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Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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in Ruhe erhalten werden konnte. Es war ein fürchterlicher, unheimlicher Ritt.

Eine Stunde mochte der Gewittersturm so mit ungeminderter Heftigkeit gedauert haben, als der Regen und das Sausen des Windes etwas nachließ und sich auf Augenblicke in leichtes Wehen verwandelte.

In solchen Momenten kam es dem Reiter vor, als vernehme er vor sich das Rasseln von Fuhrwerken und kaum hörbar das Getümmel von Infanterie- und Cavalleriecolonnen, die in ziemlicher Entfernung vor ihm vorüberzogen. Der Wind führte diese Klänge bald schwächer, bald stärker an sein Ohr; er hielt sein Pferd an und beugte sich vor, um sich möglicherweise zu orientieren, ob da vor ihm Freund oder Feind zöge, und zu überlegen, ob er zur Seite oder vorwärts retten sollte. Etwas zur linken Hand mußte Pizzeghettone liegen, von dort aus gegen rechts zu zog das Getöse, das er vernahm. Also konnten es nur die Piemontesen sein, welche so eben die Festung verließen. Er wandte sein Pferd etwas links und begann nach der Richtung hin zu reiten, wo er die Stadt und den Fluß vermuthete, er mußte sich nah' bei letzterem befinden, doch es war so dunkel, daß die Flut nicht leuchtete.

Auf einmal prallte der Rappe zurück, und der entsetzte Reiter zog die Zügel fest an und griff willenlos nach dem Säbel an seiner Seite. - Vor ihm spaltete sich die dunkle Nacht, es war als berste die Erde bis tief in ihre Eingeweide, bis zu dem ungeheuren

in Ruhe erhalten werden konnte. Es war ein fürchterlicher, unheimlicher Ritt.

Eine Stunde mochte der Gewittersturm so mit ungeminderter Heftigkeit gedauert haben, als der Regen und das Sausen des Windes etwas nachließ und sich auf Augenblicke in leichtes Wehen verwandelte.

In solchen Momenten kam es dem Reiter vor, als vernehme er vor sich das Rasseln von Fuhrwerken und kaum hörbar das Getümmel von Infanterie- und Cavalleriecolonnen, die in ziemlicher Entfernung vor ihm vorüberzogen. Der Wind führte diese Klänge bald schwächer, bald stärker an sein Ohr; er hielt sein Pferd an und beugte sich vor, um sich möglicherweise zu orientieren, ob da vor ihm Freund oder Feind zöge, und zu überlegen, ob er zur Seite oder vorwärts retten sollte. Etwas zur linken Hand mußte Pizzeghettone liegen, von dort aus gegen rechts zu zog das Getöse, das er vernahm. Also konnten es nur die Piemontesen sein, welche so eben die Festung verließen. Er wandte sein Pferd etwas links und begann nach der Richtung hin zu reiten, wo er die Stadt und den Fluß vermuthete, er mußte sich nah' bei letzterem befinden, doch es war so dunkel, daß die Flut nicht leuchtete.

Auf einmal prallte der Rappe zurück, und der entsetzte Reiter zog die Zügel fest an und griff willenlos nach dem Säbel an seiner Seite. – Vor ihm spaltete sich die dunkle Nacht, es war als berste die Erde bis tief in ihre Eingeweide, bis zu dem ungeheuren

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[0053] in Ruhe erhalten werden konnte. Es war ein fürchterlicher, unheimlicher Ritt. Eine Stunde mochte der Gewittersturm so mit ungeminderter Heftigkeit gedauert haben, als der Regen und das Sausen des Windes etwas nachließ und sich auf Augenblicke in leichtes Wehen verwandelte. In solchen Momenten kam es dem Reiter vor, als vernehme er vor sich das Rasseln von Fuhrwerken und kaum hörbar das Getümmel von Infanterie- und Cavalleriecolonnen, die in ziemlicher Entfernung vor ihm vorüberzogen. Der Wind führte diese Klänge bald schwächer, bald stärker an sein Ohr; er hielt sein Pferd an und beugte sich vor, um sich möglicherweise zu orientieren, ob da vor ihm Freund oder Feind zöge, und zu überlegen, ob er zur Seite oder vorwärts retten sollte. Etwas zur linken Hand mußte Pizzeghettone liegen, von dort aus gegen rechts zu zog das Getöse, das er vernahm. Also konnten es nur die Piemontesen sein, welche so eben die Festung verließen. Er wandte sein Pferd etwas links und begann nach der Richtung hin zu reiten, wo er die Stadt und den Fluß vermuthete, er mußte sich nah' bei letzterem befinden, doch es war so dunkel, daß die Flut nicht leuchtete. Auf einmal prallte der Rappe zurück, und der entsetzte Reiter zog die Zügel fest an und griff willenlos nach dem Säbel an seiner Seite. – Vor ihm spaltete sich die dunkle Nacht, es war als berste die Erde bis tief in ihre Eingeweide, bis zu dem ungeheuren

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:37:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:37:05Z)

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Zitationshilfe: Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/53>, abgerufen am 24.11.2024.