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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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V. Verschiedene Auffassungen des thierischen Individuums.

Eine eigenthümliche, genetische und von der vorhergehenden sehr
abweichende Auffassung der Frage von der thierischen Individualität,
und die letzte, welche wir hier zu erwähnen haben, rührt von einem
der hervorragendsten englischen Naturforscher, Th. Huxley, her. 1) Der-
selbe unterscheidet zunächst allgemein drei verschiedene Arten (kinds) der
Individualität überhaupt: 1. Das subjective oder arbiträre Individuum,
lediglich die einheitliche Anschauung eines einzelnen Dinges von einer
gegebenen Art bezeichnend, z. B. eine Landschaft, ein Jahrhundert.
2. Das Individuum als Einheit von Theilen, die durch ein Coexistenz-
Gesetz verbunden sind, z. B. ein Krystall. 3. Das Individuum als
eine Einheit von Zuständen, welche durch ein Successions-Gesetz ver-
bunden sind, also ein Cyclus (z. B. eine Pendelschwingung). Jeder
Organismus ist ein solches Individuum der letzteren Art, also eine
Einheit von verschiedenen, auf einander folgenden Zuständen, von der
Entstehung des Eies an bis zum Tode, so also der Mensch in seiner
Entwickelungsreihe als Ei, Embryo, Kind, Mann und Greis. Allge-
mein bezeichnet ist also das thierische Individuum die Summe der
Erscheinungen, welche durch ein Einzelleben nach einander repräsen-
tirt werden, oder mit andern Worten, die Summe aller einzelnen For-
men, die aus einem einzigen Ei hervorgehen.

Die sehr verschiedene Art und Weise, in der nach dieser Auf-
fassung das Individuum in verschiedenen Abtheilungen des Thierreiches
repräsentirt wird, stellt Huxley in folgender Uebersicht zusammen:

I. Darstellung des Individuums durch successive inseparable Formen.

A. Formen wenig verschieden. Einfaches Wachsthum (z. B. Ascaris).

B. Formen deutlich verschieden. Metamorphose (z. B. Triton).

II. Darstellung des Individuums durch successive separable
Formen.

1) Frühere Formen nicht unabhängig von den späteren.

A. Formen wenig verschieden. Wachsthum mit Ecdysis oder Häutung (z. B. Blatta).

B. Formen deutlich verschieden. Wachsthum mit Metamorphose (z. B. Käfer).

2) Frühere Formen theilweis unabhängig vou den späteren (z. B. Seesterne).

III. Darstellung des Individuums durch successive und coexistente
separable Formen.

a. Aeussere Knospung. } b. Innere Knospung.

A. Formen wenig verschieden. Alle Formen produciren Eier.

Hydra. Nais. } Gyrodactylus.

B. Formen deutlich verschieden. Bloss die letzten Formen produciren Eier.
Die letzten Formen nicht örtlich (General) erzeugt.

Medusa } Distoma

Die letzten Formen örtlich (Local) erzeugt.

Salpa } Aphis.

1) Th. Huxley, Upon animal individuality. Proceed. of the royal institution.
Nov. ser. Vol. I, 1855. p. 184 ff.
V. Verschiedene Auffassungen des thierischen Individuums.

Eine eigenthümliche, genetische und von der vorhergehenden sehr
abweichende Auffassung der Frage von der thierischen Individualität,
und die letzte, welche wir hier zu erwähnen haben, rührt von einem
der hervorragendsten englischen Naturforscher, Th. Huxley, her. 1) Der-
selbe unterscheidet zunächst allgemein drei verschiedene Arten (kinds) der
Individualität überhaupt: 1. Das subjective oder arbiträre Individuum,
lediglich die einheitliche Anschauung eines einzelnen Dinges von einer
gegebenen Art bezeichnend, z. B. eine Landschaft, ein Jahrhundert.
2. Das Individuum als Einheit von Theilen, die durch ein Coexistenz-
Gesetz verbunden sind, z. B. ein Krystall. 3. Das Individuum als
eine Einheit von Zuständen, welche durch ein Successions-Gesetz ver-
bunden sind, also ein Cyclus (z. B. eine Pendelschwingung). Jeder
Organismus ist ein solches Individuum der letzteren Art, also eine
Einheit von verschiedenen, auf einander folgenden Zuständen, von der
Entstehung des Eies an bis zum Tode, so also der Mensch in seiner
Entwickelungsreihe als Ei, Embryo, Kind, Mann und Greis. Allge-
mein bezeichnet ist also das thierische Individuum die Summe der
Erscheinungen, welche durch ein Einzelleben nach einander repräsen-
tirt werden, oder mit andern Worten, die Summe aller einzelnen For-
men, die aus einem einzigen Ei hervorgehen.

Die sehr verschiedene Art und Weise, in der nach dieser Auf-
fassung das Individuum in verschiedenen Abtheilungen des Thierreiches
repräsentirt wird, stellt Huxley in folgender Uebersicht zusammen:

I. Darstellung des Individuums durch successive inseparable Formen.

A. Formen wenig verschieden. Einfaches Wachsthum (z. B. Ascaris).

B. Formen deutlich verschieden. Metamorphose (z. B. Triton).

II. Darstellung des Individuums durch successive separable
Formen.

1) Frühere Formen nicht unabhängig von den späteren.

A. Formen wenig verschieden. Wachsthum mit Ecdysis oder Häutung (z. B. Blatta).

B. Formen deutlich verschieden. Wachsthum mit Metamorphose (z. B. Käfer).

2) Frühere Formen theilweis unabhängig vou den späteren (z. B. Seesterne).

III. Darstellung des Individuums durch successive und coexistente
separable Formen.

a. Aeussere Knospung. } b. Innere Knospung.

A. Formen wenig verschieden. Alle Formen produciren Eier.

Hydra. Nais. } Gyrodactylus.

B. Formen deutlich verschieden. Bloss die letzten Formen produciren Eier.
Die letzten Formen nicht örtlich (General) erzeugt.

Medusa } Distoma

Die letzten Formen örtlich (Local) erzeugt.

Salpa } Aphis.

1) Th. Huxley, Upon animal individuality. Proceed. of the royal institution.
Nov. ser. Vol. I, 1855. p. 184 ff.
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[261/0300] V. Verschiedene Auffassungen des thierischen Individuums. Eine eigenthümliche, genetische und von der vorhergehenden sehr abweichende Auffassung der Frage von der thierischen Individualität, und die letzte, welche wir hier zu erwähnen haben, rührt von einem der hervorragendsten englischen Naturforscher, Th. Huxley, her. 1) Der- selbe unterscheidet zunächst allgemein drei verschiedene Arten (kinds) der Individualität überhaupt: 1. Das subjective oder arbiträre Individuum, lediglich die einheitliche Anschauung eines einzelnen Dinges von einer gegebenen Art bezeichnend, z. B. eine Landschaft, ein Jahrhundert. 2. Das Individuum als Einheit von Theilen, die durch ein Coexistenz- Gesetz verbunden sind, z. B. ein Krystall. 3. Das Individuum als eine Einheit von Zuständen, welche durch ein Successions-Gesetz ver- bunden sind, also ein Cyclus (z. B. eine Pendelschwingung). Jeder Organismus ist ein solches Individuum der letzteren Art, also eine Einheit von verschiedenen, auf einander folgenden Zuständen, von der Entstehung des Eies an bis zum Tode, so also der Mensch in seiner Entwickelungsreihe als Ei, Embryo, Kind, Mann und Greis. Allge- mein bezeichnet ist also das thierische Individuum die Summe der Erscheinungen, welche durch ein Einzelleben nach einander repräsen- tirt werden, oder mit andern Worten, die Summe aller einzelnen For- men, die aus einem einzigen Ei hervorgehen. Die sehr verschiedene Art und Weise, in der nach dieser Auf- fassung das Individuum in verschiedenen Abtheilungen des Thierreiches repräsentirt wird, stellt Huxley in folgender Uebersicht zusammen: I. Darstellung des Individuums durch successive inseparable Formen. A. Formen wenig verschieden. Einfaches Wachsthum (z. B. Ascaris). B. Formen deutlich verschieden. Metamorphose (z. B. Triton). II. Darstellung des Individuums durch successive separable Formen. 1) Frühere Formen nicht unabhängig von den späteren. A. Formen wenig verschieden. Wachsthum mit Ecdysis oder Häutung (z. B. Blatta). B. Formen deutlich verschieden. Wachsthum mit Metamorphose (z. B. Käfer). 2) Frühere Formen theilweis unabhängig vou den späteren (z. B. Seesterne). III. Darstellung des Individuums durch successive und coexistente separable Formen. a. Aeussere Knospung. } b. Innere Knospung. A. Formen wenig verschieden. Alle Formen produciren Eier. Hydra. Nais. } Gyrodactylus. B. Formen deutlich verschieden. Bloss die letzten Formen produciren Eier. Die letzten Formen nicht örtlich (General) erzeugt. Medusa } Distoma Die letzten Formen örtlich (Local) erzeugt. Salpa } Aphis. 1) Th. Huxley, Upon animal individuality. Proceed. of the royal institution. Nov. ser. Vol. I, 1855. p. 184 ff.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/300>, abgerufen am 24.11.2024.