eigenthümlichen und äusserst verwickelten Verwandtschaftsbeziehungen des Kohlenstoffs zu den meisten übrigen Elementen. Vielleicht mit allen anderen Elementen, vorzüglich aber mit den drei Elementen: Wasser- stoff, Sauerstoff und Stickstoff, vermag der Kohlenstoff eine endlose Reihe von äusserst verwickelten Verbindungen einzugehen, welche zum grössten Theil durchaus ohne Analogon unter den kohlenstofflosen Verbindungen dastehen. Wir müssen also die chemische und physi- kalische Natur des Kohlenstoffs und vor Allem seine in ihrer Art einzige Fähigkeit, mit anderen Elementen höchst complicirte Ver- bindungen einzugehen, als die erste und letzte, als die einzige Ursache aller derjenigen Eigenthümlichkeiten ansehen, welche die sogenannten organischen Verbindungen von den anorganischen unter- scheiden.
Es würde desshalb richtiger sein die "organischen Verbindungen" concreter als "Kohlenstoff-Verbindungen" zu bezeichnen, wie man die "organische Chemie" neuerdings richtiger die "Chemie der Kohlen- stoff-Verbindungen" genannt hat. Nur darf dabei nicht vergessen wer- den, dass, wie der reine Kohlenstoff selbst (als Diamant, Graphit), so auch einfachere Kohlenstoff-Verbindungen in der anorganischen Natur, ausserhalb der Organismen, weit verbreitet vorkommen, wie vor Allem die Kohlensäure, das Kohlenoxyd, einzelne Kohlenwasserstoffe u. s. w. Andererseits darf ebenso wenig vergessen werden, dass in allen Or- ganismen ohne Ausnahme neben jenen "organischen", d. h. ver- wickelteren Kohlenstoff-Verbindungen, auch noch einfachere Kohlen- stoff-Verbindungen und nicht kohlenstoffhaltige Verbindungen der Ele- mente, also sogenannte "anorganische" Verbindungen vorkommen (Was- ser, Kohlensäure, Kochsalz etc.)
Die wesentlichsten Unterschiede in der Zusammensetzung der organischen und anorganischen Verbindungen glaubte man früher darin zu finden, dass in der anorganischen Natur sich nur "binäre" Verbindungen bilden, indem zunächst immer nur zwei Elemente zusammentreten, z. B. Kohlenstoff und Sauerstoff zur Kohlensäure, oder Wasserstoff und Stickstoff zum Ammoniak; eine solche einfache binäre Verbindung kann sich dann weiter mit einer anderen einfachen binären Verbindung zu einer zusammengesetzten binären Verbindung vereinigen, z. B. Kohlensäure und Ammoniak zum kohlensauren Ammoniak u. s. w. Dagegen sollten sogenannte "ternäre und quaternäre" Verbindungen, in welchen drei oder vier Elemente unmittelbar zu einer complexeren Verbindung zusammentreten, (z. B. Kohlenstoff, Sauerstoff, Was- serstoff und Stickstoff zu dem quaternären Harnstoff) ausschliesslich nur unter dem Einflusse des Lebens zu Stande kommen und niemals in der anorganischen Natur sich bilden. Als weiterer wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Verbindungsgruppen wurde dann ferner gewöhnlich noch angeführt, dass die Mischungsgewichte in den ternären und quaternären "organischen" Verbindungen im Allgemeinen weit höhere und ihre Zahlen-
Organismen und Anorgane.
eigenthümlichen und äusserst verwickelten Verwandtschaftsbeziehungen des Kohlenstoffs zu den meisten übrigen Elementen. Vielleicht mit allen anderen Elementen, vorzüglich aber mit den drei Elementen: Wasser- stoff, Sauerstoff und Stickstoff, vermag der Kohlenstoff eine endlose Reihe von äusserst verwickelten Verbindungen einzugehen, welche zum grössten Theil durchaus ohne Analogon unter den kohlenstofflosen Verbindungen dastehen. Wir müssen also die chemische und physi- kalische Natur des Kohlenstoffs und vor Allem seine in ihrer Art einzige Fähigkeit, mit anderen Elementen höchst complicirte Ver- bindungen einzugehen, als die erste und letzte, als die einzige Ursache aller derjenigen Eigenthümlichkeiten ansehen, welche die sogenannten organischen Verbindungen von den anorganischen unter- scheiden.
Es würde desshalb richtiger sein die „organischen Verbindungen“ concreter als „Kohlenstoff-Verbindungen“ zu bezeichnen, wie man die „organische Chemie“ neuerdings richtiger die „Chemie der Kohlen- stoff-Verbindungen“ genannt hat. Nur darf dabei nicht vergessen wer- den, dass, wie der reine Kohlenstoff selbst (als Diamant, Graphit), so auch einfachere Kohlenstoff-Verbindungen in der anorganischen Natur, ausserhalb der Organismen, weit verbreitet vorkommen, wie vor Allem die Kohlensäure, das Kohlenoxyd, einzelne Kohlenwasserstoffe u. s. w. Andererseits darf ebenso wenig vergessen werden, dass in allen Or- ganismen ohne Ausnahme neben jenen „organischen“, d. h. ver- wickelteren Kohlenstoff-Verbindungen, auch noch einfachere Kohlen- stoff-Verbindungen und nicht kohlenstoffhaltige Verbindungen der Ele- mente, also sogenannte „anorganische“ Verbindungen vorkommen (Was- ser, Kohlensäure, Kochsalz etc.)
