I. Die Promorphologie als Lehre von den organischen Grundformen.
Zwölftes Capitel. Begriff und Aufgabe der Promorphologie.
"Was man an der Natur Geheimnissvolles pries, Das wagen wir verständig zu probiren, Und was sie sonst organisiren liess, Das lassen wir krystallisiren."
Goethe.
I. Die Promorphologie als Lehre von den organischen Grundformen.
Die Promorphologie oder Grundformenlehre der Or- ganismen ist die gesammte Wissenschaft von der äusseren Form der organischen Individuen, und von der stereo- metrischen Grundform, welche derselben zu Grunde liegt, und auf deren Erkenntniss durch Abstraction sich jede wissenschaft- liche Darstellung einer organischen Form stützen muss. Die Auf- gabe der organischen Promorphologie ist mithin die Er- kenntniss und die Erklärung der organischen individuellen Gesammtform durch ihre stereometrische Grundform d. h. die Bestimmung der idealen Grundform durch Abstraction aus der realen organischen Form, und die Erkenntniss der bestimmten Natur- gesetze, nach denen die organische Materie die äussere Gesammtform der organischen Individuen bildet.
Begriff und Aufgabe der organischen Promorphologie, wie wir sie hier feststellen und bereits oben (p. 30, 46, 49) im Allgemeinen er- örtert haben, sind bisher noch nicht Gegenstand von eingehenden morphologischen Untersuchungen gewesen. Die Vorwürfe, welche die
I. Die Promorphologie als Lehre von den organischen Grundformen.
Zwölftes Capitel. Begriff und Aufgabe der Promorphologie.
„Was man an der Natur Geheimnissvolles pries, Das wagen wir verständig zu probiren, Und was sie sonst organisiren liess, Das lassen wir krystallisiren.“
Goethe.
I. Die Promorphologie als Lehre von den organischen Grundformen.
Die Promorphologie oder Grundformenlehre der Or- ganismen ist die gesammte Wissenschaft von der äusseren Form der organischen Individuen, und von der stereo- metrischen Grundform, welche derselben zu Grunde liegt, und auf deren Erkenntniss durch Abstraction sich jede wissenschaft- liche Darstellung einer organischen Form stützen muss. Die Auf- gabe der organischen Promorphologie ist mithin die Er- kenntniss und die Erklärung der organischen individuellen Gesammtform durch ihre stereometrische Grundform d. h. die Bestimmung der idealen Grundform durch Abstraction aus der realen organischen Form, und die Erkenntniss der bestimmten Natur- gesetze, nach denen die organische Materie die äussere Gesammtform der organischen Individuen bildet.
Begriff und Aufgabe der organischen Promorphologie, wie wir sie hier feststellen und bereits oben (p. 30, 46, 49) im Allgemeinen er- örtert haben, sind bisher noch nicht Gegenstand von eingehenden morphologischen Untersuchungen gewesen. Die Vorwürfe, welche die
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I. Die Promorphologie als Lehre von den organischen Grundformen.
Zwölftes Capitel.
Begriff und Aufgabe der Promorphologie.
„Was man an der Natur Geheimnissvolles pries,
Das wagen wir verständig zu probiren,
Und was sie sonst organisiren liess,
Das lassen wir krystallisiren.“
Goethe.
I. Die Promorphologie als Lehre von den organischen Grundformen.
Die Promorphologie oder Grundformenlehre der Or-
ganismen ist die gesammte Wissenschaft von der äusseren
Form der organischen Individuen, und von der stereo-
metrischen Grundform, welche derselben zu Grunde liegt,
und auf deren Erkenntniss durch Abstraction sich jede wissenschaft-
liche Darstellung einer organischen Form stützen muss. Die Auf-
gabe der organischen Promorphologie ist mithin die Er-
kenntniss und die Erklärung der organischen individuellen
Gesammtform durch ihre stereometrische Grundform d. h.
die Bestimmung der idealen Grundform durch Abstraction aus der
realen organischen Form, und die Erkenntniss der bestimmten Natur-
gesetze, nach denen die organische Materie die äussere Gesammtform
der organischen Individuen bildet.
Begriff und Aufgabe der organischen Promorphologie, wie wir sie
hier feststellen und bereits oben (p. 30, 46, 49) im Allgemeinen er-
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/416>, abgerufen am 23.11.2024.
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