leis und behutsam einzuschleichen, und die ihrerseits überzeugt sind, das Christenthum solle nur die Folge jener Ausbreitung seyn, nach welcher die Menschen ohnedies hinstreben, der Ausbreitung politischer Herrschaft, wie auch im Alterthum Bonifazius und Jrnerius und die übrigen Heidenbekehrer bei weitem nicht so viel gewirkt haben, als wenn Karl der Große die Sachsen aus dem Lande schleppte, oder die Völker selbst nach Jtalien kamen, wo sie ohnedies Neues suchten und gern auch das Christenthum mitnahmen. Welch' ein zweifelhaftes, ja ohnmächtiges Geschenk ist das Christenthum, wenn ihm nicht die Civilisation zu Hilfe kommt! Was ist es, daß ein Wilder am Meeresstrand die Bibel küßt und, ohne sie lesen zu können, zur Noth ihren Jnhalt erfahren hat; was ist es, wenn Zehen, Zwanzig mit ihr auf gleiche Weise bearbeitet sind, und sich doch nirgends die Möglichkeit zeigt, hier auch jenen großen, welthistorischen Segnungen des Christenthums Raum zu schaffen, und namentlich in denen, die getauft sind, den Trieb der Weiterfortpflanzung ihrer Erkenntniß und das Märtyrthum zu erwecken! Diese Familie küßt ihre Bibel, erzählt sich durch ein methodisches Verfahren in das Jnnere der Länder hineinbekehren? Es gibt auch christliche Theologen, welche das Missionswesen in seiner jetzigen Gestalt ganz verwerfen und es für kleinlich und eines die gebildete Welt beherrschenden Glaubens für unwürdig halten, sich bei fremden Völkerzuständen leis und behutsam einzuschleichen, und die ihrerseits überzeugt sind, das Christenthum solle nur die Folge jener Ausbreitung seyn, nach welcher die Menschen ohnedies hinstreben, der Ausbreitung politischer Herrschaft, wie auch im Alterthum Bonifazius und Jrnerius und die übrigen Heidenbekehrer bei weitem nicht so viel gewirkt haben, als wenn Karl der Große die Sachsen aus dem Lande schleppte, oder die Völker selbst nach Jtalien kamen, wo sie ohnedies Neues suchten und gern auch das Christenthum mitnahmen. Welch’ ein zweifelhaftes, ja ohnmächtiges Geschenk ist das Christenthum, wenn ihm nicht die Civilisation zu Hilfe kommt! Was ist es, daß ein Wilder am Meeresstrand die Bibel küßt und, ohne sie lesen zu können, zur Noth ihren Jnhalt erfahren hat; was ist es, wenn Zehen, Zwanzig mit ihr auf gleiche Weise bearbeitet sind, und sich doch nirgends die Möglichkeit zeigt, hier auch jenen großen, welthistorischen Segnungen des Christenthums Raum zu schaffen, und namentlich in denen, die getauft sind, den Trieb der Weiterfortpflanzung ihrer Erkenntniß und das Märtyrthum zu erwecken! Diese Familie küßt ihre Bibel, erzählt sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0207" n="205"/> durch ein methodisches Verfahren in das Jnnere der Länder hineinbekehren? Es gibt auch christliche Theologen, welche das Missionswesen in seiner jetzigen Gestalt ganz verwerfen und es für kleinlich und eines die gebildete Welt beherrschenden Glaubens für unwürdig halten, sich bei fremden Völkerzuständen leis und behutsam einzuschleichen, und die ihrerseits überzeugt sind, das Christenthum solle nur die Folge jener Ausbreitung seyn, nach welcher die Menschen ohnedies hinstreben, der Ausbreitung politischer Herrschaft, wie auch im Alterthum <hi rendition="#g">Bonifazius</hi> und <hi rendition="#g">Jrnerius</hi> und die übrigen Heidenbekehrer bei weitem nicht so viel gewirkt haben, als wenn <hi rendition="#g">Karl der Große</hi> die Sachsen aus dem Lande schleppte, oder die Völker selbst nach Jtalien kamen, wo sie ohnedies Neues suchten und gern auch das Christenthum mitnahmen. Welch’ ein zweifelhaftes, ja ohnmächtiges Geschenk ist das Christenthum, wenn ihm nicht die Civilisation zu Hilfe kommt! Was ist es, daß ein Wilder am Meeresstrand die Bibel küßt und, ohne sie lesen zu können, zur Noth ihren Jnhalt erfahren hat; was ist es, wenn Zehen, Zwanzig mit ihr auf gleiche Weise bearbeitet sind, und sich doch nirgends die Möglichkeit zeigt, hier auch jenen großen, welthistorischen Segnungen des Christenthums Raum zu schaffen, und namentlich in denen, die getauft sind, den Trieb der Weiterfortpflanzung ihrer Erkenntniß und das Märtyrthum zu erwecken! Diese Familie küßt ihre Bibel, erzählt sich </p> </div> </body> </text> </TEI> [205/0207]
durch ein methodisches Verfahren in das Jnnere der Länder hineinbekehren? Es gibt auch christliche Theologen, welche das Missionswesen in seiner jetzigen Gestalt ganz verwerfen und es für kleinlich und eines die gebildete Welt beherrschenden Glaubens für unwürdig halten, sich bei fremden Völkerzuständen leis und behutsam einzuschleichen, und die ihrerseits überzeugt sind, das Christenthum solle nur die Folge jener Ausbreitung seyn, nach welcher die Menschen ohnedies hinstreben, der Ausbreitung politischer Herrschaft, wie auch im Alterthum Bonifazius und Jrnerius und die übrigen Heidenbekehrer bei weitem nicht so viel gewirkt haben, als wenn Karl der Große die Sachsen aus dem Lande schleppte, oder die Völker selbst nach Jtalien kamen, wo sie ohnedies Neues suchten und gern auch das Christenthum mitnahmen. Welch’ ein zweifelhaftes, ja ohnmächtiges Geschenk ist das Christenthum, wenn ihm nicht die Civilisation zu Hilfe kommt! Was ist es, daß ein Wilder am Meeresstrand die Bibel küßt und, ohne sie lesen zu können, zur Noth ihren Jnhalt erfahren hat; was ist es, wenn Zehen, Zwanzig mit ihr auf gleiche Weise bearbeitet sind, und sich doch nirgends die Möglichkeit zeigt, hier auch jenen großen, welthistorischen Segnungen des Christenthums Raum zu schaffen, und namentlich in denen, die getauft sind, den Trieb der Weiterfortpflanzung ihrer Erkenntniß und das Märtyrthum zu erwecken! Diese Familie küßt ihre Bibel, erzählt sich
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