III) 5. Correlation der Theile in den organischen und anorganischen Individuen.
Von besonderer Bedeutung für die Analogie zwischen den orga- nischen und anorganischen Individuen scheint uns endlich die Corre- lation oder Wechselbeziehung der Theile zu sein, welche gewöhn- lich als eine besondere und charakteristische Eigenthümlichkeit der Organismen hingestellt wird, während sie doch in ganz ähnlicher Weise auch den Krystallen zukommt. In ähnlicher Weise, wie im Organismus alle einzelnen Theile unter einander und zum Ganzen in bestimmten, durch die Form des Organismus ausgedrückten Beziehungen stehen, so finden wir auch beim Krystalle, dass alle einzelnen Theile unter einander und zum Ganzen in bestimmten, durch die gesetzmässige Ver- schiedenheit der Cohäsion in bestimmten Richtungen (Axen) geregelten Beziehungen stehen. Diese nothwendige Wechselwirkung der Theile unter einander und auf das Ganze ist ganz ebenso im Organismus, wie im Krystall, durch die physikalischen Functionen und die che- mische Zusammensetzung seiner Materie mit Nothwendigkeit bedingt.
Als Ausdrnck dieser anorganischen Correlation der Theile betrachten wir zunächst das Symmetrie-Gesetz der Krystalle, wonach alle ab- geleiteten Krystallformen, die als individuelle Variationen der Krystall- Grundformen auftreten, stets mehr oder minder symmetrisch modificirt auf- treten. Alle gleichartigen Theile einer Krystallform erleiden bei Verände- rung eines einzigen Theiles von ihnen dieser entsprechende Veränderungen. Wenn also eine Kante oder Ecke eines Octaeders durch eine bestimmte Fläche ersetzt wird, so müssen auch alle entsprechenden Kanten und Ecken desselben durch eine Fläche von gleicher Beschaffenheit ersetzt werden. Beim Quadrat-Octaeder, bei welchem die obere und untere Ecke von den vier unter sich gleichen (Quadrat-) Ecken des mittleren Umfangs verschie- den sind, können zweierlei Ecken-Veränderungen (z. B. Abstumpfungen durch eine Fläche) eintreten, indem die eine Veränderung die correspon- dirende obere und untere Ecke, die andere Veränderung die vier anderen Ecken trifft. Beim Rhomben-Octaeder, wo alle sechs Ecken paarweis gleich, die drei Paare aber ungleich sind, können die sechs Ecken von drei ver- schiedenen Modificationen getroffen werden, indem jede Modification nur zwei gegenüberliegende Ecken trifft u. s. w. Die Krystallographie weisst nach, welche grosse Menge individuell verschiedener Krystallformen aus einer und derselben Grundform auf diese Weise, durch gleiche Modification entsprechender Ecken, Kanten und Flächen hervorgehen können. Die Betrachtung dieser Verschiedenheiten im Einzelnen berührt uns hier nicht, um so mehr aber das allgemeine Symmetrie-Gesetz, welches daraus hervor- geht, und welches zeigt, dass correspondirende (gleichartige oder gegen- überliegende) Theile des Krystalls in einer ebenso innigen Wechselbeziehung zu einander stehen, wie verschiedene correspondirende Theile eines Orga- nismus. Vor allem sind es die Antimeren oder homotypischen Theile
Organismen und Anorgane.
III) 5. Correlation der Theile in den organischen und anorganischen Individuen.
Von besonderer Bedeutung für die Analogie zwischen den orga- nischen und anorganischen Individuen scheint uns endlich die Corre- lation oder Wechselbeziehung der Theile zu sein, welche gewöhn- lich als eine besondere und charakteristische Eigenthümlichkeit der Organismen hingestellt wird, während sie doch in ganz ähnlicher Weise auch den Krystallen zukommt. In ähnlicher Weise, wie im Organismus alle einzelnen Theile unter einander und zum Ganzen in bestimmten, durch die Form des Organismus ausgedrückten Beziehungen stehen, so finden wir auch beim Krystalle, dass alle einzelnen Theile unter einander und zum Ganzen in bestimmten, durch die gesetzmässige Ver- schiedenheit der Cohäsion in bestimmten Richtungen (Axen) geregelten Beziehungen stehen. Diese nothwendige Wechselwirkung der Theile unter einander und auf das Ganze ist ganz ebenso im Organismus, wie im Krystall, durch die physikalischen Functionen und die che- mische Zusammensetzung seiner Materie mit Nothwendigkeit bedingt.
