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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Morphologische Individualität der Organismen.
verdankt. Als die bekanntesten Beispiele, an denen sich diese "Strömungen"
des contractilen Plasma leicht demonstriren lassen, werden gewöhnlich die
Zellen der Staubfädenhaare von Tradescantia angeführt. Dieselben sind in
der gleichen Form an sehr vielen grossen Pflanzenzellen leicht wahrzuneh-
men, unter den thierischen Zellen besonders an den durch beträchtliche
Grösse ausgezeichneten Knorpelzellen (z. B. an den Medusententakeln)
und "Blasenzellen" des blasigen Bindegewebes (z. B. der Crustaceen,
Schnecken).

Diese eigenthümliche Vertheilung des Plasma, auf die man mit Recht gros-
ses Gewicht gelegt hat, ist zurückzuführen auf die Fähigkeit des Plasma, Va-
cuolen
zu bilden, d. h. wässerige Flüssigkeiten, Salzlösungen etc., mit
denen sich seine eigene Substanz nicht mischt, in sein Inneres aufzunehmen
und, ohne sich damit zu imbibiren, sie in Form von grösseren und kleineren
Tropfen in seiner Substanz zu vertheilen. Dabei kann während des Durch-
tritts der wässerigen Flüssigkeit durch die äusseren Plasmaschichten hin-
durch die erstere durch unmittelbare Einwirkung der letzteren verändert
werden, so dass nun die Flüssigkeitstropfen oder Vacuolen im Innern be-
reits als "innere Plasma-Producte" erscheinen. Werden die Vacuolen gross
und zahlreich, so fliessen sie im Innern der Plastide zu einem einzigen
Körper zusammen, der fast die ganze geräumige Höhlung der Zellenmem-
bran ausfüllt, so dass das Plasma, zurückgedrängt auf die Aussenfläche des
Kerns und die Innenfläche der Membran, nur noch durch diese beiden
Schichten repräsentirt wird, sowie durch die beide Schichten verbindenden,
verästelten Plasmafäden, welche die Reste der ursprünglich die Vacuolen
trennenden Plasmahäute sind. Wenn der Nucleus nicht im Innern der
Plastide liegen bleibt, sondern sich an deren Peripherie begiebt, so kann
zuletzt die ganze Plastide zu einer einzigen grossen blasenförmigen Vacuole
ausgedehnt werden, in der nur eine ganz dünne, den Kern an irgend einer
Stelle einschliessende Plasmaschicht, gleich einer dünnen Eiweissmembran,
den grossen wässerigen Tropfen umgiebt.

Gleichwie die Plastide so durch Vacuolen-Bildung, durch Aufnahme
wässeriger Zellflüssigkeit in das Innere des Plasma, zu einer dünnwandigen
Plasmablase ausgedehnt werden kann, so kann dasselbe auch durch Pro-
duction anderer Stoffe im Innern geschehen, z. B. von Fett. Die gewöhn-
lichen Fettzellen des Bindegewebes der Wirbelthiere sind derartige Plasma-
blasen, deren ganzes Innere von einer einzigen grossen Fettkugel, gewisser-
maassen einer Fett-Alveole, ausgefüllt wird, während in irgend einer Stelle
der das Fett umhüllenden Plasmaschicht, die als eine besondere Membran
erscheint, der Kern eingeschlossen bleibt.

Eine weitere Uebersicht aller der unendlich verschiedenartigen Stoffe,
die im Innern des Plasma abgelagert werden können, hat für unsere Be-
trachtung hier weiter kein besonderes Interesse und es sollen blos einige
von den wichtigsten derselben kurz namhaft gemacht werden. Unter den
geformten inneren Plasma-Producten sind von besonderem Interesse die
Krystalle, theils von organischen, theils von anorganischen Salzen, von
Fetten, gewissen Eiweissstoffen etc., die nicht selten im Plasma gebildet
werden. Sehr wichtig sind ferner die verschiedenartigen Concretionen,

Morphologische Individualität der Organismen.
verdankt. Als die bekanntesten Beispiele, an denen sich diese „Strömungen“
des contractilen Plasma leicht demonstriren lassen, werden gewöhnlich die
Zellen der Staubfädenhaare von Tradescantia angeführt. Dieselben sind in
der gleichen Form an sehr vielen grossen Pflanzenzellen leicht wahrzuneh-
men, unter den thierischen Zellen besonders an den durch beträchtliche
Grösse ausgezeichneten Knorpelzellen (z. B. an den Medusententakeln)
und „Blasenzellen“ des blasigen Bindegewebes (z. B. der Crustaceen,
Schnecken).

Diese eigenthümliche Vertheilung des Plasma, auf die man mit Recht gros-
ses Gewicht gelegt hat, ist zurückzuführen auf die Fähigkeit des Plasma, Va-
cuolen
zu bilden, d. h. wässerige Flüssigkeiten, Salzlösungen etc., mit
denen sich seine eigene Substanz nicht mischt, in sein Inneres aufzunehmen
und, ohne sich damit zu imbibiren, sie in Form von grösseren und kleineren
Tropfen in seiner Substanz zu vertheilen. Dabei kann während des Durch-
tritts der wässerigen Flüssigkeit durch die äusseren Plasmaschichten hin-
durch die erstere durch unmittelbare Einwirkung der letzteren verändert
werden, so dass nun die Flüssigkeitstropfen oder Vacuolen im Innern be-
reits als „innere Plasma-Producte“ erscheinen. Werden die Vacuolen gross
und zahlreich, so fliessen sie im Innern der Plastide zu einem einzigen
Körper zusammen, der fast die ganze geräumige Höhlung der Zellenmem-
bran ausfüllt, so dass das Plasma, zurückgedrängt auf die Aussenfläche des
Kerns und die Innenfläche der Membran, nur noch durch diese beiden
Schichten repräsentirt wird, sowie durch die beide Schichten verbindenden,
verästelten Plasmafäden, welche die Reste der ursprünglich die Vacuolen
trennenden Plasmahäute sind. Wenn der Nucleus nicht im Innern der
Plastide liegen bleibt, sondern sich an deren Peripherie begiebt, so kann
zuletzt die ganze Plastide zu einer einzigen grossen blasenförmigen Vacuole
ausgedehnt werden, in der nur eine ganz dünne, den Kern an irgend einer
Stelle einschliessende Plasmaschicht, gleich einer dünnen Eiweissmembran,
den grossen wässerigen Tropfen umgiebt.

Gleichwie die Plastide so durch Vacuolen-Bildung, durch Aufnahme
wässeriger Zellflüssigkeit in das Innere des Plasma, zu einer dünnwandigen
Plasmablase ausgedehnt werden kann, so kann dasselbe auch durch Pro-
duction anderer Stoffe im Innern geschehen, z. B. von Fett. Die gewöhn-
lichen Fettzellen des Bindegewebes der Wirbelthiere sind derartige Plasma-
blasen, deren ganzes Innere von einer einzigen grossen Fettkugel, gewisser-
maassen einer Fett-Alveole, ausgefüllt wird, während in irgend einer Stelle
der das Fett umhüllenden Plasmaschicht, die als eine besondere Membran
erscheint, der Kern eingeschlossen bleibt.

