Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Wer müßte es nicht anerkennen, daß die Zustände, in welchen wir leben und die beglückte Seite derselben ein Werk der Wissenschaften sind? Sie haben durch die tiefsinnigsten Erfindungen die Schwierigkeit der Existenz, welche auf der Menschheit lastet, erleichtert, sie gaben mit einigen mathematischen Linien auf dem Papiere Jdeen an, deren Verwirklichung tausenden von Arbeitern Verdienst schaffte. Sie haben dem Handel kürzere Wege des Verkehrs bezeichnet, ohne selbst die Meßelle in die Hand zu nehmen; sie haben das Verfahren der Technologie vereinfacht und die Kraft der Menschenhand verdoppelt; sie zauberten aus öden Landstrichen blühende Gärten und wußten mit dem Schöpfer zu wetteifern, indem sie das Fruchterträgniß der Gewächse vermehrten. Aber nicht bloß in dem, was unseres Leibes Nahrung und Nothdurft betrifft, bewährten sich die Wissenschaften, sondern auch unsere moralische Existenz wurde durch ihre rastlose Strebsamkeit verbessert. Sie trugen die Fackel der Aufklärung in die dumpffeuchten Höhlen der Vorurtheile, sie nahmen von dem Guten in der Tradition die Spinnenwebe fort, und dem Falschen entzogen sie das Postament, worauf es ruhte; sie sprangen dem Menschen gegen den Bürger, dem Bürger gegen den Staat bei; sie widerlegten zur Befreiung desselben die Märchen von Königen, die mit Zepter und Kronen essen, trinken und zu Bette gehen. Sie ließen die milde Sonnenwärme der Humanität auf die zu kaltem Eis Wer müßte es nicht anerkennen, daß die Zustände, in welchen wir leben und die beglückte Seite derselben ein Werk der Wissenschaften sind? Sie haben durch die tiefsinnigsten Erfindungen die Schwierigkeit der Existenz, welche auf der Menschheit lastet, erleichtert, sie gaben mit einigen mathematischen Linien auf dem Papiere Jdeen an, deren Verwirklichung tausenden von Arbeitern Verdienst schaffte. Sie haben dem Handel kürzere Wege des Verkehrs bezeichnet, ohne selbst die Meßelle in die Hand zu nehmen; sie haben das Verfahren der Technologie vereinfacht und die Kraft der Menschenhand verdoppelt; sie zauberten aus öden Landstrichen blühende Gärten und wußten mit dem Schöpfer zu wetteifern, indem sie das Fruchterträgniß der Gewächse vermehrten. Aber nicht bloß in dem, was unseres Leibes Nahrung und Nothdurft betrifft, bewährten sich die Wissenschaften, sondern auch unsere moralische Existenz wurde durch ihre rastlose Strebsamkeit verbessert. Sie trugen die Fackel der Aufklärung in die dumpffeuchten Höhlen der Vorurtheile, sie nahmen von dem Guten in der Tradition die Spinnenwebe fort, und dem Falschen entzogen sie das Postament, worauf es ruhte; sie sprangen dem Menschen gegen den Bürger, dem Bürger gegen den Staat bei; sie widerlegten zur Befreiung desselben die Märchen von Königen, die mit Zepter und Kronen essen, trinken und zu Bette gehen. Sie ließen die milde Sonnenwärme der Humanität auf die zu kaltem Eis <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0296" n="294"/> <p> Wer müßte es nicht anerkennen, daß die Zustände, in welchen wir leben und die beglückte Seite derselben ein Werk der Wissenschaften sind? Sie haben durch die tiefsinnigsten Erfindungen die Schwierigkeit der Existenz, welche auf der Menschheit lastet, erleichtert, sie gaben mit einigen mathematischen Linien auf dem Papiere Jdeen an, deren Verwirklichung tausenden von Arbeitern Verdienst schaffte. Sie haben dem Handel kürzere Wege des Verkehrs bezeichnet, ohne <hi rendition="#g">selbst</hi> die Meßelle in die Hand zu nehmen; sie haben das Verfahren der Technologie vereinfacht und die Kraft der Menschenhand verdoppelt; sie zauberten aus öden Landstrichen blühende Gärten und wußten mit dem Schöpfer zu wetteifern, indem sie das Fruchterträgniß der Gewächse vermehrten. Aber nicht bloß in dem, was unseres Leibes Nahrung und Nothdurft betrifft, bewährten sich die Wissenschaften, sondern auch unsere moralische Existenz wurde durch ihre rastlose Strebsamkeit verbessert. Sie trugen die Fackel der Aufklärung in die dumpffeuchten Höhlen der Vorurtheile, sie nahmen von dem Guten in der Tradition die Spinnenwebe fort, und dem Falschen entzogen sie das Postament, worauf es ruhte; sie sprangen dem Menschen gegen den Bürger, dem Bürger gegen den Staat bei; sie widerlegten zur Befreiung desselben die Märchen von Königen, die mit Zepter und Kronen essen, trinken und zu Bette gehen. Sie ließen die milde Sonnenwärme der Humanität auf die zu kaltem Eis </p> </div> </body> </text> </TEI> [294/0296]
Wer müßte es nicht anerkennen, daß die Zustände, in welchen wir leben und die beglückte Seite derselben ein Werk der Wissenschaften sind? Sie haben durch die tiefsinnigsten Erfindungen die Schwierigkeit der Existenz, welche auf der Menschheit lastet, erleichtert, sie gaben mit einigen mathematischen Linien auf dem Papiere Jdeen an, deren Verwirklichung tausenden von Arbeitern Verdienst schaffte. Sie haben dem Handel kürzere Wege des Verkehrs bezeichnet, ohne selbst die Meßelle in die Hand zu nehmen; sie haben das Verfahren der Technologie vereinfacht und die Kraft der Menschenhand verdoppelt; sie zauberten aus öden Landstrichen blühende Gärten und wußten mit dem Schöpfer zu wetteifern, indem sie das Fruchterträgniß der Gewächse vermehrten. Aber nicht bloß in dem, was unseres Leibes Nahrung und Nothdurft betrifft, bewährten sich die Wissenschaften, sondern auch unsere moralische Existenz wurde durch ihre rastlose Strebsamkeit verbessert. Sie trugen die Fackel der Aufklärung in die dumpffeuchten Höhlen der Vorurtheile, sie nahmen von dem Guten in der Tradition die Spinnenwebe fort, und dem Falschen entzogen sie das Postament, worauf es ruhte; sie sprangen dem Menschen gegen den Bürger, dem Bürger gegen den Staat bei; sie widerlegten zur Befreiung desselben die Märchen von Königen, die mit Zepter und Kronen essen, trinken und zu Bette gehen. Sie ließen die milde Sonnenwärme der Humanität auf die zu kaltem Eis
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