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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Organismen und Anorgane.
keit, und welche die gesonderte Entstehung der verschiedenen Krystalle
in einer gemischten Mutterlauge bedingen. Hier wie dort erfolgt die
Bildung der festen Körper aus der Flüssigkeit mit Nothwendigkeit,
durch die ureigene Kraft der Materie, ohne Zuthun einer davon ver-
schiedenen, zweckmässig wirkenden Kraft. Dieselbe fundamentale
Uebereinstimmung zeigt sich nun auch weiterhin in dem Wachsthum
der "spontan" entstandenen Formen. Das Wachsthum beruht in allen
Fällen darauf, dass der vorhandene feste Körper als Attractionscentrum,
als Anziehungsmittelpunkt wirksam ist, und dass die Anziehungskraft,
welche die in demselben inniger verbundenen, sich näher liegenden
Moleküle auf ihre Umgebung ausüben, die schwächere Cohäsion der
in der umgebenden Flüssigkeit gelösten Moleküle überwiegt. Indem
die letzteren weiter von einander abstehen, sich weniger stark in ihrer
gegenseitigen Lage zu erhalten vermögen, folgen sie der stärkeren
Anziehung, welche von dem bereits gebildeten festen Körper ausgeht,
und gehen nun ihrerseits ebenfalls in den festen Aggregatzustand
über.

Nun ist aber hier sogleich hervorzuheben, dass zwar die Grund-
erscheinung des Wachsthums bei den Krystallen und den Urorganismen
dieselbe ist, und dass sowohl hier als dort lediglich die einfachsten
Attractions-Verhältnisse der materiellen Moleküle es sind, welche dem
zuerst entstandenen festen Centralkörper immer neue festwerdende
Materie von aussen, aus der umgebenden Flüssigkeit her zuführen;
dass aber andererseits die Verschiedenheit des Aggregatzustandes in
den anorganischen und den organischen Individuen von vornherein
Verschiedenheiten in der Wachsthumsweise bedingt, welche uns voll-
kommen die weiter auftretenden Differenzen der beiden Fälle erklären.

Dieser wichtigste Unterschied zwischen den in der Mutterflüssigkeit
spontan entstehenden Krystallen und Moneren zeigt sich von vornherein
darin, dass bei der ersten Anlage des Krystalls (des Kernkrystalls)
die organische Materie sogleich unmittelbar aus dem vollkommen
flüssigen in den vollkommen festen Aggregatzustand übergeführt wird,
während bei der ersten Anlage des Moneres die organische Materie
nicht unmittelbar aus dem vollkommen flüssigen in den vollkommen
festen, sondern in den festflüssigen Aggregatzustand übergeht. Wenn
bei der Krystallisation, wie es sehr häufig geschieht, aus der umge-
benden Mutterlauge Wasser (Krystallwasser) in den entstehenden festen
Körper mit übergeführt wird, so erscheint dieses an denselben chemisch
gebunden und thut dem vollkommen festen Aggregatzustand nicht den
mindesten Eintrag. Wenn dagegen bei der Autogonie ein Moner aus
der Mutterflüssigkeit entsteht, wobei stets Wasser in den entstehenden
festflüssigen Körper mit aufgenommen wird, so wird dieses Wasser
nicht fest, wie es bei dem chemisch gebundenen Krystallwasser ge-

Organismen und Anorgane.
keit, und welche die gesonderte Entstehung der verschiedenen Krystalle
in einer gemischten Mutterlauge bedingen. Hier wie dort erfolgt die
Bildung der festen Körper aus der Flüssigkeit mit Nothwendigkeit,
durch die ureigene Kraft der Materie, ohne Zuthun einer davon ver-
schiedenen, zweckmässig wirkenden Kraft. Dieselbe fundamentale
Uebereinstimmung zeigt sich nun auch weiterhin in dem Wachsthum
der „spontan“ entstandenen Formen. Das Wachsthum beruht in allen
Fällen darauf, dass der vorhandene feste Körper als Attractionscentrum,
als Anziehungsmittelpunkt wirksam ist, und dass die Anziehungskraft,
welche die in demselben inniger verbundenen, sich näher liegenden
Moleküle auf ihre Umgebung ausüben, die schwächere Cohäsion der
in der umgebenden Flüssigkeit gelösten Moleküle überwiegt. Indem
die letzteren weiter von einander abstehen, sich weniger stark in ihrer
gegenseitigen Lage zu erhalten vermögen, folgen sie der stärkeren
Anziehung, welche von dem bereits gebildeten festen Körper ausgeht,
und gehen nun ihrerseits ebenfalls in den festen Aggregatzustand
über.

