Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Verbrechen. Wir wissen, daß unsre philanthropischen Bemühungen zur Verbesserung der Gefängnisse und ihrer Bewohner, zur Rettung ihrer Angehörigen und wenigstens zum Schutze der Verbrecher vor gänzlicher Verwilderung, nur die Heilungsanwendung auf ein Symptom der Krankheiten des gesellschaftlichen Körpers ist; allein, sagt uns den Sitz des Uebels; nennt uns, wenn ihr ihn zeigen könnt, die Mittel, ihm beizukommen; nennt uns die Mittel, um in mechanischen Zeiten organische Versuche mit den Menschen anzustellen! Utopien liegt bei denen, welche darüber lachen, daß wir kaum ein Viertel der Erfolge erringen, nach denen wir uns sehnen; lachen, daß wir einen Sumpf durch frisches Wasser, das wir hineintragen, wenigstens etwas zu reinigen vermögen wollen. Traurig genug, daß die Gesellschaft erst dann den Reformen zugänglich ist, wenn ihre Mitglieder bereits den Gesetzen verfallen sind. Man muß es England nachsagen, daß es unfähig ist, aus seinem Schooße Sophismen, wie die hier widerlegten, zu gebären. Nur Länder, die nie eine wahre Freiheit genossen haben, Frankreich und Deutschland, scheinen bestimmt zu seyn, solche Grillen, die nur aus stickiger Luft entstehen oder aus einem unverantwortlichen Hange zum Servilismus, zu fangen. Jn der Nacht den Mond zu haben und ihn anzubellen, daß es nicht die Sonne ist; sein Besitzthum gering zu schätzen gegen das, was man erwerben Verbrechen. Wir wissen, daß unsre philanthropischen Bemühungen zur Verbesserung der Gefängnisse und ihrer Bewohner, zur Rettung ihrer Angehörigen und wenigstens zum Schutze der Verbrecher vor gänzlicher Verwilderung, nur die Heilungsanwendung auf ein Symptom der Krankheiten des gesellschaftlichen Körpers ist; allein, sagt uns den Sitz des Uebels; nennt uns, wenn ihr ihn zeigen könnt, die Mittel, ihm beizukommen; nennt uns die Mittel, um in mechanischen Zeiten organische Versuche mit den Menschen anzustellen! Utopien liegt bei denen, welche darüber lachen, daß wir kaum ein Viertel der Erfolge erringen, nach denen wir uns sehnen; lachen, daß wir einen Sumpf durch frisches Wasser, das wir hineintragen, wenigstens etwas zu reinigen vermögen wollen. Traurig genug, daß die Gesellschaft erst dann den Reformen zugänglich ist, wenn ihre Mitglieder bereits den Gesetzen verfallen sind. Man muß es England nachsagen, daß es unfähig ist, aus seinem Schooße Sophismen, wie die hier widerlegten, zu gebären. Nur Länder, die nie eine wahre Freiheit genossen haben, Frankreich und Deutschland, scheinen bestimmt zu seyn, solche Grillen, die nur aus stickiger Luft entstehen oder aus einem unverantwortlichen Hange zum Servilismus, zu fangen. Jn der Nacht den Mond zu haben und ihn anzubellen, daß es nicht die Sonne ist; sein Besitzthum gering zu schätzen gegen das, was man erwerben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0083" n="81"/> Verbrechen. Wir wissen, daß unsre philanthropischen Bemühungen zur Verbesserung der Gefängnisse und ihrer Bewohner, zur Rettung ihrer Angehörigen und wenigstens zum Schutze der Verbrecher vor gänzlicher Verwilderung, nur die Heilungsanwendung auf ein <hi rendition="#g">Symptom</hi> der Krankheiten des gesellschaftlichen Körpers ist; allein, sagt uns den Sitz des Uebels; nennt uns, wenn ihr ihn zeigen könnt, die Mittel, ihm beizukommen; nennt uns die Mittel, um in mechanischen Zeiten organische Versuche mit den Menschen anzustellen! <hi rendition="#g">Utopien</hi> liegt bei denen, welche darüber lachen, daß wir kaum ein Viertel der Erfolge erringen, nach denen wir uns sehnen; lachen, daß wir einen Sumpf durch frisches Wasser, das wir hineintragen, wenigstens etwas zu reinigen vermögen wollen. Traurig genug, daß die Gesellschaft erst dann den Reformen zugänglich ist, wenn ihre Mitglieder bereits den Gesetzen verfallen sind.</p> <p>Man muß es England nachsagen, daß es unfähig ist, aus seinem Schooße Sophismen, wie die hier widerlegten, zu gebären. Nur Länder, die nie eine <hi rendition="#g">wahre</hi> Freiheit genossen haben, Frankreich und Deutschland, scheinen bestimmt zu seyn, solche Grillen, die nur aus stickiger Luft entstehen oder aus einem unverantwortlichen Hange zum Servilismus, zu fangen. Jn der Nacht den Mond zu haben und ihn anzubellen, daß es nicht die Sonne ist; sein Besitzthum gering zu schätzen gegen das, was man erwerben </p> </div> </body> </text> </TEI> [81/0083]
Verbrechen. Wir wissen, daß unsre philanthropischen Bemühungen zur Verbesserung der Gefängnisse und ihrer Bewohner, zur Rettung ihrer Angehörigen und wenigstens zum Schutze der Verbrecher vor gänzlicher Verwilderung, nur die Heilungsanwendung auf ein Symptom der Krankheiten des gesellschaftlichen Körpers ist; allein, sagt uns den Sitz des Uebels; nennt uns, wenn ihr ihn zeigen könnt, die Mittel, ihm beizukommen; nennt uns die Mittel, um in mechanischen Zeiten organische Versuche mit den Menschen anzustellen! Utopien liegt bei denen, welche darüber lachen, daß wir kaum ein Viertel der Erfolge erringen, nach denen wir uns sehnen; lachen, daß wir einen Sumpf durch frisches Wasser, das wir hineintragen, wenigstens etwas zu reinigen vermögen wollen. Traurig genug, daß die Gesellschaft erst dann den Reformen zugänglich ist, wenn ihre Mitglieder bereits den Gesetzen verfallen sind.
Man muß es England nachsagen, daß es unfähig ist, aus seinem Schooße Sophismen, wie die hier widerlegten, zu gebären. Nur Länder, die nie eine wahre Freiheit genossen haben, Frankreich und Deutschland, scheinen bestimmt zu seyn, solche Grillen, die nur aus stickiger Luft entstehen oder aus einem unverantwortlichen Hange zum Servilismus, zu fangen. Jn der Nacht den Mond zu haben und ihn anzubellen, daß es nicht die Sonne ist; sein Besitzthum gering zu schätzen gegen das, was man erwerben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/83 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/83>, abgerufen am 16.07.2024. |