Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.gemacht. Man las es um so lieber, als der Ton desselben von allem Priapismus frei war und man auf jeder Seite einen für das Wohl der Menschheit begeisterten Gelehrten wahrnahm. Die Lüsternheit hatte bei der Lektüre dieses Werkes einen guten Vorwand. Der Verfasser verfolgt das Sittenverderbniß der beiden Geschlechter (denn warum die Männer ausnehmen!) bis in die schmutzigsten Winkel, bis in die Kloaken der Moral, in die Kranken- und die Zuchthäuser. Die Farben, welche auf diesem Gemälde besonders grell hervorstechen, sind immer jene schmutziggelben Tinten, mit welchen unsre Coloristen in neuerer Zeit den Schmutz der italiänischen Winkelhäuser und ganzer italiänischer Städte so meisterhaft getroffen haben. Wo man in dem Buche hinblickt, gewahrt man das Laster, bald im Kampfe mit der Polizei, bald im Kampfe mit der eigenen weiblichen Natur, mitunter wohl auch mit einem bessern Gefühle, das bei Geschöpfen dieser Art nicht ganz zu Grunde geht. Allein, enthält es wohl mehr, als kaum die Hälfte des Lasters, trotz aller darin gelieferten statistischen Notizen! Es zeigt uns weit mehr die bloße Versumpfung der untersten Regionen dieses Gegenstandes, das ausgesprochene und eingeschriebene Handwerk; und läßt noch ein großes Feld der Betrachtungen zurück über den Dilettantismus in der Prostitution und namentlich über die höhern Regionen derselben, die der Verfasser schonen zu wollen scheint. gemacht. Man las es um so lieber, als der Ton desselben von allem Priapismus frei war und man auf jeder Seite einen für das Wohl der Menschheit begeisterten Gelehrten wahrnahm. Die Lüsternheit hatte bei der Lektüre dieses Werkes einen guten Vorwand. Der Verfasser verfolgt das Sittenverderbniß der beiden Geschlechter (denn warum die Männer ausnehmen!) bis in die schmutzigsten Winkel, bis in die Kloaken der Moral, in die Kranken- und die Zuchthäuser. Die Farben, welche auf diesem Gemälde besonders grell hervorstechen, sind immer jene schmutziggelben Tinten, mit welchen unsre Coloristen in neuerer Zeit den Schmutz der italiänischen Winkelhäuser und ganzer italiänischer Städte so meisterhaft getroffen haben. Wo man in dem Buche hinblickt, gewahrt man das Laster, bald im Kampfe mit der Polizei, bald im Kampfe mit der eigenen weiblichen Natur, mitunter wohl auch mit einem bessern Gefühle, das bei Geschöpfen dieser Art nicht ganz zu Grunde geht. Allein, enthält es wohl mehr, als kaum die Hälfte des Lasters, trotz aller darin gelieferten statistischen Notizen! Es zeigt uns weit mehr die bloße Versumpfung der untersten Regionen dieses Gegenstandes, das ausgesprochene und eingeschriebene Handwerk; und läßt noch ein großes Feld der Betrachtungen zurück über den Dilettantismus in der Prostitution und namentlich über die höhern Regionen derselben, die der Verfasser schonen zu wollen scheint. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0052" n="50"/> gemacht. Man las es um so lieber, als der Ton desselben von allem Priapismus frei war und man auf jeder Seite einen für das Wohl der Menschheit begeisterten Gelehrten wahrnahm. Die Lüsternheit hatte bei der Lektüre dieses Werkes einen guten Vorwand. Der Verfasser verfolgt das Sittenverderbniß der beiden Geschlechter (denn warum die Männer ausnehmen!) bis in die schmutzigsten Winkel, bis in die Kloaken der Moral, in die Kranken- und die Zuchthäuser. Die Farben, welche auf diesem Gemälde besonders grell hervorstechen, sind immer jene schmutziggelben Tinten, mit welchen unsre Coloristen in neuerer Zeit den Schmutz der italiänischen Winkelhäuser und ganzer italiänischer Städte so meisterhaft getroffen haben. Wo man in dem Buche hinblickt, gewahrt man das Laster, bald im Kampfe mit der Polizei, bald im Kampfe mit der eigenen weiblichen Natur, mitunter wohl auch mit einem bessern Gefühle, das bei Geschöpfen dieser Art nicht ganz zu Grunde geht. Allein, enthält es wohl mehr, als kaum die Hälfte des Lasters, trotz aller darin gelieferten statistischen Notizen! Es zeigt uns weit mehr die bloße Versumpfung der untersten Regionen dieses Gegenstandes, das ausgesprochene und eingeschriebene Handwerk; und läßt noch ein großes Feld der Betrachtungen zurück über den Dilettantismus in der Prostitution und namentlich über die höhern Regionen derselben, die der Verfasser schonen zu wollen scheint.</p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0052]
gemacht. Man las es um so lieber, als der Ton desselben von allem Priapismus frei war und man auf jeder Seite einen für das Wohl der Menschheit begeisterten Gelehrten wahrnahm. Die Lüsternheit hatte bei der Lektüre dieses Werkes einen guten Vorwand. Der Verfasser verfolgt das Sittenverderbniß der beiden Geschlechter (denn warum die Männer ausnehmen!) bis in die schmutzigsten Winkel, bis in die Kloaken der Moral, in die Kranken- und die Zuchthäuser. Die Farben, welche auf diesem Gemälde besonders grell hervorstechen, sind immer jene schmutziggelben Tinten, mit welchen unsre Coloristen in neuerer Zeit den Schmutz der italiänischen Winkelhäuser und ganzer italiänischer Städte so meisterhaft getroffen haben. Wo man in dem Buche hinblickt, gewahrt man das Laster, bald im Kampfe mit der Polizei, bald im Kampfe mit der eigenen weiblichen Natur, mitunter wohl auch mit einem bessern Gefühle, das bei Geschöpfen dieser Art nicht ganz zu Grunde geht. Allein, enthält es wohl mehr, als kaum die Hälfte des Lasters, trotz aller darin gelieferten statistischen Notizen! Es zeigt uns weit mehr die bloße Versumpfung der untersten Regionen dieses Gegenstandes, das ausgesprochene und eingeschriebene Handwerk; und läßt noch ein großes Feld der Betrachtungen zurück über den Dilettantismus in der Prostitution und namentlich über die höhern Regionen derselben, die der Verfasser schonen zu wollen scheint.
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