Die wesentlichsten Unterschiede in der Zusammensetzung der organischen und anorganischen Verbindungen glaubte man früher darin zu finden, dass in der anorganischen Natur sich nur „binäre“ Verbindungen bilden, indem zunächst immer nur zwei Elemente zusammentreten, z. B. Kohlenstoff und Sauerstoff zur Kohlensäure, oder Wasserstoff und Stickstoff zum Ammoniak; eine solche einfache binäre Verbindung kann sich dann weiter mit einer anderen einfachen binären Verbindung zu einer zusammengesetzten binären Verbindung vereinigen, z. B. Kohlensäure und Ammoniak zum kohlensauren Ammoniak u. s. w. Dagegen sollten sogenannte „ternäre und quaternäre“ Verbindungen, in welchen drei oder vier Elemente unmittelbar zu einer complexeren Verbindung zusammentreten, (z. B. Kohlenstoff, Sauerstoff, Was- serstoff und Stickstoff zu dem quaternären Harnstoff) ausschliesslich nur unter dem Einflusse des Lebens zu Stande kommen und niemals in der anorganischen Natur sich bilden. Als weiterer wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Verbindungsgruppen wurde dann ferner gewöhnlich noch angeführt, dass die Mischungsgewichte in den ternären und quaternären „organischen“ Verbindungen im Allgemeinen weit höhere und ihre Zahlen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0159"n="120"/><fwplace="top"type="header">Organismen und Anorgane.</fw><lb/>
eigenthümlichen und äusserst verwickelten Verwandtschaftsbeziehungen<lb/>
des Kohlenstoffs zu den meisten übrigen Elementen. Vielleicht mit allen<lb/>
anderen Elementen, vorzüglich aber mit den drei Elementen: Wasser-<lb/>
stoff, Sauerstoff und Stickstoff, vermag der Kohlenstoff eine endlose<lb/>
Reihe von äusserst verwickelten Verbindungen einzugehen, welche zum<lb/>
grössten Theil durchaus ohne Analogon unter den kohlenstofflosen<lb/>
Verbindungen dastehen. Wir müssen also die chemische und physi-<lb/>
kalische Natur des Kohlenstoffs und vor Allem seine in ihrer Art<lb/>
einzige Fähigkeit, mit anderen Elementen höchst complicirte Ver-<lb/>
bindungen einzugehen, als die erste und letzte, als die einzige<lb/>
Ursache aller derjenigen Eigenthümlichkeiten ansehen, welche die<lb/>
sogenannten organischen Verbindungen von den anorganischen unter-<lb/>
scheiden.</p><lb/><p>Es würde desshalb richtiger sein die „organischen Verbindungen“<lb/>
concreter als „Kohlenstoff-Verbindungen“ zu bezeichnen, wie man die<lb/>„organische Chemie“ neuerdings richtiger die „Chemie der Kohlen-<lb/>
stoff-Verbindungen“ genannt hat. Nur darf dabei nicht vergessen wer-<lb/>
den, dass, wie der reine Kohlenstoff selbst (als Diamant, Graphit), so<lb/>
auch einfachere Kohlenstoff-Verbindungen in der anorganischen Natur,<lb/>
ausserhalb der Organismen, weit verbreitet vorkommen, wie vor Allem<lb/>
die Kohlensäure, das Kohlenoxyd, einzelne Kohlenwasserstoffe u. s. w.<lb/>
Andererseits darf ebenso wenig vergessen werden, dass in <hirendition="#g">allen</hi> Or-<lb/>
ganismen ohne Ausnahme <hirendition="#g">neben</hi> jenen „organischen“, d. h. ver-<lb/>
wickelteren Kohlenstoff-Verbindungen, auch noch einfachere Kohlen-<lb/>
stoff-Verbindungen und nicht kohlenstoffhaltige Verbindungen der Ele-<lb/>
mente, also sogenannte „anorganische“ Verbindungen vorkommen (Was-<lb/>
ser, Kohlensäure, Kochsalz etc.)</p><lb/><p>Die wesentlichsten Unterschiede in der Zusammensetzung der organischen<lb/>
und anorganischen Verbindungen glaubte man früher darin zu finden, dass<lb/>
in der anorganischen Natur sich nur „binäre“ Verbindungen bilden, indem<lb/>
zunächst immer nur zwei Elemente zusammentreten, z. B. Kohlenstoff und<lb/>
Sauerstoff zur Kohlensäure, oder Wasserstoff und Stickstoff zum Ammoniak;<lb/>
eine solche einfache binäre Verbindung kann sich dann weiter mit einer<lb/>
anderen einfachen binären Verbindung zu einer zusammengesetzten binären<lb/>
Verbindung vereinigen, z. B. Kohlensäure und Ammoniak zum kohlensauren<lb/>
Ammoniak u. s. w. Dagegen sollten sogenannte „ternäre und quaternäre“<lb/>
Verbindungen, in welchen drei oder vier Elemente unmittelbar zu einer<lb/>
complexeren Verbindung zusammentreten, (z. B. Kohlenstoff, Sauerstoff, Was-<lb/>
serstoff und Stickstoff zu dem quaternären Harnstoff) ausschliesslich nur<lb/>
unter dem Einflusse des Lebens zu Stande kommen und niemals in der<lb/>
anorganischen Natur sich bilden. Als weiterer wesentlicher Unterschied<lb/>
zwischen diesen beiden Verbindungsgruppen wurde dann ferner gewöhnlich<lb/>
noch angeführt, dass die Mischungsgewichte in den ternären und quaternären<lb/>„organischen“ Verbindungen im Allgemeinen weit höhere und ihre Zahlen-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[120/0159]
Organismen und Anorgane.
