Bionten erster Ordnung auftreten. Alle diese Keime von dem Form- werthe einer einfachen Plastide vermögen sich unmittelbar zu einem Organismus zu entwickeln, der als reifes Bion den morphologischen Werth eines Plastiden-Complexes besitzt.
Solche virtuelle Bionten erster Ordnung sind also alle wirklich einzelligen Eier der Thiere (mithin die mehrzelligen Insecten-Eier ausgenommen?), ferner die Embryobläschen oder Keimbläschen (oder echten Eier) der Phanerogamen, die Archegonium-Centralzellen und die einfachen (monoplastiden) Sporen oder Keimplastiden der Crypto- gamen und vieler Protisten etc. Aber ausser diesen regulären Fort- pflanzungszellen, welche auf dem ordinären Wege der Zeugungskreise die Erhaltung der Art bewirken, müssen auch alle jene einfachen Plastiden hierher gerechnet werden, welche, von irgend welchen Theilen eines actuellen Bion abgelöst, die Fähigkeit besitzen, sich unmittelbar wieder zu einem, dem elterlichen gleichen Bion zu entwickeln, wie dies von einzelnen abgelösten Plastiden vieler Protisten und niederer Cryptogamen (selbst einzelner höherer Pflanzen, z. B. Bryophyllum) bekannt ist; ferner von der Hydra und anderen niederen Thieren.
Die Plastiden, welche als virtuelle Bionten auftreten, sind bald echte (kernhaltige) Zellen (z. B. die echten Eier), bald kernlose Cy- toden (z. B. viele Sporen und sogenannte "Sommer-Eier"). Meistens sind sie von einer Membran umgeben, selten hüllenlos. Nackte Eier finden sich z. B. bei vielen Medusen (Lizzia, Oceania etc.). Auch die ihren Hüllen entschlüpften Schwärmsporen sind nackt.
I. C. Die Plastiden als partielle Bionten.
Sehr viele Cytoden und Zellen, welche nicht, gleich den vorher erwähnten Plastiden, die Fähigkeit besitzen, losgelöst vom elterlichen Organismus, sich weiter zu entwickeln und zu einem actuellen Bion zu ergänzen, vermögen dennoch sich nach ihrer Ablösung vom zuge- hörigen Organismus längere oder kürzere Zeit am Leben zu erhalten, und dieselben Functionen, welche sie vorher, im Zusammenhang mit dem Ganzen ausübten, auch jetzt noch isolirt weiter zu führen. Viele Plastiden oder selbst Plastidentheile vermögen sogar ihre specielle Function erst nach der Ablösung vom actuellen Bion zu erfüllen, wie die Zoospermien. Alle diese morphologischen Individuen erster Ord- nung würden wir hier als partielle oder scheinbare Bionten aufzu- führen haben.
Wir finden diese Erscheinung vorzüglich bei nackten, amoeben- artigen Plastiden, welche sich durch ihre characteristischen Bewegungen auszeichnen, z. B. bei den farblosen Blutzellen der Thiere, den Zellen der Spongien etc. Diese vermögen oft tagelang nach ihrer Ablösung aus dem zugehörigen Organismus ihre Bewegungen fortzusetzen, und
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I. Die Plastiden als Bionten.
Bionten erster Ordnung auftreten. Alle diese Keime von dem Form- werthe einer einfachen Plastide vermögen sich unmittelbar zu einem Organismus zu entwickeln, der als reifes Bion den morphologischen Werth eines Plastiden-Complexes besitzt.
Solche virtuelle Bionten erster Ordnung sind also alle wirklich einzelligen Eier der Thiere (mithin die mehrzelligen Insecten-Eier ausgenommen?), ferner die Embryobläschen oder Keimbläschen (oder echten Eier) der Phanerogamen, die Archegonium-Centralzellen und die einfachen (monoplastiden) Sporen oder Keimplastiden der Crypto- gamen und vieler Protisten etc. Aber ausser diesen regulären Fort- pflanzungszellen, welche auf dem ordinären Wege der Zeugungskreise die Erhaltung der Art bewirken, müssen auch alle jene einfachen Plastiden hierher gerechnet werden, welche, von irgend welchen Theilen eines actuellen Bion abgelöst, die Fähigkeit besitzen, sich unmittelbar wieder zu einem, dem elterlichen gleichen Bion zu entwickeln, wie dies von einzelnen abgelösten Plastiden vieler Protisten und niederer Cryptogamen (selbst einzelner höherer Pflanzen, z. B. Bryophyllum) bekannt ist; ferner von der Hydra und anderen niederen Thieren.
Die Plastiden, welche als virtuelle Bionten auftreten, sind bald echte (kernhaltige) Zellen (z. B. die echten Eier), bald kernlose Cy- toden (z. B. viele Sporen und sogenannte „Sommer-Eier“). Meistens sind sie von einer Membran umgeben, selten hüllenlos. Nackte Eier finden sich z. B. bei vielen Medusen (Lizzia, Oceania etc.). Auch die ihren Hüllen entschlüpften Schwärmsporen sind nackt.