Eine weitere Uebersicht aller der unendlich verschiedenartigen Stoffe,
die im Innern des Plasma abgelagert werden können, hat für unsere Be-
trachtung hier weiter kein besonderes Interesse und es sollen blos einige
von den wichtigsten derselben kurz namhaft gemacht werden. Unter den
geformten inneren Plasma-Producten sind von besonderem Interesse die
Krystalle, theils von organischen, theils von anorganischen Salzen, von
Fetten, gewissen Eiweissstoffen etc., die nicht selten im Plasma gebildet
werden. Sehr wichtig sind ferner die verschiedenartigen Concretionen,

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[286/0325] Morphologische Individualität der Organismen. verdankt. Als die bekanntesten Beispiele, an denen sich diese „Strömungen“ des contractilen Plasma leicht demonstriren lassen, werden gewöhnlich die Zellen der Staubfädenhaare von Tradescantia angeführt. Dieselben sind in der gleichen Form an sehr vielen grossen Pflanzenzellen leicht wahrzuneh- men, unter den thierischen Zellen besonders an den durch beträchtliche Grösse ausgezeichneten Knorpelzellen (z. B. an den Medusententakeln) und „Blasenzellen“ des blasigen Bindegewebes (z. B. der Crustaceen, Schnecken). Diese eigenthümliche Vertheilung des Plasma, auf die man mit Recht gros- ses Gewicht gelegt hat, ist zurückzuführen auf die Fähigkeit des Plasma, Va- cuolen zu bilden, d. h. wässerige Flüssigkeiten, Salzlösungen etc., mit denen sich seine eigene Substanz nicht mischt, in sein Inneres aufzunehmen und, ohne sich damit zu imbibiren, sie in Form von grösseren und kleineren Tropfen in seiner Substanz zu vertheilen. Dabei kann während des Durch- tritts der wässerigen Flüssigkeit durch die äusseren Plasmaschichten hin- durch die erstere durch unmittelbare Einwirkung der letzteren verändert werden, so dass nun die Flüssigkeitstropfen oder Vacuolen im Innern be- reits als „innere Plasma-Producte“ erscheinen. Werden die Vacuolen gross und zahlreich, so fliessen sie im Innern der Plastide zu einem einzigen Körper zusammen, der fast die ganze geräumige Höhlung der Zellenmem- bran ausfüllt, so dass das Plasma, zurückgedrängt auf die Aussenfläche des Kerns und die Innenfläche der Membran, nur noch durch diese beiden Schichten repräsentirt wird, sowie durch die beide Schichten verbindenden, verästelten Plasmafäden, welche die Reste der ursprünglich die Vacuolen trennenden Plasmahäute sind. Wenn der Nucleus nicht im Innern der Plastide liegen bleibt, sondern sich an deren Peripherie begiebt, so kann zuletzt die ganze Plastide zu einer einzigen grossen blasenförmigen Vacuole ausgedehnt werden, in der nur eine ganz dünne, den Kern an irgend einer Stelle einschliessende Plasmaschicht, gleich einer dünnen Eiweissmembran, den grossen wässerigen Tropfen umgiebt. Gleichwie die Plastide so durch Vacuolen-Bildung, durch Aufnahme wässeriger Zellflüssigkeit in das Innere des Plasma, zu einer dünnwandigen Plasmablase ausgedehnt werden kann, so kann dasselbe auch durch Pro- duction anderer Stoffe im Innern geschehen, z. B. von Fett. Die gewöhn- lichen Fettzellen des Bindegewebes der Wirbelthiere sind derartige Plasma- blasen, deren ganzes Innere von einer einzigen grossen Fettkugel, gewisser- maassen einer Fett-Alveole, ausgefüllt wird, während in irgend einer Stelle der das Fett umhüllenden Plasmaschicht, die als eine besondere Membran erscheint, der Kern eingeschlossen bleibt. Eine weitere Uebersicht aller der unendlich verschiedenartigen Stoffe, die im Innern des Plasma abgelagert werden können, hat für unsere Be- trachtung hier weiter kein besonderes Interesse und es sollen blos einige von den wichtigsten derselben kurz namhaft gemacht werden. Unter den geformten inneren Plasma-Producten sind von besonderem Interesse die Krystalle, theils von organischen, theils von anorganischen Salzen, von Fetten, gewissen Eiweissstoffen etc., die nicht selten im Plasma gebildet werden. Sehr wichtig sind ferner die verschiedenartigen Concretionen,

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/325>, abgerufen am 26.11.2024.