Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.man vor sich, dann an der Seite, dann blieben sie weit zurück. In den Reisfeldern rauschte es geheimnißvoll, die scharfen Blätter an dem schlanken Stengeln schliff der Abendwind gegeneinander, daß es eigenthümlich flüsterte, und dazwischen summten und surrten Tausende von Insekten, die sich auf dem jungen Reis wiegten, oder den nassen Grund, aus welchem er emporwuchs, umschwärmten. Als der Reisende Lodi passiert hatte, senkte sich der Abend auf die Erde, thauig und frisch, er umsing Häuser und Felder, und die brennende Erde, liebeglühend, ließ geduldig den süßen, befruchtenden Kuß des heimlich Geliebten, der sich schweigend an ihren Busen schmiegte, als sich das strenge, wachsame Sonnenauge geschlossen; und heute feierten die beiden Liebenden eine herrlich duftige Brautnacht, aus vielen, vielen Kirchlein und Kapellen läuteten die Glocken das Ave Maria, im Grase glänzte der Nachtthau wie Tausende von Brillanten und warf zurück das zitternde, schimmernde Licht unzähliger Sterne. Dazu dufteten die Blumen und das frische Heu auf den Feldern; ein wollüstiger Hauch ging durch die ganze Natur, und Niemand fühlte das besser, als die zahlreichen Nachtigallen in den Gebüschen am Wege, welche die entzückendsten, zartesten Brautlieder sangen. Um diesen herrlichen Gesang zu hören, muß man in einer warmen Frühlingsnacht durch die gesegneten Fluren der Lombardei fahren. Die Felder mit Bächen man vor sich, dann an der Seite, dann blieben sie weit zurück. In den Reisfeldern rauschte es geheimnißvoll, die scharfen Blätter an dem schlanken Stengeln schliff der Abendwind gegeneinander, daß es eigenthümlich flüsterte, und dazwischen summten und surrten Tausende von Insekten, die sich auf dem jungen Reis wiegten, oder den nassen Grund, aus welchem er emporwuchs, umschwärmten. Als der Reisende Lodi passiert hatte, senkte sich der Abend auf die Erde, thauig und frisch, er umsing Häuser und Felder, und die brennende Erde, liebeglühend, ließ geduldig den süßen, befruchtenden Kuß des heimlich Geliebten, der sich schweigend an ihren Busen schmiegte, als sich das strenge, wachsame Sonnenauge geschlossen; und heute feierten die beiden Liebenden eine herrlich duftige Brautnacht, aus vielen, vielen Kirchlein und Kapellen läuteten die Glocken das Ave Maria, im Grase glänzte der Nachtthau wie Tausende von Brillanten und warf zurück das zitternde, schimmernde Licht unzähliger Sterne. Dazu dufteten die Blumen und das frische Heu auf den Feldern; ein wollüstiger Hauch ging durch die ganze Natur, und Niemand fühlte das besser, als die zahlreichen Nachtigallen in den Gebüschen am Wege, welche die entzückendsten, zartesten Brautlieder sangen. Um diesen herrlichen Gesang zu hören, muß man in einer warmen Frühlingsnacht durch die gesegneten Fluren der Lombardei fahren. Die Felder mit Bächen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0016"/> man vor sich, dann an der Seite, dann blieben sie weit zurück. In den Reisfeldern rauschte es geheimnißvoll, die scharfen Blätter an dem schlanken Stengeln schliff der Abendwind gegeneinander, daß es eigenthümlich flüsterte, und dazwischen summten und surrten Tausende von Insekten, die sich auf dem jungen Reis wiegten, oder den nassen Grund, aus welchem er emporwuchs, umschwärmten.</p><lb/> <p>Als der Reisende Lodi passiert hatte, senkte sich der Abend auf die Erde, thauig und frisch, er umsing Häuser und Felder, und die brennende Erde, liebeglühend, ließ geduldig den süßen, befruchtenden Kuß des heimlich Geliebten, der sich schweigend an ihren Busen schmiegte, als sich das strenge, wachsame Sonnenauge geschlossen; und heute feierten die beiden Liebenden eine herrlich duftige Brautnacht, aus vielen, vielen Kirchlein und Kapellen läuteten die Glocken das Ave Maria, im Grase glänzte der Nachtthau wie Tausende von Brillanten und warf zurück das zitternde, schimmernde Licht unzähliger Sterne. Dazu dufteten die Blumen und das frische Heu auf den Feldern; ein wollüstiger Hauch ging durch die ganze Natur, und Niemand fühlte das besser, als die zahlreichen Nachtigallen in den Gebüschen am Wege, welche die entzückendsten, zartesten Brautlieder sangen.</p><lb/> <p>Um diesen herrlichen Gesang zu hören, muß man in einer warmen Frühlingsnacht durch die gesegneten Fluren der Lombardei fahren. Die Felder mit Bächen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
man vor sich, dann an der Seite, dann blieben sie weit zurück. In den Reisfeldern rauschte es geheimnißvoll, die scharfen Blätter an dem schlanken Stengeln schliff der Abendwind gegeneinander, daß es eigenthümlich flüsterte, und dazwischen summten und surrten Tausende von Insekten, die sich auf dem jungen Reis wiegten, oder den nassen Grund, aus welchem er emporwuchs, umschwärmten.
Als der Reisende Lodi passiert hatte, senkte sich der Abend auf die Erde, thauig und frisch, er umsing Häuser und Felder, und die brennende Erde, liebeglühend, ließ geduldig den süßen, befruchtenden Kuß des heimlich Geliebten, der sich schweigend an ihren Busen schmiegte, als sich das strenge, wachsame Sonnenauge geschlossen; und heute feierten die beiden Liebenden eine herrlich duftige Brautnacht, aus vielen, vielen Kirchlein und Kapellen läuteten die Glocken das Ave Maria, im Grase glänzte der Nachtthau wie Tausende von Brillanten und warf zurück das zitternde, schimmernde Licht unzähliger Sterne. Dazu dufteten die Blumen und das frische Heu auf den Feldern; ein wollüstiger Hauch ging durch die ganze Natur, und Niemand fühlte das besser, als die zahlreichen Nachtigallen in den Gebüschen am Wege, welche die entzückendsten, zartesten Brautlieder sangen.
Um diesen herrlichen Gesang zu hören, muß man in einer warmen Frühlingsnacht durch die gesegneten Fluren der Lombardei fahren. Die Felder mit Bächen
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Zitationshilfe: | Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/16>, abgerufen am 16.07.2024. |