Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.sondern auch ihr Gegenstand, während, wenn sich jezt noch eine polemische Richtung findet, diese nicht mehr dem Jnhalt, sondern der Methode der Theologie gilt, indem diese beschuldigt wird, für jenen mangelhaft zu sorgen. Daß aus diesem Streite vielleicht eine vernünftigere Auffassung der historischen Begründung des Christenthums hervorgehen dürfte, haben wir schon oben bemerkt. Hier genüge die Angabe dieses denkwürdigen Faktums, daß die Philosophie auch in der Religion über das Gegebene sich nicht erhebt, sondern das Gepräge einer Neuerung nur in der etwas modifizirten Auffassung desselben liegt. Jn Betreff des Staates scheint die Philosophie parteiischer zu seyn, aber wenn man sie früher in den Reihen der Opposition fand, so findet man sie jezt gerade in denen, welche das Bestehende vertheidigen. Ein sprechendes Beispiel dieser Erscheinung haben wir in Frankreich. Die Doktrinärs sind ursprünglich Anhänger der schottischen Philosophie, welche hauptsächlich von Royer Collard auf französischen Boden verpflanzt wurde. Dem Jesuitismus gegenüber war die Doktrine ein heftiger Widerspruch; in jener Kammer, die Manuel von ihren Sitzungen ausschloß, konnte man die Doktrine leicht für jakobinisch erklären und der ihr zu Grunde liegenden Philosophie dieselbe Richtung zuschreiben, welche die politische Philosophie des vorigen Jahrhunderts hatte. Allein jezt hat sich dies Verhältniß umgekehrt. Die Doktrinärs sondern auch ihr Gegenstand, während, wenn sich jezt noch eine polemische Richtung findet, diese nicht mehr dem Jnhalt, sondern der Methode der Theologie gilt, indem diese beschuldigt wird, für jenen mangelhaft zu sorgen. Daß aus diesem Streite vielleicht eine vernünftigere Auffassung der historischen Begründung des Christenthums hervorgehen dürfte, haben wir schon oben bemerkt. Hier genüge die Angabe dieses denkwürdigen Faktums, daß die Philosophie auch in der Religion über das Gegebene sich nicht erhebt, sondern das Gepräge einer Neuerung nur in der etwas modifizirten Auffassung desselben liegt. Jn Betreff des Staates scheint die Philosophie parteiischer zu seyn, aber wenn man sie früher in den Reihen der Opposition fand, so findet man sie jezt gerade in denen, welche das Bestehende vertheidigen. Ein sprechendes Beispiel dieser Erscheinung haben wir in Frankreich. Die Doktrinärs sind ursprünglich Anhänger der schottischen Philosophie, welche hauptsächlich von Royer Collard auf französischen Boden verpflanzt wurde. Dem Jesuitismus gegenüber war die Doktrine ein heftiger Widerspruch; in jener Kammer, die Manuel von ihren Sitzungen ausschloß, konnte man die Doktrine leicht für jakobinisch erklären und der ihr zu Grunde liegenden Philosophie dieselbe Richtung zuschreiben, welche die politische Philosophie des vorigen Jahrhunderts hatte. Allein jezt hat sich dies Verhältniß umgekehrt. Die Doktrinärs <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0364" n="362"/> sondern auch ihr Gegenstand, während, wenn sich jezt noch eine polemische Richtung findet, diese nicht mehr dem Jnhalt, sondern der Methode der Theologie gilt, indem diese beschuldigt wird, für jenen mangelhaft zu sorgen. Daß aus diesem Streite vielleicht eine vernünftigere Auffassung der historischen Begründung des Christenthums hervorgehen dürfte, haben wir schon oben bemerkt. Hier genüge die Angabe dieses denkwürdigen Faktums, daß die Philosophie auch in der Religion über das Gegebene sich nicht erhebt, sondern das Gepräge einer Neuerung nur in der etwas modifizirten Auffassung desselben liegt.</p> <p>Jn Betreff des Staates scheint die Philosophie parteiischer zu seyn, aber wenn man sie früher in den Reihen der Opposition fand, so findet man sie jezt gerade in denen, welche das Bestehende vertheidigen. Ein sprechendes Beispiel dieser Erscheinung haben wir in Frankreich. Die Doktrinärs sind ursprünglich Anhänger der schottischen Philosophie, welche hauptsächlich von <hi rendition="#g">Royer Collard</hi> auf französischen Boden verpflanzt wurde. Dem Jesuitismus gegenüber war die Doktrine ein heftiger Widerspruch; in jener Kammer, die <hi rendition="#g">Manuel</hi> von ihren Sitzungen ausschloß, konnte man die Doktrine leicht für jakobinisch erklären und der ihr zu Grunde liegenden Philosophie dieselbe Richtung zuschreiben, welche die politische Philosophie des vorigen Jahrhunderts hatte. Allein jezt hat sich dies Verhältniß umgekehrt. Die Doktrinärs </p> </div> </body> </text> </TEI> [362/0364]
sondern auch ihr Gegenstand, während, wenn sich jezt noch eine polemische Richtung findet, diese nicht mehr dem Jnhalt, sondern der Methode der Theologie gilt, indem diese beschuldigt wird, für jenen mangelhaft zu sorgen. Daß aus diesem Streite vielleicht eine vernünftigere Auffassung der historischen Begründung des Christenthums hervorgehen dürfte, haben wir schon oben bemerkt. Hier genüge die Angabe dieses denkwürdigen Faktums, daß die Philosophie auch in der Religion über das Gegebene sich nicht erhebt, sondern das Gepräge einer Neuerung nur in der etwas modifizirten Auffassung desselben liegt.
Jn Betreff des Staates scheint die Philosophie parteiischer zu seyn, aber wenn man sie früher in den Reihen der Opposition fand, so findet man sie jezt gerade in denen, welche das Bestehende vertheidigen. Ein sprechendes Beispiel dieser Erscheinung haben wir in Frankreich. Die Doktrinärs sind ursprünglich Anhänger der schottischen Philosophie, welche hauptsächlich von Royer Collard auf französischen Boden verpflanzt wurde. Dem Jesuitismus gegenüber war die Doktrine ein heftiger Widerspruch; in jener Kammer, die Manuel von ihren Sitzungen ausschloß, konnte man die Doktrine leicht für jakobinisch erklären und der ihr zu Grunde liegenden Philosophie dieselbe Richtung zuschreiben, welche die politische Philosophie des vorigen Jahrhunderts hatte. Allein jezt hat sich dies Verhältniß umgekehrt. Die Doktrinärs
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |