Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.Begriff und Aufgabe der Tectologie. bleiben auf den niedersten Stufen derselben, welche von den Thierenund Pflanzen in ihren ersten Entwickelungs-Stadien rasch durchlaufen werden. Bei sehr zahlreichen Protisten giebt die Unvollkommenheit ihrer morphologischen Ausbildung, der Mangel einer eigentlichen organologischen Differenzirung und die trotzdem ausgebildete, wenn auch lockere Verbindung einfachster Individuen zu scheinbaren Colo- nieen Anlass zu vielfachen Zweifeln über den eigentlichen morpholo- gischen Werth ihrer Individualität. Daher sind denn auch in dem letzten Decennium, welches unsere Kenntniss der Protisten so ausser- ordentlich erweitert hat, vielfach verschiedene Ansichten über die eigentliche Individualität bei verschiedenen Protisten-Gruppen oder Stämmen laut geworden. Keinem Zweifel ist der Begriff der protistischen Individualität da Unter den Rhizopoden sind die Acyttarien, insbesondere die 1) Carpenter, Introduction to the study of the Foraminifera. London 1862.
Begriff und Aufgabe der Tectologie. bleiben auf den niedersten Stufen derselben, welche von den Thierenund Pflanzen in ihren ersten Entwickelungs-Stadien rasch durchlaufen werden. Bei sehr zahlreichen Protisten giebt die Unvollkommenheit ihrer morphologischen Ausbildung, der Mangel einer eigentlichen organologischen Differenzirung und die trotzdem ausgebildete, wenn auch lockere Verbindung einfachster Individuen zu scheinbaren Colo- nieen Anlass zu vielfachen Zweifeln über den eigentlichen morpholo- gischen Werth ihrer Individualität. Daher sind denn auch in dem letzten Decennium, welches unsere Kenntniss der Protisten so ausser- ordentlich erweitert hat, vielfach verschiedene Ansichten über die eigentliche Individualität bei verschiedenen Protisten-Gruppen oder Stämmen laut geworden. Keinem Zweifel ist der Begriff der protistischen Individualität da Unter den Rhizopoden sind die Acyttarien, insbesondere die 1) Carpenter, Introduction to the study of the Foraminifera. London 1862.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0291" n="252"/><fw place="top" type="header">Begriff und Aufgabe der Tectologie.</fw><lb/> bleiben auf den niedersten Stufen derselben, welche von den Thieren<lb/> und Pflanzen in ihren ersten Entwickelungs-Stadien rasch durchlaufen<lb/> werden. Bei sehr zahlreichen Protisten giebt die Unvollkommenheit<lb/> ihrer morphologischen Ausbildung, der Mangel einer eigentlichen<lb/> organologischen Differenzirung und die trotzdem ausgebildete, wenn<lb/> auch lockere Verbindung einfachster Individuen zu scheinbaren Colo-<lb/> nieen Anlass zu vielfachen Zweifeln über den eigentlichen morpholo-<lb/> gischen Werth ihrer Individualität. Daher sind denn auch in dem<lb/> letzten Decennium, welches unsere Kenntniss der Protisten so ausser-<lb/> ordentlich erweitert hat, vielfach verschiedene Ansichten über die<lb/> eigentliche Individualität bei verschiedenen Protisten-Gruppen oder<lb/> Stämmen laut geworden.</p><lb/> <p>Keinem Zweifel ist der Begriff der protistischen Individualität da<lb/> unterworfen, wo dieselbe zeitlebens auf der niedrigsten Stufe einer<lb/> einzelnen Plastide bestehen bleibt, sei dieselbe nun eine kernlose Cy-<lb/> tode, wie bei den Moneren und vielen Rhizopoden etc., oder eine<lb/> kernhaltige Zelle, wie bei den meisten Protoplasten und den einzeln<lb/> lebenden (solitären) Flagellaten und Diatomeen. Hier fällt jedes<lb/> Einzelwesen unter den Begriff eines physiologisch sowohl als morpho-<lb/> logisch vollkommen abgeschlossenen Individuums. Erhebliche Zweifel<lb/> und entschiedene Widersprüche über die Begrenzung der Individualität<lb/> sind dagegen bei denjenigen Protisten laut geworden, deren Einzel-<lb/> wesen eine Vielheit von lockerer oder enger verbundenen Plastiden<lb/> repräsentiren. Insbesondere sind es hier die Stämme der Rhizopoden<lb/> und Spongien, bei denen die Individualität von den verschiedenen<lb/> Beobachtern sehr verschieden beurtheilt worden ist.</p><lb/> <p>Unter den <hi rendition="#g">Rhizopoden</hi> sind die Acyttarien, insbesondere die<lb/> Polythalamien, am längsten Gegenstand der Untersuchung gewesen.<lb/> Die älteren Beobachter sowohl, welche dieselben für Cephalopoden<lb/> hielten, als die meisten Neueren, welche <hi rendition="#g">Dujardins</hi> richtige Auf-<lb/> fassung ihrer Organisation theilten, namentlich auch <hi rendition="#g">Max Schultze,</hi><lb/> hielten die einzelnen vielkammerigen, oft denen der Cephalopoden so<lb/> ähnlichen Schalen der Polythalamien für Individuen. <hi rendition="#g">Ehrenberg</hi><lb/> dagegen erklärte sie für Colonieen, die den Bryozoen-Stöcken ganz<lb/> nahe verwandt seien; und unter den Neueren hat der treffliche Mono-<lb/> graph der Acyttarien, <hi rendition="#g">Carpenter,</hi> <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Carpenter,</hi> Introduction to the study of the Foraminifera. London 1862.</note> dieselben ebenfalls für Thier-<lb/> stöcke erklärt. Jede einzelne Kammer der Schale mit ihrem Sarcode-<lb/> Inhalt ist nach ihm ein Individuum, die ganze vielkammerige Schale<lb/> aber eine Colonie. Diese letztere Auffassung ist nun allerdings dann<lb/> richtig, wenn man darunter nur Plastiden-Stöcke versteht, nicht aber,<lb/> wie <hi rendition="#g">Carpenter</hi> und <hi rendition="#g">Ehrenberg,</hi> Colonieen, welche den ausgebilde-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0291]
Begriff und Aufgabe der Tectologie.
bleiben auf den niedersten Stufen derselben, welche von den Thieren
und Pflanzen in ihren ersten Entwickelungs-Stadien rasch durchlaufen
werden. Bei sehr zahlreichen Protisten giebt die Unvollkommenheit
ihrer morphologischen Ausbildung, der Mangel einer eigentlichen
organologischen Differenzirung und die trotzdem ausgebildete, wenn
auch lockere Verbindung einfachster Individuen zu scheinbaren Colo-
nieen Anlass zu vielfachen Zweifeln über den eigentlichen morpholo-
gischen Werth ihrer Individualität. Daher sind denn auch in dem
letzten Decennium, welches unsere Kenntniss der Protisten so ausser-
ordentlich erweitert hat, vielfach verschiedene Ansichten über die
eigentliche Individualität bei verschiedenen Protisten-Gruppen oder
Stämmen laut geworden.
Keinem Zweifel ist der Begriff der protistischen Individualität da
unterworfen, wo dieselbe zeitlebens auf der niedrigsten Stufe einer
einzelnen Plastide bestehen bleibt, sei dieselbe nun eine kernlose Cy-
tode, wie bei den Moneren und vielen Rhizopoden etc., oder eine
kernhaltige Zelle, wie bei den meisten Protoplasten und den einzeln
lebenden (solitären) Flagellaten und Diatomeen. Hier fällt jedes
Einzelwesen unter den Begriff eines physiologisch sowohl als morpho-
logisch vollkommen abgeschlossenen Individuums. Erhebliche Zweifel
und entschiedene Widersprüche über die Begrenzung der Individualität
sind dagegen bei denjenigen Protisten laut geworden, deren Einzel-
wesen eine Vielheit von lockerer oder enger verbundenen Plastiden
repräsentiren. Insbesondere sind es hier die Stämme der Rhizopoden
und Spongien, bei denen die Individualität von den verschiedenen
Beobachtern sehr verschieden beurtheilt worden ist.
Unter den Rhizopoden sind die Acyttarien, insbesondere die
Polythalamien, am längsten Gegenstand der Untersuchung gewesen.
Die älteren Beobachter sowohl, welche dieselben für Cephalopoden
hielten, als die meisten Neueren, welche Dujardins richtige Auf-
fassung ihrer Organisation theilten, namentlich auch Max Schultze,
hielten die einzelnen vielkammerigen, oft denen der Cephalopoden so
ähnlichen Schalen der Polythalamien für Individuen. Ehrenberg
dagegen erklärte sie für Colonieen, die den Bryozoen-Stöcken ganz
nahe verwandt seien; und unter den Neueren hat der treffliche Mono-
graph der Acyttarien, Carpenter, 1) dieselben ebenfalls für Thier-
stöcke erklärt. Jede einzelne Kammer der Schale mit ihrem Sarcode-
Inhalt ist nach ihm ein Individuum, die ganze vielkammerige Schale
aber eine Colonie. Diese letztere Auffassung ist nun allerdings dann
richtig, wenn man darunter nur Plastiden-Stöcke versteht, nicht aber,
wie Carpenter und Ehrenberg, Colonieen, welche den ausgebilde-
1) Carpenter, Introduction to the study of the Foraminifera. London 1862.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |