In sehr vielen Fällen existiren die nackten, hautlosen Plastiden sehr lange Zeit hindurch, und zwar gerade in der Jugendzeit, wo sie am thatkräftigsten und leistungsfähigsten sind, ohne alle Hülle, und umgeben sich erst mit einer solchen, wenn sie in den ruhigeren und passiveren Zustand des Alters übergehen. Insbesondere zeigt sich dieser Umstand darin, dass die Membran meist ganz vermisst wird, so lange die Zelle als Ganzes noch wächst und ihr Volum ausdehnt, und so lange sie sich noch durch Theilung vermehrt. Eine Plastide mit Membran (oder Lepoplastide) ist jedenfalls abgeschlossener gegen die Aussenwelt, als eine nackte hüllenlose Plastide ohne Membran (oder Gymnoplastide) deren Oberfläche unmittelbar mit ihrer Um- gebung in Berührung steht und demgemäss mit derselben in weit energischere Wechselwirkung treten kann. Dieses Verhältniss ist besonders von Max Schultze betont worden, welcher die von einer Membran umschlossene Zelle sehr passend mit einem encystirten In- fusorium vergleicht, und hinzufügt, dass die Bildung einer chemisch differenten Membran auf der Oberfläche des Protoplasma ein Zeichen beginnenden Rückschrittes sei, ein Zeichen herannahender Decrescenz, oder wenigstens eines Stadiums, auf welchem die Zelle in den ihr ur- sprünglich zukommenden Lebensthätigkeiten bereits eine bedeutende Einschränkung erleidet. (l. c. p. 21).
Die Zellenmembran fällt demnach in unserer Anschauung in eine Ordnung oder Kategorie zusammen mit den übrigen Theilen der Zelle, welche als Producte der Zelle auftreten, und sind namentlich nicht scharf zu trennen von einer anderen Reihe äusserer Plasma-Producte, nämlich von den Intercellular-Substanzen, denen man, beson- ders in der pflanzlichen Histologie, bei weitem nicht die Bedeutung, wie den Membranen zuerkannt hat. Zwar werden die Zellenmembranen und die Intercellular-Substanzen in der Regel, und namentlich von den Botanikern, als ganz verschiedene Dinge betrachtet; indess ist es in sehr vielen, und namentlich thierischen Geweben mit Sicherheit nachzuweisen, dass die Intercellularsubstanz aus verschmelzenden Membranen benachbarter Zellen hervorgeht. Dass beiderlei Substan- zen in vielen Fällen von sehr verschiedener chemischer und physi- kalischer Beschaffenheit sind, spricht nicht dagegen, da die Zelle fähig ist, in verschiedenen Perioden ihres Lebens sehr verschiedene Stoffe abzuscheiden.
Die Membran der Plastiden, und zwar ebenso die Cytoden- membran, wie die Zellenmembran, entsteht entweder durch Differen- zirung der äussersten Plasmaschicht der hautlosen nackten Plastiden, indem diese erhärtet und sich von den tieferen weicheren Schichten ablöst, oder sie entsteht durch Ausscheidung (Exsudation) einer besonderen Substanz, welche alsbald nach ihrem Austritt aus der Oberfläche des Plasma erhärtet,
Morphologische Individualität der Organismen.
In sehr vielen Fällen existiren die nackten, hautlosen Plastiden sehr lange Zeit hindurch, und zwar gerade in der Jugendzeit, wo sie am thatkräftigsten und leistungsfähigsten sind, ohne alle Hülle, und umgeben sich erst mit einer solchen, wenn sie in den ruhigeren und passiveren Zustand des Alters übergehen. Insbesondere zeigt sich dieser Umstand darin, dass die Membran meist ganz vermisst wird, so lange die Zelle als Ganzes noch wächst und ihr Volum ausdehnt, und so lange sie sich noch durch Theilung vermehrt. Eine Plastide mit Membran (oder Lepoplastide) ist jedenfalls abgeschlossener gegen die Aussenwelt, als eine nackte hüllenlose Plastide ohne Membran (oder Gymnoplastide) deren Oberfläche unmittelbar mit ihrer Um- gebung in Berührung steht und demgemäss mit derselben in weit energischere Wechselwirkung treten kann. Dieses Verhältniss ist besonders von Max Schultze betont worden, welcher die von einer Membran umschlossene Zelle sehr passend mit einem encystirten In- fusorium vergleicht, und hinzufügt, dass die Bildung einer chemisch differenten Membran auf der Oberfläche des Protoplasma ein Zeichen beginnenden Rückschrittes sei, ein Zeichen herannahender Decrescenz, oder wenigstens eines Stadiums, auf welchem die Zelle in den ihr ur- sprünglich zukommenden Lebensthätigkeiten bereits eine bedeutende Einschränkung erleidet. (l. c. p. 21).
Die Zellenmembran fällt demnach in unserer Anschauung in eine Ordnung oder Kategorie zusammen mit den übrigen Theilen der Zelle, welche als Producte der Zelle auftreten, und sind namentlich nicht scharf zu trennen von einer anderen Reihe äusserer Plasma-Producte, nämlich von den Intercellular-Substanzen, denen man, beson- ders in der pflanzlichen Histologie, bei weitem nicht die Bedeutung, wie den Membranen zuerkannt hat. Zwar werden die Zellenmembranen und die Intercellular-Substanzen in der Regel, und namentlich von den Botanikern, als ganz verschiedene Dinge betrachtet; indess ist es in sehr vielen, und namentlich thierischen Geweben mit Sicherheit nachzuweisen, dass die Intercellularsubstanz aus verschmelzenden Membranen benachbarter Zellen hervorgeht. Dass beiderlei Substan- zen in vielen Fällen von sehr verschiedener chemischer und physi- kalischer Beschaffenheit sind, spricht nicht dagegen, da die Zelle fähig ist, in verschiedenen Perioden ihres Lebens sehr verschiedene Stoffe abzuscheiden.
Die Membran der Plastiden, und zwar ebenso die Cytoden- membran, wie die Zellenmembran, entsteht entweder durch Differen- zirung der äussersten Plasmaschicht der hautlosen nackten Plastiden, indem diese erhärtet und sich von den tieferen weicheren Schichten ablöst, oder sie entsteht durch Ausscheidung (Exsudation) einer besonderen Substanz, welche alsbald nach ihrem Austritt aus der Oberfläche des Plasma erhärtet,
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[282/0321]
Morphologische Individualität der Organismen.
In sehr vielen Fällen existiren die nackten, hautlosen Plastiden
sehr lange Zeit hindurch, und zwar gerade in der Jugendzeit, wo sie
am thatkräftigsten und leistungsfähigsten sind, ohne alle Hülle, und
umgeben sich erst mit einer solchen, wenn sie in den ruhigeren und
passiveren Zustand des Alters übergehen. Insbesondere zeigt sich
dieser Umstand darin, dass die Membran meist ganz vermisst wird,
so lange die Zelle als Ganzes noch wächst und ihr Volum ausdehnt,
und so lange sie sich noch durch Theilung vermehrt. Eine Plastide
mit Membran (oder Lepoplastide) ist jedenfalls abgeschlossener gegen
die Aussenwelt, als eine nackte hüllenlose Plastide ohne Membran
(oder Gymnoplastide) deren Oberfläche unmittelbar mit ihrer Um-
gebung in Berührung steht und demgemäss mit derselben in weit
energischere Wechselwirkung treten kann. Dieses Verhältniss ist
besonders von Max Schultze betont worden, welcher die von einer
Membran umschlossene Zelle sehr passend mit einem encystirten In-
fusorium vergleicht, und hinzufügt, dass die Bildung einer chemisch
differenten Membran auf der Oberfläche des Protoplasma ein Zeichen
beginnenden Rückschrittes sei, ein Zeichen herannahender Decrescenz,
oder wenigstens eines Stadiums, auf welchem die Zelle in den ihr ur-
sprünglich zukommenden Lebensthätigkeiten bereits eine bedeutende
Einschränkung erleidet. (l. c. p. 21).
Die Zellenmembran fällt demnach in unserer Anschauung in eine
Ordnung oder Kategorie zusammen mit den übrigen Theilen der Zelle,
welche als Producte der Zelle auftreten, und sind namentlich nicht
scharf zu trennen von einer anderen Reihe äusserer Plasma-Producte,
nämlich von den Intercellular-Substanzen, denen man, beson-
ders in der pflanzlichen Histologie, bei weitem nicht die Bedeutung,
wie den Membranen zuerkannt hat. Zwar werden die Zellenmembranen
und die Intercellular-Substanzen in der Regel, und namentlich von
den Botanikern, als ganz verschiedene Dinge betrachtet; indess ist es
in sehr vielen, und namentlich thierischen Geweben mit Sicherheit
nachzuweisen, dass die Intercellularsubstanz aus verschmelzenden
Membranen benachbarter Zellen hervorgeht. Dass beiderlei Substan-
zen in vielen Fällen von sehr verschiedener chemischer und physi-
kalischer Beschaffenheit sind, spricht nicht dagegen, da die Zelle
fähig ist, in verschiedenen Perioden ihres Lebens sehr verschiedene
Stoffe abzuscheiden.
Die Membran der Plastiden, und zwar ebenso die Cytoden-
membran, wie die Zellenmembran, entsteht entweder durch Differen-
zirung der äussersten Plasmaschicht der hautlosen nackten Plastiden, indem
diese erhärtet und sich von den tieferen weicheren Schichten ablöst, oder
sie entsteht durch Ausscheidung (Exsudation) einer besonderen Substanz,
welche alsbald nach ihrem Austritt aus der Oberfläche des Plasma erhärtet,
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/321>, abgerufen am 26.11.2024.
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