Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Physiologiche Individualität der Organismen.
solitären Bandwürmer: Caryophyllaeus, Echeneibothrium, alle Trematoden und
Turbellarien (nach Ausschluss der Nemertinen), alle Nematoden (?) und
Gephyreen (?)

Zweite Gruppe der Würmer: Gegliederte Würmer: das actuelle Bion
ist eine Kette von Metameren, also ein Form-Individuum fünfter Ordnung, eine
Person. Erste Abtheilung: die durch terminale Knospung entstandenen Meta-
meren bleiben innig verbunden und sind oft äusserlich nicht zu unterscheiden:
Undeutlich gegliederte Würmer: Sociale Bandwürmer aus der Pseudo-
phyllideen-Familie (Ligula, Triaenophorus), Nemertinen, Acanthocephalen (?),
Hirudineen, Sagitta (mit zwei Metameren). Zweite Abtheilung: die durch ter-
minale Knospung entstandenen Metameren trennen sich schärfer von einander,
und sind auch äusserlich deutlich zu unterscheiden: Deutlich gegliederte
Würmer:
Sociale Bandwürmer aus den Familien der Taeniaden und Tetraphylli-
deen, einige Acanthocephalen (Echinorhynchusagilis und E. moniliformis), die mei-
sten Anneliden.

Unzweifelhaft ist also bei den gegliederten Würmern das actuelle
Bion, wie bei den Wirbelthieren und Arthropoden, eine Person, ein
morphologisches Individuum fünfter Ordnung, bei den ungegliederten
Würmern dagegen ein Metamer, ein Form-Individuum vierter Ordnung.
Das letztere gilt nun auch von allen Mollusken, mit Ausnahme der
socialen "stockbildenden" Tunicaten und Bryozoen. Ueberall fehlt
hier gänzlich die Gliederung, die Zusammensetzung aus einer Kette
hinter einander gelegener Metameren, und es bleibt also das soge-
nannte Einzelthier, welches aus zwei Antimeren zusammengesetzt ist,
stets auf der vierten Individualitätsstufe stehen, bildet selbst ein ein-
ziges Metamer. Es wird dies sofort klar, wenn wir die Mollusken
mit den ungegliederten Würmern vergleichen, an die sie sich unmittel-
bar anreihen. Bekanntlich sind einige Schnecken (Gasteropoden) den
niederen Würmern sehr nahe verwandt, und insbesondere schliessen
sich die niedersten Opisthobranchien unmittelbar an die Turbellarien
an, von denen sie oft (Rhodope) kaum zu unterscheiden sind. Die
Tectologie der actuellen Bionten ist hier wesentlich die gleiche, wie
dort. Ganz so verhalten sich aber auch in der Zusammensetzung des
Körpers aus zwei Antimeren und dem gänzlichen Mangel jeder Glie-
derung alle anderen, nicht "stockbildenden" Mollusken, nämlich erstens
alle Cephaloten oder kopftragenden Mollusken (Cephalopoden,
Cochleen) und zweitens alle "Einzelthiere" unter den kopflosen
Mollusken oder Acephalen (alle Lamellibranchien und Brachiopoden,
und unter den Tunicaten die Ascidiae simplices, die Appendicularien,
Doliolum und die solitären Generationen der Salpen. Alle diese
Mollusken haben als ausgebildete reife Species-Repräsentanten nur
den morphologischen Rang eines Metameres.

Dasselbe gilt endlich auch von allen actuellen Bionten unter den
Coelenteraten, welche nicht aus Metameren zusammengesetzt sind,
also von allen Ctenophoren, allen Medusen und allen denjenigen

Physiologiche Individualität der Organismen.
solitären Bandwürmer: Caryophyllaeus, Echeneibothrium, alle Trematoden und
Turbellarien (nach Ausschluss der Nemertinen), alle Nematoden (?) und
Gephyreen (?)

Zweite Gruppe der Würmer: Gegliederte Würmer: das actuelle Bion
ist eine Kette von Metameren, also ein Form-Individuum fünfter Ordnung, eine
Person. Erste Abtheilung: die durch terminale Knospung entstandenen Meta-
meren bleiben innig verbunden und sind oft äusserlich nicht zu unterscheiden:
Undeutlich gegliederte Würmer: Sociale Bandwürmer aus der Pseudo-
phyllideen-Familie (Ligula, Triaenophorus), Nemertinen, Acanthocephalen (?),
Hirudineen, Sagitta (mit zwei Metameren). Zweite Abtheilung: die durch ter-
minale Knospung entstandenen Metameren trennen sich schärfer von einander,
und sind auch äusserlich deutlich zu unterscheiden: Deutlich gegliederte
Würmer:
Sociale Bandwürmer aus den Familien der Taeniaden und Tetraphylli-
deen, einige Acanthocephalen (Echinorhynchusagilis und E. moniliformis), die mei-
sten Anneliden.

Unzweifelhaft ist also bei den gegliederten Würmern das actuelle
Bion, wie bei den Wirbelthieren und Arthropoden, eine Person, ein
morphologisches Individuum fünfter Ordnung, bei den ungegliederten
Würmern dagegen ein Metamer, ein Form-Individuum vierter Ordnung.
Das letztere gilt nun auch von allen Mollusken, mit Ausnahme der
socialen „stockbildenden“ Tunicaten und Bryozoen. Ueberall fehlt
hier gänzlich die Gliederung, die Zusammensetzung aus einer Kette
hinter einander gelegener Metameren, und es bleibt also das soge-
nannte Einzelthier, welches aus zwei Antimeren zusammengesetzt ist,
stets auf der vierten Individualitätsstufe stehen, bildet selbst ein ein-
ziges Metamer. Es wird dies sofort klar, wenn wir die Mollusken
mit den ungegliederten Würmern vergleichen, an die sie sich unmittel-
bar anreihen. Bekanntlich sind einige Schnecken (Gasteropoden) den
niederen Würmern sehr nahe verwandt, und insbesondere schliessen
sich die niedersten Opisthobranchien unmittelbar an die Turbellarien
an, von denen sie oft (Rhodope) kaum zu unterscheiden sind. Die
Tectologie der actuellen Bionten ist hier wesentlich die gleiche, wie
dort. Ganz so verhalten sich aber auch in der Zusammensetzung des
Körpers aus zwei Antimeren und dem gänzlichen Mangel jeder Glie-
derung alle anderen, nicht „stockbildenden“ Mollusken, nämlich erstens
alle Cephaloten oder kopftragenden Mollusken (Cephalopoden,
Cochleen) und zweitens alle „Einzelthiere“ unter den kopflosen
Mollusken oder Acephalen (alle Lamellibranchien und Brachiopoden,
und unter den Tunicaten die Ascidiae simplices, die Appendicularien,
Doliolum und die solitären Generationen der Salpen. Alle diese
Mollusken haben als ausgebildete reife Species-Repräsentanten nur
den morphologischen Rang eines Metameres.

Dasselbe gilt endlich auch von allen actuellen Bionten unter den
Coelenteraten, welche nicht aus Metameren zusammengesetzt sind,
also von allen Ctenophoren, allen Medusen und allen denjenigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0393" n="354"/><fw place="top" type="header">Physiologiche Individualität der Organismen.</fw><lb/>
solitären Bandwürmer: <hi rendition="#i">Caryophyllaeus, Echeneibothrium,</hi> alle Trematoden und<lb/>
Turbellarien (nach Ausschluss der Nemertinen), alle Nematoden (?) und<lb/>
Gephyreen (?)</p><lb/>
              <p>Zweite Gruppe der Würmer: <hi rendition="#g">Gegliederte Würmer:</hi> das actuelle Bion<lb/>
ist eine Kette von Metameren, also ein Form-Individuum <hi rendition="#g">fünfter</hi> Ordnung, eine<lb/><hi rendition="#g">Person.</hi> Erste Abtheilung: die durch terminale Knospung entstandenen Meta-<lb/>
meren bleiben innig verbunden und sind oft äusserlich nicht zu unterscheiden:<lb/><hi rendition="#g">Undeutlich gegliederte Würmer:</hi> Sociale Bandwürmer aus der Pseudo-<lb/>
phyllideen-Familie <hi rendition="#i">(Ligula, Triaenophorus),</hi> Nemertinen, Acanthocephalen (?),<lb/>
Hirudineen, Sagitta (mit zwei Metameren). Zweite Abtheilung: die durch ter-<lb/>
minale Knospung entstandenen Metameren trennen sich schärfer von einander,<lb/>
und sind auch äusserlich deutlich zu unterscheiden: <hi rendition="#g">Deutlich gegliederte<lb/>
Würmer:</hi> Sociale Bandwürmer aus den Familien der Taeniaden und Tetraphylli-<lb/>
deen, einige Acanthocephalen (<hi rendition="#i">Echinorhynchusagilis</hi> und <hi rendition="#i">E. moniliformis</hi>), die mei-<lb/>
sten Anneliden.</p><lb/>
              <p>Unzweifelhaft ist also bei den gegliederten Würmern das actuelle<lb/>
Bion, wie bei den Wirbelthieren und Arthropoden, eine Person, ein<lb/>
morphologisches Individuum fünfter Ordnung, bei den ungegliederten<lb/>
Würmern dagegen ein Metamer, ein Form-Individuum vierter Ordnung.<lb/>
Das letztere gilt nun auch von allen <hi rendition="#g">Mollusken,</hi> mit Ausnahme der<lb/>
socialen &#x201E;stockbildenden&#x201C; Tunicaten und Bryozoen. Ueberall fehlt<lb/>
hier gänzlich die Gliederung, die Zusammensetzung aus einer Kette<lb/>
hinter einander gelegener Metameren, und es bleibt also das soge-<lb/>
nannte Einzelthier, welches aus zwei Antimeren zusammengesetzt ist,<lb/>
stets auf der vierten Individualitätsstufe stehen, bildet selbst ein ein-<lb/>
ziges Metamer. Es wird dies sofort klar, wenn wir die Mollusken<lb/>
mit den ungegliederten Würmern vergleichen, an die sie sich unmittel-<lb/>
bar anreihen. Bekanntlich sind einige Schnecken (Gasteropoden) den<lb/>
niederen Würmern sehr nahe verwandt, und insbesondere schliessen<lb/>
sich die niedersten Opisthobranchien unmittelbar an die Turbellarien<lb/>
an, von denen sie oft <hi rendition="#i">(Rhodope)</hi> kaum zu unterscheiden sind. Die<lb/>
Tectologie der actuellen Bionten ist hier wesentlich die gleiche, wie<lb/>
dort. Ganz so verhalten sich aber auch in der Zusammensetzung des<lb/>
Körpers aus zwei Antimeren und dem gänzlichen Mangel jeder Glie-<lb/>
derung alle anderen, nicht &#x201E;stockbildenden&#x201C; Mollusken, nämlich erstens<lb/>
alle Cephaloten oder kopftragenden Mollusken (Cephalopoden,<lb/>
Cochleen) und zweitens alle &#x201E;Einzelthiere&#x201C; unter den kopflosen<lb/>
Mollusken oder Acephalen (alle Lamellibranchien und Brachiopoden,<lb/>
und unter den Tunicaten die Ascidiae simplices, die Appendicularien,<lb/><hi rendition="#i">Doliolum</hi> und die solitären Generationen der Salpen. Alle diese<lb/>
