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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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IX. Generelle und specielle Morphologie.
gleicherweise eine allgemeine Gesetzmässigkeit in den äusseren Formen
der Organismen überhaupt nachzuweisen ist: Allgemeine Grund-
formenlehre oder generelle Promorphologie
der Organismen
(Viertes Buch).

Diesen beiden Hauptzweigen der generellen Anatomie würden sich
als coordinirte Disciplinen die beiden Hauptzweige der generellen
Morphogenie
gegenüberstellen: die allgemeine Ontogenie und die
allgemeine Phylogenie. Die Bestimmung der grossen allgemeinen
Gesetze, nach denen sich die einzelnen organischen Individuen über-
haupt entwickeln, und meistens innerhalb der genealogischen Einheit
des Eiproducts eine bestimmte Reihe von Formen durchlaufen, die all-
gemeine Betrachtung der wichtigsten und höchsten Modificationen,
welche hier möglich sind, die Untersuchung der hauptsächlichsten Ver-
schiedenheiten in den Entwickelungs-Vorgängen, welche man als
Epigenese, Metamorphose, Metagenese etc. bezeichnet, und endlich
die Feststellung allgemeiner Bildungsgesetze der genealogischen In-
dividuen erster Ordnung oder der Eiproducte, diese Aufgaben würden
zu lösen sein von der allgemeinen Entwickelungsgeschichte der
Individuen
(Eiproducte) oder der generellen Ontogenie (Fünftes
Buch.) An diese würde dann endlich als letzte und höchste, bisher fast
ganz vernachlässigte Aufgabe, sich unmittelbar anschliessen die Fest-
stellung der allgemeinen grossen Gesetze, nach denen sich alle ver-
schiedenen Organismen-Formen unserer Erde durch allmählige Um-
änderung im Laufe unendlicher Zeiträume aus einigen wenigen einfa-
chen, spontan entstandenen Grundformen entwickelt haben. Die Summe
aller verschiedenen Organismen, welche von einer und derselben
Stammform abstammen, betrachten wir selbst wieder als eine zusam-
menhängende Formeinheit höheren Ranges und werden dieselbe unten
als genealogisches Individuum dritter Ordnung oder Stamm (Phylon)
näher ins Auge fassen. Die Begründung der allgemeinen Gesetze,
nach denen jene allmählige Entwickelung zahlreicher und mannich-
faltiger Organismen-Formen aus diesen wenigen, höchst einfachen,
spontan entstandenen Stammformen erfolgt ist und immer noch weiter er-
folgt, würde sich daher auch bezeichnen lassen als allgemeine Ent-
wickelungsgeschichte der Stämme
oder generelle Phylogenie
(Sechstes Buch).

Die specielle Morphologie der Organismen, deren Behandlung
ausserhalb des Plans dieses Werkes liegt, hat alle die verschiedenen Seiten
der Formenerkenntniss, die wir in der generellen Morphologie nur ganz im
Allgemeinen erörtern, auf einen einzelnen Organismus oder auf eine be-
stimmte Gruppe von Organismen (eine Klasse, Familie etc.) im Einzelnen
anzuwenden und vollständig auszuführen und im weitesten Sinne alle Or-
ganismen in dieser Weise vergleichend zu untersuchen. Es wird also die

IX. Generelle und specielle Morphologie.
gleicherweise eine allgemeine Gesetzmässigkeit in den äusseren Formen
der Organismen überhaupt nachzuweisen ist: Allgemeine Grund-
formenlehre oder generelle Promorphologie
der Organismen
(Viertes Buch).

Diesen beiden Hauptzweigen der generellen Anatomie würden sich
als coordinirte Disciplinen die beiden Hauptzweige der generellen
Morphogenie
gegenüberstellen: die allgemeine Ontogenie und die
allgemeine Phylogenie. Die Bestimmung der grossen allgemeinen
Gesetze, nach denen sich die einzelnen organischen Individuen über-
haupt entwickeln, und meistens innerhalb der genealogischen Einheit
des Eiproducts eine bestimmte Reihe von Formen durchlaufen, die all-
gemeine Betrachtung der wichtigsten und höchsten Modificationen,
welche hier möglich sind, die Untersuchung der hauptsächlichsten Ver-
schiedenheiten in den Entwickelungs-Vorgängen, welche man als
Epigenese, Metamorphose, Metagenese etc. bezeichnet, und endlich
die Feststellung allgemeiner Bildungsgesetze der genealogischen In-
dividuen erster Ordnung oder der Eiproducte, diese Aufgaben würden
zu lösen sein von der allgemeinen Entwickelungsgeschichte der
Individuen
(Eiproducte) oder der generellen Ontogenie (Fünftes
Buch.) An diese würde dann endlich als letzte und höchste, bisher fast
ganz vernachlässigte Aufgabe, sich unmittelbar anschliessen die Fest-
stellung der allgemeinen grossen Gesetze, nach denen sich alle ver-
schiedenen Organismen-Formen unserer Erde durch allmählige Um-
änderung im Laufe unendlicher Zeiträume aus einigen wenigen einfa-
chen, spontan entstandenen Grundformen entwickelt haben. Die Summe
aller verschiedenen Organismen, welche von einer und derselben
Stammform abstammen, betrachten wir selbst wieder als eine zusam-
menhängende Formeinheit höheren Ranges und werden dieselbe unten
als genealogisches Individuum dritter Ordnung oder Stamm (Phylon)
näher ins Auge fassen. Die Begründung der allgemeinen Gesetze,
nach denen jene allmählige Entwickelung zahlreicher und mannich-
faltiger Organismen-Formen aus diesen wenigen, höchst einfachen,
spontan entstandenen Stammformen erfolgt ist und immer noch weiter er-
folgt, würde sich daher auch bezeichnen lassen als allgemeine Ent-
wickelungsgeschichte der Stämme
oder generelle Phylogenie
(Sechstes Buch).

