Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.einen Bau zu zahlen, worin euch das Verbrechen vom Hunger befreit. Das sind die Philanthropen!" "Bei alle dem haben sie die öffentliche Meinung für sich, die Akademien bekrönen sie. Thoren, die wir sind, die wir immer einen Zeitvertreib, ein Spiel haben müssen! Während der Restauration waren es die Griechen; die Subscription für dieselben würde mehr als tausend Dörfer Frankreichs, die vor Hunger schmachteten, beschäftigt haben. Seit der Revolution von 1830 waren es die Polen, wir nahmen den innigsten Antheil an Litthauen und kümmerten uns nicht um Bretagne, Auvergne, Landes, die weit mehr zu beklagen sind und uns weit mehr angehen. Nach den Polen waren es die Sklaven; jezt sind es die Diebe. Wann endlich kommen die Handwerker und Armen an die Reihe! Sicher, es ist an der Zeit." Bis hieher der Sophist. Mit solchen Trugschlüssen will man die edelsten Bestrebungen einschüchtern. Die indifferente Menge lacht über die dialektischen Fußangeln, in welchen sich die Humanität verfängt, über den Witz und Geist, welchen man dieser um so mehr sich ausdehnenden Schule nicht absprechen kann, als wir die Philanthropie und den Liberalismus nicht immer von den ausgezeichnetsten Geistesgaben unterstüzt sehen. Selten, daß der Herzensgüte und der adeligen Gesinnung auch zugleich ein feiner und scharfsinniger Geist zugesellt ist. Die Tugend steht ohne Schutz da und wird vor der Frivolität des lasterhaften einen Bau zu zahlen, worin euch das Verbrechen vom Hunger befreit. Das sind die Philanthropen!“ "Bei alle dem haben sie die öffentliche Meinung für sich, die Akademien bekrönen sie. Thoren, die wir sind, die wir immer einen Zeitvertreib, ein Spiel haben müssen! Während der Restauration waren es die Griechen; die Subscription für dieselben würde mehr als tausend Dörfer Frankreichs, die vor Hunger schmachteten, beschäftigt haben. Seit der Revolution von 1830 waren es die Polen, wir nahmen den innigsten Antheil an Litthauen und kümmerten uns nicht um Bretagne, Auvergne, Landes, die weit mehr zu beklagen sind und uns weit mehr angehen. Nach den Polen waren es die Sklaven; jezt sind es die Diebe. Wann endlich kommen die Handwerker und Armen an die Reihe! Sicher, es ist an der Zeit.“ Bis hieher der Sophist. Mit solchen Trugschlüssen will man die edelsten Bestrebungen einschüchtern. Die indifferente Menge lacht über die dialektischen Fußangeln, in welchen sich die Humanität verfängt, über den Witz und Geist, welchen man dieser um so mehr sich ausdehnenden Schule nicht absprechen kann, als wir die Philanthropie und den Liberalismus nicht immer von den ausgezeichnetsten Geistesgaben unterstüzt sehen. Selten, daß der Herzensgüte und der adeligen Gesinnung auch zugleich ein feiner und scharfsinniger Geist zugesellt ist. Die Tugend steht ohne Schutz da und wird vor der Frivolität des lasterhaften <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="76"/> einen Bau zu zahlen, worin euch das Verbrechen vom Hunger befreit. Das sind die Philanthropen!“</p> <p>"Bei alle dem haben sie die öffentliche Meinung für sich, die Akademien bekrönen sie. Thoren, die wir sind, die wir immer einen Zeitvertreib, ein Spiel haben müssen! Während der Restauration waren es die Griechen; die Subscription für dieselben würde mehr als tausend Dörfer Frankreichs, die vor Hunger schmachteten, beschäftigt haben. Seit der Revolution von 1830 waren es die Polen, wir nahmen den innigsten Antheil an Litthauen und kümmerten uns nicht um Bretagne, Auvergne, Landes, die weit mehr zu beklagen sind und uns weit mehr angehen. Nach den Polen waren es die Sklaven; jezt sind es die Diebe. Wann endlich kommen die Handwerker und Armen an die Reihe! Sicher, es ist an der Zeit.“</p> <p>Bis hieher der Sophist. Mit solchen Trugschlüssen will man die edelsten Bestrebungen einschüchtern. Die indifferente Menge lacht über die dialektischen Fußangeln, in welchen sich die Humanität verfängt, über den Witz und Geist, welchen man dieser um so mehr sich ausdehnenden Schule nicht absprechen kann, als wir die Philanthropie und den Liberalismus nicht immer von den ausgezeichnetsten Geistesgaben unterstüzt sehen. Selten, daß der Herzensgüte und der adeligen Gesinnung auch zugleich ein feiner und scharfsinniger Geist zugesellt ist. Die Tugend steht ohne Schutz da und wird vor der Frivolität des lasterhaften </p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0078]
einen Bau zu zahlen, worin euch das Verbrechen vom Hunger befreit. Das sind die Philanthropen!“
"Bei alle dem haben sie die öffentliche Meinung für sich, die Akademien bekrönen sie. Thoren, die wir sind, die wir immer einen Zeitvertreib, ein Spiel haben müssen! Während der Restauration waren es die Griechen; die Subscription für dieselben würde mehr als tausend Dörfer Frankreichs, die vor Hunger schmachteten, beschäftigt haben. Seit der Revolution von 1830 waren es die Polen, wir nahmen den innigsten Antheil an Litthauen und kümmerten uns nicht um Bretagne, Auvergne, Landes, die weit mehr zu beklagen sind und uns weit mehr angehen. Nach den Polen waren es die Sklaven; jezt sind es die Diebe. Wann endlich kommen die Handwerker und Armen an die Reihe! Sicher, es ist an der Zeit.“
Bis hieher der Sophist. Mit solchen Trugschlüssen will man die edelsten Bestrebungen einschüchtern. Die indifferente Menge lacht über die dialektischen Fußangeln, in welchen sich die Humanität verfängt, über den Witz und Geist, welchen man dieser um so mehr sich ausdehnenden Schule nicht absprechen kann, als wir die Philanthropie und den Liberalismus nicht immer von den ausgezeichnetsten Geistesgaben unterstüzt sehen. Selten, daß der Herzensgüte und der adeligen Gesinnung auch zugleich ein feiner und scharfsinniger Geist zugesellt ist. Die Tugend steht ohne Schutz da und wird vor der Frivolität des lasterhaften
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/78>, abgerufen am 16.02.2025. |