Mollusken haben als ausgebildete reife Species-Repräsentanten nur<lb/>
den morphologischen Rang eines Metameres.</p><lb/>
              <p>Dasselbe gilt endlich auch von allen actuellen Bionten unter den<lb/>
Coelenteraten, welche nicht aus Metameren zusammengesetzt sind,<lb/>
also von allen Ctenophoren, allen Medusen und allen denjenigen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354/0393] Physiologiche Individualität der Organismen. solitären Bandwürmer: Caryophyllaeus, Echeneibothrium, alle Trematoden und Turbellarien (nach Ausschluss der Nemertinen), alle Nematoden (?) und Gephyreen (?) Zweite Gruppe der Würmer: Gegliederte Würmer: das actuelle Bion ist eine Kette von Metameren, also ein Form-Individuum fünfter Ordnung, eine Person. Erste Abtheilung: die durch terminale Knospung entstandenen Meta- meren bleiben innig verbunden und sind oft äusserlich nicht zu unterscheiden: Undeutlich gegliederte Würmer: Sociale Bandwürmer aus der Pseudo- phyllideen-Familie (Ligula, Triaenophorus), Nemertinen, Acanthocephalen (?), Hirudineen, Sagitta (mit zwei Metameren). Zweite Abtheilung: die durch ter- minale Knospung entstandenen Metameren trennen sich schärfer von einander, und sind auch äusserlich deutlich zu unterscheiden: Deutlich gegliederte Würmer: Sociale Bandwürmer aus den Familien der Taeniaden und Tetraphylli- deen, einige Acanthocephalen (Echinorhynchusagilis und E. moniliformis), die mei- sten Anneliden. Unzweifelhaft ist also bei den gegliederten Würmern das actuelle Bion, wie bei den Wirbelthieren und Arthropoden, eine Person, ein morphologisches Individuum fünfter Ordnung, bei den ungegliederten Würmern dagegen ein Metamer, ein Form-Individuum vierter Ordnung. Das letztere gilt nun auch von allen Mollusken, mit Ausnahme der socialen „stockbildenden“ Tunicaten und Bryozoen. Ueberall fehlt hier gänzlich die Gliederung, die Zusammensetzung aus einer Kette hinter einander gelegener Metameren, und es bleibt also das soge- nannte Einzelthier, welches aus zwei Antimeren zusammengesetzt ist, stets auf der vierten Individualitätsstufe stehen, bildet selbst ein ein- ziges Metamer. Es wird dies sofort klar, wenn wir die Mollusken mit den ungegliederten Würmern vergleichen, an die sie sich unmittel- bar anreihen. Bekanntlich sind einige Schnecken (Gasteropoden) den niederen Würmern sehr nahe verwandt, und insbesondere schliessen sich die niedersten Opisthobranchien unmittelbar an die Turbellarien an, von denen sie oft (Rhodope) kaum zu unterscheiden sind. Die Tectologie der actuellen Bionten ist hier wesentlich die gleiche, wie dort. Ganz so verhalten sich aber auch in der Zusammensetzung des Körpers aus zwei Antimeren und dem gänzlichen Mangel jeder Glie- derung alle anderen, nicht „stockbildenden“ Mollusken, nämlich erstens alle Cephaloten oder kopftragenden Mollusken (Cephalopoden, Cochleen) und zweitens alle „Einzelthiere“ unter den kopflosen Mollusken oder Acephalen (alle Lamellibranchien und Brachiopoden, und unter den Tunicaten die Ascidiae simplices, die Appendicularien, Doliolum und die solitären Generationen der Salpen. Alle diese Mollusken haben als ausgebildete reife Species-Repräsentanten nur den morphologischen Rang eines Metameres. Dasselbe gilt endlich auch von allen actuellen Bionten unter den Coelenteraten, welche nicht aus Metameren zusammengesetzt sind, also von allen Ctenophoren, allen Medusen und allen denjenigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/393
Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/393>, abgerufen am 01.06.2024.