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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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System der organischen Grundformen.
sind; nur einzelne sind ein wenig grösser oder kleiner, als die übrigen.
In jedem Knotenpunkt steht ein radialer Stachel. Verbindet man die
Spitzen aller Stacheln, die sämmtlich gleich lang sind, durch Linien
und legt durch diese Linien Ebenen, so erhält man ein zweites
grösseres endosphärisches Polyeder, welches dem inneren kleineren
concentrisch ist und dessen Maschen ebenfalls sämmtlich annähernd
gleichseitige und congruente Dreiecke sind. Bisweilen scheint sich
die Zahl der congruenten Dreiecke auf zwanzig zu beschränken und
dann geht die Form in die des regulären Icosaeders über. Bei vielen
Radiolarien ist die isopolygone Gitterkugel aus einer grossen Anzahl
von Sechsecken zusammengesetzt, die ebenfalls grösstentheils regulär
und congruent oder doch wenigstens subregulär sind, so bei Ethmo-
sphaera, Heliosphaera inermis, H. tenuissima
(Taf. IX, Fig. 1, 2; Taf.
XI, Fig. 1), ferner bei vielen Cladococciden (Taf. XIII, XIV), vielen
Ommatiden (Taf. XXIV, Fig. 1, 4, 5) etc. Ganz dieselbe ausgezeichnet
zierliche und regelmässige Form findet sich bei vielen Pollenzellen,
namentlich von Malvaceen. Besonders ist der Pollen von Phlox undu-
lata
und Sida abutilon durch seine merkwürdige Aehnlichkeit mit der
Kieselschale von Ethmosphaera überraschend. Ferner ist unter den
Radiolarien sehr ausgezeichnet die merkwürdige Diplosphaera gracilis,
deren Kieselskelet aus zwei concentrischen endosphaerischen Polyedern
besteht, einem inneren mit subregulären sechseckigen und einem
äusseren mit subregulären quadratischen und rechteckigen Grenz-
flächen (Taf. X, Fig. 1). Doch muss diese, wie viele andere ähnliche
arrhythme Polyaxonformen aus verschiedenen Radiolarien-Familien,
wegen der zwanzig nach Müller's Gesetz vertheilten radialen Haupt-
stacheln vielmehr zu den Isostauren (homopolen Stauraxonien) gerech-
net werden, welche die Grundform des Quadrat-Octaeders haben.

Zweite Unterordnung der Polyaxonien.
Reguläre Vielaxige. Polyaxonia rhythmica.
Stereometrische Grundform: Reguläres endosphärisches Polyeder.

Viel seltener als die arrhythmen oder irregulären sind die rhyth-
mischen oder regulären Polyaxonien in organischen Individuen zu
finden. Sie verdienen aber desshalb ein besonderes Interesse, weil
sie nächst der Kugel die regelmässigsten aller Körper sind. Solche
vollkommen regelmässige, in geometrischem Sinne reguläre Polyeder,
die unter den Mineralformen als Krystalle des regulären oder tesse-
ralen Systems sehr häufig vorkommen, sind uns aus der Organismen-
Welt nur bekannt von den Pollen-Körnern vieler Phanerogamen, von
den Antheridien der Characeen und von den Kieselschalen einiger

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sind; nur einzelne sind ein wenig grösser oder kleiner, als die übrigen.
In jedem Knotenpunkt steht ein radialer Stachel. Verbindet man die
Spitzen aller Stacheln, die sämmtlich gleich lang sind, durch Linien
und legt durch diese Linien Ebenen, so erhält man ein zweites
grösseres endosphärisches Polyeder, welches dem inneren kleineren
concentrisch ist und dessen Maschen ebenfalls sämmtlich annähernd
gleichseitige und congruente Dreiecke sind. Bisweilen scheint sich
die Zahl der congruenten Dreiecke auf zwanzig zu beschränken und
dann geht die Form in die des regulären Icosaeders über. Bei vielen
Radiolarien ist die isopolygone Gitterkugel aus einer grossen Anzahl
von Sechsecken zusammengesetzt, die ebenfalls grösstentheils regulär
und congruent oder doch wenigstens subregulär sind, so bei Ethmo-
sphaera, Heliosphaera inermis, H. tenuissima
(Taf. IX, Fig. 1, 2; Taf.
XI, Fig. 1), ferner bei vielen Cladococciden (Taf. XIII, XIV), vielen
Ommatiden (Taf. XXIV, Fig. 1, 4, 5) etc. Ganz dieselbe ausgezeichnet
zierliche und regelmässige Form findet sich bei vielen Pollenzellen,
namentlich von Malvaceen. Besonders ist der Pollen von Phlox undu-
lata
und Sida abutilon durch seine merkwürdige Aehnlichkeit mit der
Kieselschale von Ethmosphaera überraschend. Ferner ist unter den
Radiolarien sehr ausgezeichnet die merkwürdige Diplosphaera gracilis,
deren Kieselskelet aus zwei concentrischen endosphaerischen Polyedern
besteht, einem inneren mit subregulären sechseckigen und einem
äusseren mit subregulären quadratischen und rechteckigen Grenz-
flächen (Taf. X, Fig. 1). Doch muss diese, wie viele andere ähnliche
arrhythme Polyaxonformen aus verschiedenen Radiolarien-Familien,
wegen der zwanzig nach Müller’s Gesetz vertheilten radialen Haupt-
stacheln vielmehr zu den Isostauren (homopolen Stauraxonien) gerech-
net werden, welche die Grundform des Quadrat-Octaeders haben.

Zweite Unterordnung der Polyaxonien.
Reguläre Vielaxige. Polyaxonia rhythmica.
Stereometrische Grundform: Reguläres endosphärisches Polyeder.

Viel seltener als die arrhythmen oder irregulären sind die rhyth-
mischen oder regulären Polyaxonien in organischen Individuen zu
finden. Sie verdienen aber desshalb ein besonderes Interesse, weil
sie nächst der Kugel die regelmässigsten aller Körper sind. Solche
vollkommen regelmässige, in geometrischem Sinne reguläre Polyeder,
die unter den Mineralformen als Krystalle des regulären oder tesse-
ralen Systems sehr häufig vorkommen, sind uns aus der Organismen-
Welt nur bekannt von den Pollen-Körnern vieler Phanerogamen, von
den Antheridien der Characeen und von den Kieselschalen einiger

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[410/0449] System der organischen Grundformen. sind; nur einzelne sind ein wenig grösser oder kleiner, als die übrigen. In jedem Knotenpunkt steht ein radialer Stachel. Verbindet man die Spitzen aller Stacheln, die sämmtlich gleich lang sind, durch Linien und legt durch diese Linien Ebenen, so erhält man ein zweites grösseres endosphärisches Polyeder, welches dem inneren kleineren concentrisch ist und dessen Maschen ebenfalls sämmtlich annähernd gleichseitige und congruente Dreiecke sind. Bisweilen scheint sich die Zahl der congruenten Dreiecke auf zwanzig zu beschränken und dann geht die Form in die des regulären Icosaeders über. Bei vielen Radiolarien ist die isopolygone Gitterkugel aus einer grossen Anzahl von Sechsecken zusammengesetzt, die ebenfalls grösstentheils regulär und congruent oder doch wenigstens subregulär sind, so bei Ethmo- sphaera, Heliosphaera inermis, H. tenuissima (Taf. IX, Fig. 1, 2; Taf. XI, Fig. 1), ferner bei vielen Cladococciden (Taf. XIII, XIV), vielen Ommatiden (Taf. XXIV, Fig. 1, 4, 5) etc. Ganz dieselbe ausgezeichnet zierliche und regelmässige Form findet sich bei vielen Pollenzellen, namentlich von Malvaceen. Besonders ist der Pollen von Phlox undu- lata und Sida abutilon durch seine merkwürdige Aehnlichkeit mit der Kieselschale von Ethmosphaera überraschend. Ferner ist unter den Radiolarien sehr ausgezeichnet die merkwürdige Diplosphaera gracilis, deren Kieselskelet aus zwei concentrischen endosphaerischen Polyedern besteht, einem inneren mit subregulären sechseckigen und einem äusseren mit subregulären quadratischen und rechteckigen Grenz- flächen (Taf. X, Fig. 1). Doch muss diese, wie viele andere ähnliche arrhythme Polyaxonformen aus verschiedenen Radiolarien-Familien, wegen der zwanzig nach Müller’s Gesetz vertheilten radialen Haupt- stacheln vielmehr zu den Isostauren (homopolen Stauraxonien) gerech- net werden, welche die Grundform des Quadrat-Octaeders haben. Zweite Unterordnung der Polyaxonien. Reguläre Vielaxige. Polyaxonia rhythmica. Stereometrische Grundform: Reguläres endosphärisches Polyeder. Viel seltener als die arrhythmen oder irregulären sind die rhyth- mischen oder regulären Polyaxonien in organischen Individuen zu finden. Sie verdienen aber desshalb ein besonderes Interesse, weil sie nächst der Kugel die regelmässigsten aller Körper sind. Solche vollkommen regelmässige, in geometrischem Sinne reguläre Polyeder, die unter den Mineralformen als Krystalle des regulären oder tesse- ralen Systems sehr häufig vorkommen, sind uns aus der Organismen- Welt nur bekannt von den Pollen-Körnern vieler Phanerogamen, von den Antheridien der Characeen und von den Kieselschalen einiger

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/449>, abgerufen am 14.06.2024.