I. C. Die Plastiden als partielle Bionten.
Sehr viele Cytoden und Zellen, welche nicht, gleich den vorher erwähnten Plastiden, die Fähigkeit besitzen, losgelöst vom elterlichen Organismus, sich weiter zu entwickeln und zu einem actuellen Bion zu ergänzen, vermögen dennoch sich nach ihrer Ablösung vom zuge- hörigen Organismus längere oder kürzere Zeit am Leben zu erhalten, und dieselben Functionen, welche sie vorher, im Zusammenhang mit dem Ganzen ausübten, auch jetzt noch isolirt weiter zu führen. Viele Plastiden oder selbst Plastidentheile vermögen sogar ihre specielle Function erst nach der Ablösung vom actuellen Bion zu erfüllen, wie die Zoospermien. Alle diese morphologischen Individuen erster Ord- nung würden wir hier als partielle oder scheinbare Bionten aufzu- führen haben.
Wir finden diese Erscheinung vorzüglich bei nackten, amoeben- artigen Plastiden, welche sich durch ihre characteristischen Bewegungen auszeichnen, z. B. bei den farblosen Blutzellen der Thiere, den Zellen der Spongien etc. Diese vermögen oft tagelang nach ihrer Ablösung aus dem zugehörigen Organismus ihre Bewegungen fortzusetzen, und
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I. Die Plastiden als Bionten.
Bionten erster Ordnung auftreten. Alle diese Keime von dem Form-
werthe einer einfachen Plastide vermögen sich unmittelbar zu einem
Organismus zu entwickeln, der als reifes Bion den morphologischen
Werth eines Plastiden-Complexes besitzt.
Solche virtuelle Bionten erster Ordnung sind also alle wirklich
einzelligen Eier der Thiere (mithin die mehrzelligen Insecten-Eier
ausgenommen?), ferner die Embryobläschen oder Keimbläschen (oder
echten Eier) der Phanerogamen, die Archegonium-Centralzellen und
die einfachen (monoplastiden) Sporen oder Keimplastiden der Crypto-
gamen und vieler Protisten etc. Aber ausser diesen regulären Fort-
pflanzungszellen, welche auf dem ordinären Wege der Zeugungskreise
die Erhaltung der Art bewirken, müssen auch alle jene einfachen
Plastiden hierher gerechnet werden, welche, von irgend welchen Theilen
eines actuellen Bion abgelöst, die Fähigkeit besitzen, sich unmittelbar
wieder zu einem, dem elterlichen gleichen Bion zu entwickeln, wie
dies von einzelnen abgelösten Plastiden vieler Protisten und niederer
Cryptogamen (selbst einzelner höherer Pflanzen, z. B. Bryophyllum)
bekannt ist; ferner von der Hydra und anderen niederen Thieren.
Die Plastiden, welche als virtuelle Bionten auftreten, sind bald
echte (kernhaltige) Zellen (z. B. die echten Eier), bald kernlose Cy-
toden (z. B. viele Sporen und sogenannte „Sommer-Eier“). Meistens
sind sie von einer Membran umgeben, selten hüllenlos. Nackte Eier
finden sich z. B. bei vielen Medusen (Lizzia, Oceania etc.). Auch die
ihren Hüllen entschlüpften Schwärmsporen sind nackt.
I. C. Die Plastiden als partielle Bionten.
Sehr viele Cytoden und Zellen, welche nicht, gleich den vorher
erwähnten Plastiden, die Fähigkeit besitzen, losgelöst vom elterlichen
Organismus, sich weiter zu entwickeln und zu einem actuellen Bion
zu ergänzen, vermögen dennoch sich nach ihrer Ablösung vom zuge-
hörigen Organismus längere oder kürzere Zeit am Leben zu erhalten,
und dieselben Functionen, welche sie vorher, im Zusammenhang mit
dem Ganzen ausübten, auch jetzt noch isolirt weiter zu führen. Viele
Plastiden oder selbst Plastidentheile vermögen sogar ihre specielle
Function erst nach der Ablösung vom actuellen Bion zu erfüllen, wie
die Zoospermien. Alle diese morphologischen Individuen erster Ord-
nung würden wir hier als partielle oder scheinbare Bionten aufzu-
führen haben.
Wir finden diese Erscheinung vorzüglich bei nackten, amoeben-
artigen Plastiden, welche sich durch ihre characteristischen Bewegungen
auszeichnen, z. B. bei den farblosen Blutzellen der Thiere, den Zellen
der Spongien etc. Diese vermögen oft tagelang nach ihrer Ablösung
aus dem zugehörigen Organismus ihre Bewegungen fortzusetzen, und
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/378>, abgerufen am 23.11.2024.
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