Als Ausdrnck dieser anorganischen Correlation der Theile betrachten wir zunächst das Symmetrie-Gesetz der Krystalle, wonach alle ab- geleiteten Krystallformen, die als individuelle Variationen der Krystall- Grundformen auftreten, stets mehr oder minder symmetrisch modificirt auf- treten. Alle gleichartigen Theile einer Krystallform erleiden bei Verände- rung eines einzigen Theiles von ihnen dieser entsprechende Veränderungen. Wenn also eine Kante oder Ecke eines Octaeders durch eine bestimmte Fläche ersetzt wird, so müssen auch alle entsprechenden Kanten und Ecken desselben durch eine Fläche von gleicher Beschaffenheit ersetzt werden. Beim Quadrat-Octaeder, bei welchem die obere und untere Ecke von den vier unter sich gleichen (Quadrat-) Ecken des mittleren Umfangs verschie- den sind, können zweierlei Ecken-Veränderungen (z. B. Abstumpfungen durch eine Fläche) eintreten, indem die eine Veränderung die correspon- dirende obere und untere Ecke, die andere Veränderung die vier anderen Ecken trifft. Beim Rhomben-Octaeder, wo alle sechs Ecken paarweis gleich, die drei Paare aber ungleich sind, können die sechs Ecken von drei ver- schiedenen Modificationen getroffen werden, indem jede Modification nur zwei gegenüberliegende Ecken trifft u. s. w. Die Krystallographie weisst nach, welche grosse Menge individuell verschiedener Krystallformen aus einer und derselben Grundform auf diese Weise, durch gleiche Modification entsprechender Ecken, Kanten und Flächen hervorgehen können. Die Betrachtung dieser Verschiedenheiten im Einzelnen berührt uns hier nicht, um so mehr aber das allgemeine Symmetrie-Gesetz, welches daraus hervor- geht, und welches zeigt, dass correspondirende (gleichartige oder gegen- überliegende) Theile des Krystalls in einer ebenso innigen Wechselbeziehung zu einander stehen, wie verschiedene correspondirende Theile eines Orga- nismus. Vor allem sind es die Antimeren oder homotypischen Theile
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Organismen und Anorgane.
III) 5. Correlation der Theile in den organischen und anorganischen
Individuen.
Von besonderer Bedeutung für die Analogie zwischen den orga-
nischen und anorganischen Individuen scheint uns endlich die Corre-
lation oder Wechselbeziehung der Theile zu sein, welche gewöhn-
lich als eine besondere und charakteristische Eigenthümlichkeit der
Organismen hingestellt wird, während sie doch in ganz ähnlicher Weise
auch den Krystallen zukommt. In ähnlicher Weise, wie im Organismus
alle einzelnen Theile unter einander und zum Ganzen in bestimmten,
durch die Form des Organismus ausgedrückten Beziehungen stehen,
so finden wir auch beim Krystalle, dass alle einzelnen Theile unter
einander und zum Ganzen in bestimmten, durch die gesetzmässige Ver-
schiedenheit der Cohäsion in bestimmten Richtungen (Axen) geregelten
Beziehungen stehen. Diese nothwendige Wechselwirkung der Theile
unter einander und auf das Ganze ist ganz ebenso im Organismus,
wie im Krystall, durch die physikalischen Functionen und die che-
mische Zusammensetzung seiner Materie mit Nothwendigkeit bedingt.
Als Ausdrnck dieser anorganischen Correlation der Theile betrachten
wir zunächst das Symmetrie-Gesetz der Krystalle, wonach alle ab-
geleiteten Krystallformen, die als individuelle Variationen der Krystall-
Grundformen auftreten, stets mehr oder minder symmetrisch modificirt auf-
treten. Alle gleichartigen Theile einer Krystallform erleiden bei Verände-
rung eines einzigen Theiles von ihnen dieser entsprechende Veränderungen.
Wenn also eine Kante oder Ecke eines Octaeders durch eine bestimmte
Fläche ersetzt wird, so müssen auch alle entsprechenden Kanten und Ecken
desselben durch eine Fläche von gleicher Beschaffenheit ersetzt werden.
Beim Quadrat-Octaeder, bei welchem die obere und untere Ecke von den
vier unter sich gleichen (Quadrat-) Ecken des mittleren Umfangs verschie-
den sind, können zweierlei Ecken-Veränderungen (z. B. Abstumpfungen
durch eine Fläche) eintreten, indem die eine Veränderung die correspon-
dirende obere und untere Ecke, die andere Veränderung die vier anderen
Ecken trifft. Beim Rhomben-Octaeder, wo alle sechs Ecken paarweis gleich,
die drei Paare aber ungleich sind, können die sechs Ecken von drei ver-
schiedenen Modificationen getroffen werden, indem jede Modification nur
zwei gegenüberliegende Ecken trifft u. s. w. Die Krystallographie weisst
nach, welche grosse Menge individuell verschiedener Krystallformen aus
einer und derselben Grundform auf diese Weise, durch gleiche Modification
entsprechender Ecken, Kanten und Flächen hervorgehen können. Die
Betrachtung dieser Verschiedenheiten im Einzelnen berührt uns hier nicht,
um so mehr aber das allgemeine Symmetrie-Gesetz, welches daraus hervor-
geht, und welches zeigt, dass correspondirende (gleichartige oder gegen-
überliegende) Theile des Krystalls in einer ebenso innigen Wechselbeziehung
zu einander stehen, wie verschiedene correspondirende Theile eines Orga-
nismus. Vor allem sind es die Antimeren oder homotypischen Theile
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/197>, abgerufen am 28.11.2024.
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