Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Wir haben schon oben gesagt, daß in unsrer Zeit das Gesetz durchaus keine allmächtige Superiorität mehr hat. Allen unsern Gesetzen mangelt das oberste Prinzip, mangelt die Einheit des Geistes, in welchem sie gegeben seyn sollten. Wir haben uns von den alten Sitten befreit und haben uns nicht gänzlich von den alten Gesetzen befreien können, und wo dies möglich war, wo eine Gesetzgebung wie aus einer neuen noch nicht abgenuzten Offenbarung geflossen ist, da hat sie sich des ganzen geistigen und sittlichen Lebens der Nation doch nicht mehr bemächtigen, sondern nur jenem allgemeinen Sittengesetze unterordnen können, welches viel gewaltiger ist, als der Geist, der in irgend einer Gesetzgebung herrschen konnte. Wir fühlen es bei unsrer Existenz, daß wir mit einem Wall von Gesetzen umgeben sind, die uns bei verbotenen Wegen sogleich entgegentreten. Allein es ist so leicht, diese Gesetze zu vermeiden, sie stehen in so großer Entfernung von der Lebensweise, die wir einmal verfolgen, sie sind für uns nur als Ausnahme von der Regel vorhanden. Jn den alten Gesetzgebungen lag etwas Ermunterndes, in den neuen liegt etwas Abschreckendes; jene waren positiv, diese sind negativ. Unsre neuen Gesetze sind ein Konglomerat von alter juristischer Dialektik und neuen Polizeivorschriften. Der kategorische Jmperativ, der in ihnen herrscht, trägt einen langen gelben Säbel, einen Dreimaster und einen rothen Kragen am Rock und ist zu sehen, wenn Wir haben schon oben gesagt, daß in unsrer Zeit das Gesetz durchaus keine allmächtige Superiorität mehr hat. Allen unsern Gesetzen mangelt das oberste Prinzip, mangelt die Einheit des Geistes, in welchem sie gegeben seyn sollten. Wir haben uns von den alten Sitten befreit und haben uns nicht gänzlich von den alten Gesetzen befreien können, und wo dies möglich war, wo eine Gesetzgebung wie aus einer neuen noch nicht abgenuzten Offenbarung geflossen ist, da hat sie sich des ganzen geistigen und sittlichen Lebens der Nation doch nicht mehr bemächtigen, sondern nur jenem allgemeinen Sittengesetze unterordnen können, welches viel gewaltiger ist, als der Geist, der in irgend einer Gesetzgebung herrschen konnte. Wir fühlen es bei unsrer Existenz, daß wir mit einem Wall von Gesetzen umgeben sind, die uns bei verbotenen Wegen sogleich entgegentreten. Allein es ist so leicht, diese Gesetze zu vermeiden, sie stehen in so großer Entfernung von der Lebensweise, die wir einmal verfolgen, sie sind für uns nur als Ausnahme von der Regel vorhanden. Jn den alten Gesetzgebungen lag etwas Ermunterndes, in den neuen liegt etwas Abschreckendes; jene waren positiv, diese sind negativ. Unsre neuen Gesetze sind ein Konglomerat von alter juristischer Dialektik und neuen Polizeivorschriften. Der kategorische Jmperativ, der in ihnen herrscht, trägt einen langen gelben Säbel, einen Dreimaster und einen rothen Kragen am Rock und ist zu sehen, wenn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0022" n="20"/> <p> Wir haben schon oben gesagt, daß in unsrer Zeit das Gesetz durchaus keine allmächtige Superiorität mehr hat. Allen unsern Gesetzen mangelt das oberste Prinzip, mangelt die Einheit des Geistes, in welchem sie gegeben seyn sollten. Wir haben uns von den alten Sitten befreit und haben uns nicht gänzlich von den alten Gesetzen befreien können, und wo dies möglich war, wo eine Gesetzgebung wie aus einer neuen noch nicht abgenuzten Offenbarung geflossen ist, da hat sie sich des ganzen geistigen und sittlichen Lebens der Nation doch nicht mehr bemächtigen, sondern nur jenem allgemeinen Sittengesetze unterordnen können, welches viel gewaltiger ist, als der Geist, der in irgend einer Gesetzgebung herrschen konnte. Wir fühlen es bei unsrer Existenz, daß wir mit einem Wall von Gesetzen umgeben sind, die uns bei verbotenen Wegen sogleich entgegentreten. Allein es ist so leicht, diese Gesetze zu vermeiden, sie stehen in so großer Entfernung von der Lebensweise, die wir einmal verfolgen, sie sind für uns nur als Ausnahme von der Regel vorhanden. Jn den alten Gesetzgebungen lag etwas Ermunterndes, in den neuen liegt etwas Abschreckendes; jene waren positiv, diese sind negativ. Unsre neuen Gesetze sind ein Konglomerat von alter juristischer Dialektik und neuen Polizeivorschriften. Der kategorische Jmperativ, der in ihnen herrscht, trägt einen langen gelben Säbel, einen Dreimaster und einen rothen Kragen am Rock und ist zu sehen, wenn </p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0022]
Wir haben schon oben gesagt, daß in unsrer Zeit das Gesetz durchaus keine allmächtige Superiorität mehr hat. Allen unsern Gesetzen mangelt das oberste Prinzip, mangelt die Einheit des Geistes, in welchem sie gegeben seyn sollten. Wir haben uns von den alten Sitten befreit und haben uns nicht gänzlich von den alten Gesetzen befreien können, und wo dies möglich war, wo eine Gesetzgebung wie aus einer neuen noch nicht abgenuzten Offenbarung geflossen ist, da hat sie sich des ganzen geistigen und sittlichen Lebens der Nation doch nicht mehr bemächtigen, sondern nur jenem allgemeinen Sittengesetze unterordnen können, welches viel gewaltiger ist, als der Geist, der in irgend einer Gesetzgebung herrschen konnte. Wir fühlen es bei unsrer Existenz, daß wir mit einem Wall von Gesetzen umgeben sind, die uns bei verbotenen Wegen sogleich entgegentreten. Allein es ist so leicht, diese Gesetze zu vermeiden, sie stehen in so großer Entfernung von der Lebensweise, die wir einmal verfolgen, sie sind für uns nur als Ausnahme von der Regel vorhanden. Jn den alten Gesetzgebungen lag etwas Ermunterndes, in den neuen liegt etwas Abschreckendes; jene waren positiv, diese sind negativ. Unsre neuen Gesetze sind ein Konglomerat von alter juristischer Dialektik und neuen Polizeivorschriften. Der kategorische Jmperativ, der in ihnen herrscht, trägt einen langen gelben Säbel, einen Dreimaster und einen rothen Kragen am Rock und ist zu sehen, wenn
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