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Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Haus, unter ihr schützendes Dach. Und nun malte er sich mitten in dem herab rieselnden Regen ein angenehmes, behagliches Bild aus, wie er vor das Posthaus in Pusterlengo reiten, absitzen, eintreten wolle und zu dem erstaunten Mädchen sagen: Siehst du, Teresina, da bin ich wieder, nach vier Jahre langer Abwesenheit, und ich hätte dich auch heute nicht wieder gesehen, denn du hattest es mir verboten; doch bin ich hierher befehligt, wir leben im Kriege, und im Kriege kann man es nicht so genau nehmen. Somit wird sie lachen, dachte er ferner, und da schon in ihrem Hause viele Offiziere wohnen, wegen den Stallungen vielleicht sogar das Hauptquartier dort liegt, so wird sie für den Bekannten so ein kleines hübsches Hinterstübchen ausschließen, das in den Garten hinausgeht, und ihn da heimlicher Weise einquartieren. Wie mag die Kleine heute ausschauen! etwas stärker, vielleicht der Blick des Auges etwas schmachtender, und wenn sie lacht, zeigt sie ihre schönen weißen Zähne noch mehr als damals.

Unter diesen Gedanken war er scharf zugeritten, hatte Fuhrwerk und Artillerie passiert und war mit Mühe unverletzt zwischen den Rädern durchgekommen. Verdrossen lenkten die Gemeinen vom Fuhrwesen ihre Pferde, die Corporale und Offiziere, in ihre Mäntel gewickelt, schauten sich keiner um nach dem vorbeireitenden Husaren; man hörte kein Wort, kein Lachen, nichts als das Schnauben der Pferde und das Klirren der Aufhaltketten.

Haus, unter ihr schützendes Dach. Und nun malte er sich mitten in dem herab rieselnden Regen ein angenehmes, behagliches Bild aus, wie er vor das Posthaus in Pusterlengo reiten, absitzen, eintreten wolle und zu dem erstaunten Mädchen sagen: Siehst du, Teresina, da bin ich wieder, nach vier Jahre langer Abwesenheit, und ich hätte dich auch heute nicht wieder gesehen, denn du hattest es mir verboten; doch bin ich hierher befehligt, wir leben im Kriege, und im Kriege kann man es nicht so genau nehmen. Somit wird sie lachen, dachte er ferner, und da schon in ihrem Hause viele Offiziere wohnen, wegen den Stallungen vielleicht sogar das Hauptquartier dort liegt, so wird sie für den Bekannten so ein kleines hübsches Hinterstübchen ausschließen, das in den Garten hinausgeht, und ihn da heimlicher Weise einquartieren. Wie mag die Kleine heute ausschauen! etwas stärker, vielleicht der Blick des Auges etwas schmachtender, und wenn sie lacht, zeigt sie ihre schönen weißen Zähne noch mehr als damals.

Unter diesen Gedanken war er scharf zugeritten, hatte Fuhrwerk und Artillerie passiert und war mit Mühe unverletzt zwischen den Rädern durchgekommen. Verdrossen lenkten die Gemeinen vom Fuhrwesen ihre Pferde, die Corporale und Offiziere, in ihre Mäntel gewickelt, schauten sich keiner um nach dem vorbeireitenden Husaren; man hörte kein Wort, kein Lachen, nichts als das Schnauben der Pferde und das Klirren der Aufhaltketten.

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[0058] Haus, unter ihr schützendes Dach. Und nun malte er sich mitten in dem herab rieselnden Regen ein angenehmes, behagliches Bild aus, wie er vor das Posthaus in Pusterlengo reiten, absitzen, eintreten wolle und zu dem erstaunten Mädchen sagen: Siehst du, Teresina, da bin ich wieder, nach vier Jahre langer Abwesenheit, und ich hätte dich auch heute nicht wieder gesehen, denn du hattest es mir verboten; doch bin ich hierher befehligt, wir leben im Kriege, und im Kriege kann man es nicht so genau nehmen. Somit wird sie lachen, dachte er ferner, und da schon in ihrem Hause viele Offiziere wohnen, wegen den Stallungen vielleicht sogar das Hauptquartier dort liegt, so wird sie für den Bekannten so ein kleines hübsches Hinterstübchen ausschließen, das in den Garten hinausgeht, und ihn da heimlicher Weise einquartieren. Wie mag die Kleine heute ausschauen! etwas stärker, vielleicht der Blick des Auges etwas schmachtender, und wenn sie lacht, zeigt sie ihre schönen weißen Zähne noch mehr als damals. Unter diesen Gedanken war er scharf zugeritten, hatte Fuhrwerk und Artillerie passiert und war mit Mühe unverletzt zwischen den Rädern durchgekommen. Verdrossen lenkten die Gemeinen vom Fuhrwesen ihre Pferde, die Corporale und Offiziere, in ihre Mäntel gewickelt, schauten sich keiner um nach dem vorbeireitenden Husaren; man hörte kein Wort, kein Lachen, nichts als das Schnauben der Pferde und das Klirren der Aufhaltketten.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:37:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:37:05Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/58>, abgerufen am 25.11.2024.