Nun ist aber hier sogleich hervorzuheben, dass zwar die Grund-
erscheinung des Wachsthums bei den Krystallen und den Urorganismen
dieselbe ist, und dass sowohl hier als dort lediglich die einfachsten
Attractions-Verhältnisse der materiellen Moleküle es sind, welche dem
zuerst entstandenen festen Centralkörper immer neue festwerdende
Materie von aussen, aus der umgebenden Flüssigkeit her zuführen;
dass aber andererseits die Verschiedenheit des Aggregatzustandes in
den anorganischen und den organischen Individuen von vornherein
Verschiedenheiten in der Wachsthumsweise bedingt, welche uns voll-
kommen die weiter auftretenden Differenzen der beiden Fälle erklären.

Dieser wichtigste Unterschied zwischen den in der Mutterflüssigkeit
spontan entstehenden Krystallen und Moneren zeigt sich von vornherein
darin, dass bei der ersten Anlage des Krystalls (des Kernkrystalls)
die organische Materie sogleich unmittelbar aus dem vollkommen
flüssigen in den vollkommen festen Aggregatzustand übergeführt wird,
während bei der ersten Anlage des Moneres die organische Materie
nicht unmittelbar aus dem vollkommen flüssigen in den vollkommen
festen, sondern in den festflüssigen Aggregatzustand übergeht. Wenn
bei der Krystallisation, wie es sehr häufig geschieht, aus der umge-
benden Mutterlauge Wasser (Krystallwasser) in den entstehenden festen
Körper mit übergeführt wird, so erscheint dieses an denselben chemisch
gebunden und thut dem vollkommen festen Aggregatzustand nicht den
mindesten Eintrag. Wenn dagegen bei der Autogonie ein Moner aus
der Mutterflüssigkeit entsteht, wobei stets Wasser in den entstehenden
festflüssigen Körper mit aufgenommen wird, so wird dieses Wasser
nicht fest, wie es bei dem chemisch gebundenen Krystallwasser ge-

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[144/0183] Organismen und Anorgane. keit, und welche die gesonderte Entstehung der verschiedenen Krystalle in einer gemischten Mutterlauge bedingen. Hier wie dort erfolgt die Bildung der festen Körper aus der Flüssigkeit mit Nothwendigkeit, durch die ureigene Kraft der Materie, ohne Zuthun einer davon ver- schiedenen, zweckmässig wirkenden Kraft. Dieselbe fundamentale Uebereinstimmung zeigt sich nun auch weiterhin in dem Wachsthum der „spontan“ entstandenen Formen. Das Wachsthum beruht in allen Fällen darauf, dass der vorhandene feste Körper als Attractionscentrum, als Anziehungsmittelpunkt wirksam ist, und dass die Anziehungskraft, welche die in demselben inniger verbundenen, sich näher liegenden Moleküle auf ihre Umgebung ausüben, die schwächere Cohäsion der in der umgebenden Flüssigkeit gelösten Moleküle überwiegt. Indem die letzteren weiter von einander abstehen, sich weniger stark in ihrer gegenseitigen Lage zu erhalten vermögen, folgen sie der stärkeren Anziehung, welche von dem bereits gebildeten festen Körper ausgeht, und gehen nun ihrerseits ebenfalls in den festen Aggregatzustand über. Nun ist aber hier sogleich hervorzuheben, dass zwar die Grund- erscheinung des Wachsthums bei den Krystallen und den Urorganismen dieselbe ist, und dass sowohl hier als dort lediglich die einfachsten Attractions-Verhältnisse der materiellen Moleküle es sind, welche dem zuerst entstandenen festen Centralkörper immer neue festwerdende Materie von aussen, aus der umgebenden Flüssigkeit her zuführen; dass aber andererseits die Verschiedenheit des Aggregatzustandes in den anorganischen und den organischen Individuen von vornherein Verschiedenheiten in der Wachsthumsweise bedingt, welche uns voll- kommen die weiter auftretenden Differenzen der beiden Fälle erklären. Dieser wichtigste Unterschied zwischen den in der Mutterflüssigkeit spontan entstehenden Krystallen und Moneren zeigt sich von vornherein darin, dass bei der ersten Anlage des Krystalls (des Kernkrystalls) die organische Materie sogleich unmittelbar aus dem vollkommen flüssigen in den vollkommen festen Aggregatzustand übergeführt wird, während bei der ersten Anlage des Moneres die organische Materie nicht unmittelbar aus dem vollkommen flüssigen in den vollkommen festen, sondern in den festflüssigen Aggregatzustand übergeht. Wenn bei der Krystallisation, wie es sehr häufig geschieht, aus der umge- benden Mutterlauge Wasser (Krystallwasser) in den entstehenden festen Körper mit übergeführt wird, so erscheint dieses an denselben chemisch gebunden und thut dem vollkommen festen Aggregatzustand nicht den mindesten Eintrag. Wenn dagegen bei der Autogonie ein Moner aus der Mutterflüssigkeit entsteht, wobei stets Wasser in den entstehenden festflüssigen Körper mit aufgenommen wird, so wird dieses Wasser nicht fest, wie es bei dem chemisch gebundenen Krystallwasser ge-

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/183>, abgerufen am 27.11.2024.