Die specielle Morphologie der Organismen, deren Behandlung
ausserhalb des Plans dieses Werkes liegt, hat alle die verschiedenen Seiten
der Formenerkenntniss, die wir in der generellen Morphologie nur ganz im
Allgemeinen erörtern, auf einen einzelnen Organismus oder auf eine be-
stimmte Gruppe von Organismen (eine Klasse, Familie etc.) im Einzelnen
anzuwenden und vollständig auszuführen und im weitesten Sinne alle Or-
ganismen in dieser Weise vergleichend zu untersuchen. Es wird also die

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[61/0100] IX. Generelle und specielle Morphologie. gleicherweise eine allgemeine Gesetzmässigkeit in den äusseren Formen der Organismen überhaupt nachzuweisen ist: Allgemeine Grund- formenlehre oder generelle Promorphologie der Organismen (Viertes Buch). Diesen beiden Hauptzweigen der generellen Anatomie würden sich als coordinirte Disciplinen die beiden Hauptzweige der generellen Morphogenie gegenüberstellen: die allgemeine Ontogenie und die allgemeine Phylogenie. Die Bestimmung der grossen allgemeinen Gesetze, nach denen sich die einzelnen organischen Individuen über- haupt entwickeln, und meistens innerhalb der genealogischen Einheit des Eiproducts eine bestimmte Reihe von Formen durchlaufen, die all- gemeine Betrachtung der wichtigsten und höchsten Modificationen, welche hier möglich sind, die Untersuchung der hauptsächlichsten Ver- schiedenheiten in den Entwickelungs-Vorgängen, welche man als Epigenese, Metamorphose, Metagenese etc. bezeichnet, und endlich die Feststellung allgemeiner Bildungsgesetze der genealogischen In- dividuen erster Ordnung oder der Eiproducte, diese Aufgaben würden zu lösen sein von der allgemeinen Entwickelungsgeschichte der Individuen (Eiproducte) oder der generellen Ontogenie (Fünftes Buch.) An diese würde dann endlich als letzte und höchste, bisher fast ganz vernachlässigte Aufgabe, sich unmittelbar anschliessen die Fest- stellung der allgemeinen grossen Gesetze, nach denen sich alle ver- schiedenen Organismen-Formen unserer Erde durch allmählige Um- änderung im Laufe unendlicher Zeiträume aus einigen wenigen einfa- chen, spontan entstandenen Grundformen entwickelt haben. Die Summe aller verschiedenen Organismen, welche von einer und derselben Stammform abstammen, betrachten wir selbst wieder als eine zusam- menhängende Formeinheit höheren Ranges und werden dieselbe unten als genealogisches Individuum dritter Ordnung oder Stamm (Phylon) näher ins Auge fassen. Die Begründung der allgemeinen Gesetze, nach denen jene allmählige Entwickelung zahlreicher und mannich- faltiger Organismen-Formen aus diesen wenigen, höchst einfachen, spontan entstandenen Stammformen erfolgt ist und immer noch weiter er- folgt, würde sich daher auch bezeichnen lassen als allgemeine Ent- wickelungsgeschichte der Stämme oder generelle Phylogenie (Sechstes Buch). Die specielle Morphologie der Organismen, deren Behandlung ausserhalb des Plans dieses Werkes liegt, hat alle die verschiedenen Seiten der Formenerkenntniss, die wir in der generellen Morphologie nur ganz im Allgemeinen erörtern, auf einen einzelnen Organismus oder auf eine be- stimmte Gruppe von Organismen (eine Klasse, Familie etc.) im Einzelnen anzuwenden und vollständig auszuführen und im weitesten Sinne alle Or- ganismen in dieser Weise vergleichend zu untersuchen. Es wird also die

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/100>, abgerufen am 18.05.2024.