eigenthümlichen und äusserst verwickelten Verwandtschaftsbeziehungen
des Kohlenstoffs zu den meisten übrigen Elementen. Vielleicht mit allen
anderen Elementen, vorzüglich aber mit den drei Elementen: Wasser-
stoff, Sauerstoff und Stickstoff, vermag der Kohlenstoff eine endlose
Reihe von äusserst verwickelten Verbindungen einzugehen, welche zum
grössten Theil durchaus ohne Analogon unter den kohlenstofflosen
Verbindungen dastehen. Wir müssen also die chemische und physi-
kalische Natur des Kohlenstoffs und vor Allem seine in ihrer Art
einzige Fähigkeit, mit anderen Elementen höchst complicirte Ver-
bindungen einzugehen, als die erste und letzte, als die einzige
Ursache aller derjenigen Eigenthümlichkeiten ansehen, welche die
sogenannten organischen Verbindungen von den anorganischen unter-
scheiden.
Es würde desshalb richtiger sein die „organischen Verbindungen“
concreter als „Kohlenstoff-Verbindungen“ zu bezeichnen, wie man die
„organische Chemie“ neuerdings richtiger die „Chemie der Kohlen-
stoff-Verbindungen“ genannt hat. Nur darf dabei nicht vergessen wer-
den, dass, wie der reine Kohlenstoff selbst (als Diamant, Graphit), so
auch einfachere Kohlenstoff-Verbindungen in der anorganischen Natur,
ausserhalb der Organismen, weit verbreitet vorkommen, wie vor Allem
die Kohlensäure, das Kohlenoxyd, einzelne Kohlenwasserstoffe u. s. w.
Andererseits darf ebenso wenig vergessen werden, dass in allen Or-
ganismen ohne Ausnahme neben jenen „organischen“, d. h. ver-
wickelteren Kohlenstoff-Verbindungen, auch noch einfachere Kohlen-
stoff-Verbindungen und nicht kohlenstoffhaltige Verbindungen der Ele-
mente, also sogenannte „anorganische“ Verbindungen vorkommen (Was-
ser, Kohlensäure, Kochsalz etc.)
Die wesentlichsten Unterschiede in der Zusammensetzung der organischen
und anorganischen Verbindungen glaubte man früher darin zu finden, dass
in der anorganischen Natur sich nur „binäre“ Verbindungen bilden, indem
zunächst immer nur zwei Elemente zusammentreten, z. B. Kohlenstoff und
Sauerstoff zur Kohlensäure, oder Wasserstoff und Stickstoff zum Ammoniak;
eine solche einfache binäre Verbindung kann sich dann weiter mit einer
anderen einfachen binären Verbindung zu einer zusammengesetzten binären
Verbindung vereinigen, z. B. Kohlensäure und Ammoniak zum kohlensauren
Ammoniak u. s. w. Dagegen sollten sogenannte „ternäre und quaternäre“
Verbindungen, in welchen drei oder vier Elemente unmittelbar zu einer
complexeren Verbindung zusammentreten, (z. B. Kohlenstoff, Sauerstoff, Was-
serstoff und Stickstoff zu dem quaternären Harnstoff) ausschliesslich nur
unter dem Einflusse des Lebens zu Stande kommen und niemals in der
anorganischen Natur sich bilden. Als weiterer wesentlicher Unterschied
zwischen diesen beiden Verbindungsgruppen wurde dann ferner gewöhnlich
noch angeführt, dass die Mischungsgewichte in den ternären und quaternären
„organischen“ Verbindungen im Allgemeinen weit höhere und ihre Zahlen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/159>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.