Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Niemanden mehr verschonen. Nur darüber kann noch die Frage seyn: wie verhindert man den Zudrang der Weiber zu diesem ehrlosen Stande? wie gleicht man das Bedürfniß mit dem Ueberflusse aus, welcher allerdings in den weiblichen Verlockungen herrscht? Schon die Alten mögen hierüber nachgedacht haben. Wenigstens findet man, daß sie gefallenen Geschöpfen, die keine Reue zeigen, ihr bürgerliches Recht entziehen. Dies mag für das Alterthum Sinn gehabt haben; doch klingt es lächerlich, wenn der Verfasser des obigen Buches räth, bei uns dieselbe Verfahrungsweise einzuführen. Er sagt, die Römer hätten Geschöpfe der besprochenen Art mit der Entziehung des Rechtes, ein Testament zu machen, bestraft, und fügt hinzu, dergleichen Folgen müßte auch bei uns das sittliche Verbrechen an sich selbst haben. Sie sollen kein Testament machen? Großer Gott, die Strafe ist gelind. Sie kommen gar nicht in die Lage, eines machen zu können, da sie wenig mehr, als Schulden hinterlassen. Oder wenn sie auch in späteren Jahren zurückkehrten zur sittlichen, wenigstens anständigen Gesellschaft, und eine Entziehung bürgerlicher Rechte dann hinlänglich fühlen dürften; werden sie in ihren jungen Tagen darüber nachdenken, was ihnen in alten, ja, was das Testament betrifft, was ihnen im Tode begegnen dürfte? Palliative dieser Art wirken nicht. Man hat das äußere Zeichen einer bestimmten Tracht vorgeschlagen, wie in alten Zeiten dies Sitte Niemanden mehr verschonen. Nur darüber kann noch die Frage seyn: wie verhindert man den Zudrang der Weiber zu diesem ehrlosen Stande? wie gleicht man das Bedürfniß mit dem Ueberflusse aus, welcher allerdings in den weiblichen Verlockungen herrscht? Schon die Alten mögen hierüber nachgedacht haben. Wenigstens findet man, daß sie gefallenen Geschöpfen, die keine Reue zeigen, ihr bürgerliches Recht entziehen. Dies mag für das Alterthum Sinn gehabt haben; doch klingt es lächerlich, wenn der Verfasser des obigen Buches räth, bei uns dieselbe Verfahrungsweise einzuführen. Er sagt, die Römer hätten Geschöpfe der besprochenen Art mit der Entziehung des Rechtes, ein Testament zu machen, bestraft, und fügt hinzu, dergleichen Folgen müßte auch bei uns das sittliche Verbrechen an sich selbst haben. Sie sollen kein Testament machen? Großer Gott, die Strafe ist gelind. Sie kommen gar nicht in die Lage, eines machen zu können, da sie wenig mehr, als Schulden hinterlassen. Oder wenn sie auch in späteren Jahren zurückkehrten zur sittlichen, wenigstens anständigen Gesellschaft, und eine Entziehung bürgerlicher Rechte dann hinlänglich fühlen dürften; werden sie in ihren jungen Tagen darüber nachdenken, was ihnen in alten, ja, was das Testament betrifft, was ihnen im Tode begegnen dürfte? Palliative dieser Art wirken nicht. Man hat das äußere Zeichen einer bestimmten Tracht vorgeschlagen, wie in alten Zeiten dies Sitte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056" n="54"/> Niemanden mehr verschonen. Nur darüber kann noch die Frage seyn: wie verhindert man den Zudrang der Weiber zu diesem ehrlosen Stande? wie gleicht man das Bedürfniß mit dem Ueberflusse aus, welcher allerdings in den weiblichen Verlockungen herrscht?</p> <p>Schon die Alten mögen hierüber nachgedacht haben. Wenigstens findet man, daß sie gefallenen Geschöpfen, die keine Reue zeigen, ihr bürgerliches Recht entziehen. Dies mag für das Alterthum Sinn gehabt haben; doch klingt es lächerlich, wenn der Verfasser des obigen Buches räth, bei uns dieselbe Verfahrungsweise einzuführen. Er sagt, die Römer hätten Geschöpfe der besprochenen Art mit der Entziehung des Rechtes, ein Testament zu machen, bestraft, und fügt hinzu, dergleichen Folgen müßte auch bei uns das sittliche Verbrechen an sich selbst haben. Sie sollen kein Testament machen? Großer Gott, die Strafe ist gelind. Sie kommen gar nicht in die Lage, eines machen zu können, da sie wenig mehr, als Schulden hinterlassen. Oder wenn sie auch in späteren Jahren zurückkehrten zur sittlichen, wenigstens anständigen Gesellschaft, und eine Entziehung bürgerlicher Rechte dann hinlänglich fühlen dürften; werden sie in ihren jungen Tagen darüber nachdenken, was ihnen in alten, ja, was das Testament betrifft, was ihnen im Tode begegnen dürfte? Palliative dieser Art wirken nicht. Man hat das äußere Zeichen einer bestimmten Tracht vorgeschlagen, wie in alten Zeiten dies Sitte </p> </div> </body> </text> </TEI> [54/0056]
Niemanden mehr verschonen. Nur darüber kann noch die Frage seyn: wie verhindert man den Zudrang der Weiber zu diesem ehrlosen Stande? wie gleicht man das Bedürfniß mit dem Ueberflusse aus, welcher allerdings in den weiblichen Verlockungen herrscht?
Schon die Alten mögen hierüber nachgedacht haben. Wenigstens findet man, daß sie gefallenen Geschöpfen, die keine Reue zeigen, ihr bürgerliches Recht entziehen. Dies mag für das Alterthum Sinn gehabt haben; doch klingt es lächerlich, wenn der Verfasser des obigen Buches räth, bei uns dieselbe Verfahrungsweise einzuführen. Er sagt, die Römer hätten Geschöpfe der besprochenen Art mit der Entziehung des Rechtes, ein Testament zu machen, bestraft, und fügt hinzu, dergleichen Folgen müßte auch bei uns das sittliche Verbrechen an sich selbst haben. Sie sollen kein Testament machen? Großer Gott, die Strafe ist gelind. Sie kommen gar nicht in die Lage, eines machen zu können, da sie wenig mehr, als Schulden hinterlassen. Oder wenn sie auch in späteren Jahren zurückkehrten zur sittlichen, wenigstens anständigen Gesellschaft, und eine Entziehung bürgerlicher Rechte dann hinlänglich fühlen dürften; werden sie in ihren jungen Tagen darüber nachdenken, was ihnen in alten, ja, was das Testament betrifft, was ihnen im Tode begegnen dürfte? Palliative dieser Art wirken nicht. Man hat das äußere Zeichen einer bestimmten Tracht vorgeschlagen, wie in alten Zeiten dies Sitte
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/56>, abgerufen am 16.02.2025. |